Antwort von Koni Rohner, Psychotherapeut FSP:

Was am Anfang gut war, kann mit der Zeit durchaus zur Belastung werden. Nehmen Sie Ihre Gefühle ernst. Und prüfen Sie genau, ob diese Beziehungskonstellation auch heute noch das Richtige ist für Sie. Oft ist ein Ende mit Schmerzen besser als ein Schmerz ohne Ende.

Dreiecksbeziehungen kommen häufiger vor, als man glaubt. Drei bis vier Prozent der Männer und Frauen zwischen 20 und 60 sind in einer verstrickt, besagt eine Umfrage von Gerti Senger (siehe «Buchtipps»). Zwei Drittel davon sind Frauen. Das hat schon demografische Gründe. Es gibt weniger alleinstehende Männer im mittleren Alter.

Natürlich macht sich keine Frau mit Vorsatz auf die «Jagd» nach einem gebundenen Mann, sondern rutscht wohl eher ungewollt in eine solche Beziehung. Weil Frauen aber heute ökonomisch nicht mehr von Männern abhängig sind, kann eine emanzipierte Frau diese Rolle als Geliebte akzeptieren.

«Die heimlichen Treffen können der Liebe zwar Würze geben, die Heimlichkeit kann aber auch belastend oder sogar kränkend werden.»

 Koni Rohner, Psychotherapeut FSP

Frauen zwischen Freude und Leid

Allerdings rankt sich ein Haufen Vorurteile um diese Konstellation. Die einen halten eine solche Beziehung für unmoralisch, andere sind neidisch auf so viel Freiheit. Betroffene Frauen sprechen von Freude und Leid. 

Das Positive ist, dass die Geliebte eigentlich nur erfreuliche Stunden mit dem Mann erlebt, den sie liebt. Er kommt in bester Laune, weil das Treffen für ihn etwas Besonderes, nicht Alltägliches ist. Er verwöhnt seine Geliebte, beschenkt sie oft grosszügig, denn sie verkörpert für ihn den erotisch-sexuellen Traum. Die Geliebte erlebt den Mann nicht, wenn er missgestimmt oder krank ist, sie kennt nur seine beste Seite.

Aber sie muss aushalten, dass sie zwar die Schönste und Aufregendste ist, aber eben doch «Zweitfrau» oder «Nebenfrau». Den Alltag lebt ihr Geliebter mit der «Hauptfrau». An Wochenenden und Feiertagen ist er mit ihr und der Familie zusammen, die Geliebte bleibt allein.

Die heimlichen Treffen können der Liebe zwar Würze geben, die Heimlichkeit kann aber auch belastend oder sogar kränkend werden, weil der Mann mit diesem Versteckspiel ja offensichtlich nicht zur Beziehung mit seiner Geliebten steht. Die Autorin Gerti Senger spricht deshalb von «Schattenliebe».

In der Regel sind auch keine gemeinsamen Freunde möglich, da die Verbindung geheim bleiben muss. Das bedeutet oft, dass sich die «Schattenfrau» immer mehr sozial isoliert. Damit wird das Ungleichgewicht in der Beziehung noch stärker. Der Mann hat mit Ehefrau und Familie einen soliden Hintergrund, Geborgenheit und zudem noch den Kick einer ausserehelichen Romanze. Seine Geliebte aber hat nur ihn – und das nicht einmal ganz.

Genug vom Leben als Prinzessin

Zum Problem wird das spätestens, wenn die Geliebte ihren Prinzessinnenstatus satt hat und nun einfach das tägliche Leben mit dem geliebten Mann teilen oder sogar Kinder mit ihm haben möchte. Das ist in der Regel eine vergebliche Hoffnung. Nur einer von zehn Männern verlässt seine Familie und Ehefrau für eine Geliebte. Wieso sollte er seine angenehme Situation auch aufgeben? 

Hier beginnt für viele heimliche Geliebte der Leidensweg. Die Frustration und die Enttäuschung werden grösser als die Freude der kurzen, romantischen Treffen.

Falls sich die «Schattenfrau» jahrelang auf diese eine Beziehung abgestützt und andere Kontakte zu Freunden und Freundinnen vernachlässigt hat, ist eine eigentliche Abhängigkeit entstanden. Obwohl sie die mittlerweile unbefriedigende Beziehung zum verheirateten Mann jetzt abbrechen möchte, schafft sie es nicht – aus Angst, dass sie plötzlich allein dasteht. Oft gelingt ein Ausstieg aus dieser Beziehungsfalle bloss noch mit therapeutischer Hilfe. Aber er kann gelingen.

Buchtipps

  • Gerti Senger: «Schattenliebe. Nie mehr Zweite sein»; Verlag Amalthea, 2007, 280 Seiten, zirka CHF 87.–
  • Maja Langsdorff: «Die Geliebte. Was es heisst, die Andere zu sein»; Verlag Norderstedt, 2005, 240 Seiten, 24.90 CHF