Wem gehört der Lehrlingslohn?

Mein Sohn meint, er könne seinen ganzen Lehrlingslohn als Taschengeld beanspruchen. Stimmt das?
Das Gesetz sagt (ZGB, Art. 323), dass das selbstverdiente Geld den Lernenden gehört. Es heisst aber auch, dass die Eltern verlangen können, dass ihr Kind einen angemessenen Beitrag an seinen Unterhalt leistet, solange es mit ihnen unter einem Dach lebt.

Wie viel Kostgeld ist zu zahlen?

Wie finden wir heraus, wie viel unser Kind von seinem Lehrlingslohn zu Hause abgeben soll?
Welcher Betrag für Kost und Logis «angemessen» ist, muss im Einzelfall festgelegt werden. Bei der Budgetberatung Schweiz sind Richtlinien zur Einteilung des Lehrlingslohns erhältlich (siehe auch Budgetbeispiele unten). Diese können als erste Orientierungshilfe dienen. Am besten listen die Eltern anschliessend zusammen mit dem Kind konkret auf, welche Ausgaben es hat. Danach ist zu klären, welche Kosten es selber übernehmen kann und welche nicht. Und ob es überhaupt in der Lage ist, etwas zu Hause abzugeben.

Was gilt bei sehr tiefen Lehrlingslöhnen?

Ist es sinnvoll, auch bei einem sehr tiefen Lehrlingslohn noch etwas zu Hause abzugeben?
Bei 500 Franken Lehrlingslohn wird das kaum gehen. Dann ist es jedoch wichtig, dass Eltern und Kind miteinander abmachen, welche Ausgaben es mit seinem Lohn selber deckt. Das könnten beispielsweise die Fahrkosten, der Kauf von Kleidern, Coiffeur- und/oder Handykosten sein. Denn die Jugendlichen sollen lernen, mit Geld bewusst umzugehen und Verantwortung zu übernehmen Jugendliche Endlich Geld – und jetzt? . Bei einem Lehrlingslohn ab etwa 1000 Franken sollte es hingegen möglich sein, die meisten Ausgaben selber zu begleichen. Je nachdem, ob die Tochter oder der Sohn auswärts isst oder nicht, kann auch noch etwas für Kost und Logis abgegeben werden (siehe Budgetbeispiele unten). Generell gilt, dass Lernende mit ihrem Einkommen an ihre Lebenshaltungskosten beitragen müssen. Je höher ihr Lohn, desto mehr sollen sie selber bezahlen und – falls möglich bzw. je nach Abmachung, für welche Kosten sie selber aufkommen sollen – auch etwas für Kost und Logis abgeben.

Budgetbeispiele für 3 verschiedene Lehrlingslöhne

Lehrlingslohn: 700 Franken netto (1. Lehrjahr)

Krankenkasse 100
Öffentlicher Verkehr 120
Handy 30
Kleider, Schuhe 80
Coiffeur, Körperpflege 30
Schulmaterial (ohne Lehrmittel) 10
Taschengeld 140
Sparen (für Ferien etc.) 80
Auswärtige Verpflegung oder Anteil Kost und Logis 110

 

Lehrlingslohn: 1200 Franken netto (ca. 3. Lehrjahr)

Krankenkasse* 280
Franchise / Selbstbehalt 40
Steuern 10
Mobilität (ÖV, Velo) 120
Handy 30
Computer 25
Kleider, Schuhe 110
Coiffeur, Körperpflege 40
Schulmaterial (ohne Lehrmittel) 10
Zahnarzt 15
Taschengeld 180
Sparen (für Ferien, Fahrstunden, etc.) 140
Auswärtige Verpflegung und/oder Anteil Kost und Logis 200

*Vorsicht: Ab 18 Jahren gilt die Krankenkassenprämie für Erwachsene

 

Lohn: 4500 Franken (Lehre abgeschlossen)

Wohnanteil 450
Wohn- und Haushaltsnebenkosten 100
Aufräum- und Reinigungsarbeiten 200
Mahlzeiten 370
Waschen und Bügeln 120
Total: Beitrag für Kost und Logis = 1240

Wenn Jugendliche oder junge Erwachsene mit der Lehre fertig sind und weiter bei den Eltern wohnen, müssen sie selbstverständlich all ihre Ausgaben selbst tragen und ein angemessenes Kostgeld aus ihrem Lohn finanzieren. Laut Budgetberatung Schweiz kann es 695 bis 1410 Franken pro Monat betragen – ohne Berücksichtigung einer Entschädigung für die Hausarbeit der Eltern. Wenn man für eine solche Entschädigung mit 25 Franken pro Stunde rechnet, kann das Kostgeld bis zu 2355 Franken betragen. Falls der Sprössling sich an der Hausarbeit beteiligt, kann er also viel Geld sparen – ein weiterer Lerneffekt.

Müssen Eltern den Lehrlingslohn versteuern?

Unsere 17-jährige Tochter verdient in der Lehre monatlich 700 Franken. Müssen wir ihren Lohn in unserer Steuererklärung deklarieren?

Nein, Sie müssen den Lohn der Tochter nicht in Ihrer Steuererklärung auflisten. Da Ihre Tochter über ein regelmässiges Einkommen verfügt, ist sie selber steuerpflichtig Steuererklärung ausfüllen Das erste Mal mit 18 , auch wenn sie noch minderjährig ist. Oft ist der Lehrlingslohn so gering, dass keine Einkommenssteuern anfallen. Beim Bund und in den meisten Kantonen setzt der Steuertarif erst ab einem Nettolohn von über 10’000 Franken ein. Vom Bruttolohn werden die Berufskosten und die Kosten für den Arbeitsweg sowie für die auswärtige Verpflegung abgezogen. Sobald Ihre Tochter volljährig wird, muss sie in jedem Fall eine eigene Steuererklärung ausfüllen.

Wer jdeoch kein steuerbares Einkommen erzielt, kann das Formular leer und unterzeichnet dem Steueramt zurücksenden.

Mehr zur Unterhaltspflicht gegenüber Kindern bei Guider

Sind Eltern verpflichtet, bis zu einer festen Altersgrenze für den Unterhalt der Kinder zu sorgen? Welche Unterstützung leistet der Bund und die Kantone? Wie sollen sich Lehrlinge an den Haushaltskosten beteiligen? Diese und andere Fragen zur Unterhaltspflicht von Eltern beantwortet Guider den Beobachter-Abonnenten.

Dürfen Alimente gekürzt werden?

Darf ich die Kinderalimente reduzieren, da meine Tochter jetzt selber etwas verdient?
Nein, den im Scheidungsurteil festgelegten Unterhaltsbeitrag für Ihre Tochter dürfen Sie keinesfalls eigenmächtig kürzen, sonst könnten Sie mit Erfolg betrieben werden. Bei einer wesentlichen, dauerhaften und nicht vorhersehbaren Verbesserung der finanziellen Situation der Tochter könnten Sie aber beim zuständigen Gericht verlangen, dass die Unterhaltsbeiträge herabgesetzt werden. Diese Voraussetzungen sind jedoch nur selten erfüllt.

Wenn bei der Scheidung der Eltern nämlich schon klar ist, welche Lehre das Kind später antreten und wie viel es in etwa verdienen wird, dann berücksichtigen die Gerichte beim Festlegen der Unterhaltsbeiträge  praxisgemäss den Lehrlingslohn. Wenn bei der Scheidung der Eltern noch nicht klar ist, was das Kind mit 16 machen wird, kann später an sich eine Abänderungsklage eingereicht werden. Doch: Meist verdient ein Jugendlicher im ersten Lehrjahr nicht so viel, dass von einer wesentlichen Verbesserung seiner finanziellen Situation gesprochen werden kann – gerade wenn auch noch die allenfalls mit der Lehre zusätzlich anfallenden Kosten berücksichtigt werden.

Immerhin: Man kann sich ja auch gütlich einigen, etwa darauf, dass der Vater wegen des Lehrlingslohns beispielsweise 100 Franken weniger Unterhalt zahlt. Eine solche Vereinbarung muss – um verbindlich zu sein – zwar von der Kindesschutzbehörde genehmigt werden, dient dem Familienfrieden aber bestimmt mehr als ein Gerichtsprozess.

Budgetberatung

Hier erhalten Sie Hilfe beim Erstellen eines Budgets und Auskunft zu Kostgeldfragen: www.budgetberatung.ch

 

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