Selbstverständlich ist Ihr Engagement sinnvoll, und zwar in verschiedener Hinsicht. Erstens tun Sie Ihrer Mutter etwas zuliebe und zweitens dient es Ihrer eigenen Persönlichkeitsentwicklung. Ich verstehe, dass Sie sich belastet fühlen. Es geht wahrscheinlich allen so, die kranke oder sterbende Eltern begleiten. Grundsätzlich haben das Sterben und Krankheiten, die zum Tod führen, für die meisten Leute etwas Erschreckendes. Solange sie können, gehen sie dem Thema deshalb aus dem Weg und verdrängen es.

Nicht umsonst hat gemäss der buddhistischen Legende der Vater des indischen Prinzen Siddhartha Gautama diesen im Palast eingeschlossen, ihn nur mit schönen jungen Menschen umgeben, um ihm dieses Leid zu ersparen. Bekanntlich ist der Prinz aus dem Palast ausgerissen und traf bald einen Alten, einen Kranken und einen Sterbenden. Er wurde von Mitgefühl erfasst und widmete sein Leben von diesem Moment an der Suche nach einem Weg, das Leiden an der menschlichen Existenz zu lindern. Das Resultat ist die Philosophie oder Religion des Buddhismus.

Auch für uns ist das Sterben geliebter Menschen eine grosse Herausforderung. Bei der heutigen Lebenserwartung trifft es sich häufig, dass die Eltern sterben, wenn man selbst über 50 ist und an sich selber bereits deutliche Alterserscheinungen wahrnehmen muss. Dies macht die Begleitung von Schwerkranken und Sterbenden einerseits schwieriger, weil ältere Menschen die Konfrontation mit der eigenen Vergänglichkeit viel stärker erschüttert als junge Menschen. Gleichzeitig ist es aber auch eine Chance für die eigene Reifung, wenn man sich mit dem Tod auseinander setzt. Man macht sich Gedanken darüber, welches nun im eigenen Leben die wirklichen Werte sind, man wird einiges umgestalten und vielleicht auch Zugang zu einer spirituellen oder religiösen Dimension finden.

Den Tod als Tor zu einer andern Welt verstehen
Positiv an der modernen Situation ist, dass die Kinder meist aus dem Haus sind und daher mehr Zeit und Kraft für die Betreuung der Eltern bleibt. Leitlinien zum Thema Sterbebegleitung liefert etwa die Kultur des tibetischen Buddhismus. Das Gefühl der Hilflosigkeit wird kleiner, wenn man sich vorstellt, den Sterbenden bis zum Tor zu einer andern Welt zu begleiten. Wenn man ihm mit diesem Bild vor Augen einfach die Hand hält, leistet man schon wertvolle Hilfe. Wichtig ist eine klare Abgrenzung. Obwohl wir alle sterben müssen, sind wir noch nicht an der Reihe. Mitfühlen und nicht Mitleiden ist also gefragt!