Die fünfjährige Lea und der zehnjährige Marc sind erstaunt: Alle Tanten und Onkel sind zu Besuch, sogar der Bruder vom Grosi ist da. Dabei steht doch gar kein Geburtstag an. Und überhaupt: Die Erwachsenen verhalten sich eigenartig. Aus ihren Gesprächen erfahren die Kinder nach und nach, dass das Grosi gestorben ist. Sie wollen alles genau wissen, aber niemand hat jetzt die Geduld, ihnen zu erklären, was vorgefallen ist.

Eine typische Situation: Beschäftigt mit ihrer eigenen Trauer, nehmen die Erwachsenen die Kinder oft gar nicht als aktiv Trauernde wahr. Vielleicht wollen sie die Kinder auch schützen, sie so gut wie möglich abschotten, um sie nicht zu belasten. Dabei ist es notwendig zu trauern. Es liegt an den Erwachsenen, die Kinder durch diesen Prozess zu begleiten und ihre Fragen zu beantworten. Denn die Trauererfahrungen in der Kindheit legen den Grundstein dafür, auch in Zukunft angemessen mit Verlusten umzugehen.

Wie trauern Kinder?

Kinder durchlaufen in ihrer Trauerreaktion wie auch die Erwachsenen mehrere Phasen. Dabei gibt es kein festes Schema; der Prozess hängt stark vom Alter und von der Persönlichkeit des Kindes ab. Generell zeigen und leben Kinder Trauer eher «tropfenweise», also weniger kontinuierlich als Erwachsene. Sie können von einem Moment zum andern hemmungslos weinen und dann lachen und intensiv spielen.

Was heisst das fürs Überbringen einer Todesnachricht?

Kinder haben ein Recht zu erfahren, was geschehen ist. Doch eine unvermittelte Todesnachricht kann einen Schock auslösen. Entsprechend wichtig ist es, sie den Kindern in einer ruhigen Situation nahezubringen. Wenn sie innerlich erstarren und den Todesfall leugnen, ist das kein Trotz. Vielmehr dient ein solches Verhalten zur Entlastung und zum Selbstschutz. Auch Schlafstörungen und Alpträume können auftreten. Ebenso ist ein Rückfall in bereits abgelegte Verhaltensweisen wie Daumenlutschen nicht auszuschliessen. Wenn die Angst überhandnimmt, es könnte noch ein geliebter Mensch sterben, sind die Eltern besonders gefordert.

Sollen Eltern ihre Trauer verbergen?

Nein. Kinder orientieren sich an den Eltern. Gemeinsam zu weinen und die Gefühle des Kindes in Worte zu fassen kann hilfreich sein. Ein Beispiel: «Es macht dich sehr traurig, dass das Grosi gestorben ist, und deswegen musst du weinen. Ich bin auch sehr traurig und muss weinen.» Kinder lernen so, dass es angemessen ist, Gefühle zu zeigen.

Wie stellen sich Kinder den Tod vor?

Säuglinge bis zehn Monate
Schon sie spüren die Veränderungen im Umfeld bei einem Todesfall. Helfen können ihnen stabile Bezugspersonen und viel Nähe.

Kleinkinder zwischen zehn Monaten und zwei Jahren
Sie können den Tod schon benennen, aber noch nicht begreifen. Sie sind noch sehr auf Bezugspersonen fixiert und haben Angst, verlassen zu werden. Einfache Worte wie «Grossmama ist nicht mehr da» wirken tröstlich. Viel Zuwendung und Nähe sind wichtig.

Kinder zwischen zwei und sechs
Das Wort «Tod» ist geläufig, doch sie gehen von der Rückkehr des Verstorbenen aus. Deshalb sagen sie im Streit auch: «Du sollst tot sein», meinen aber, man solle verschwinden. Sie beziehen alles auf sich und fühlen sich eventuell schuldig am Todesfall. Auf ständige Fragen («Warum ist das Grosi tot?») sollten Eltern stets geduldig antworten. Wenn sie wiederholt erklären, Grosis Körper habe aufgehört zu funktionieren, können Kinder besser begreifen, dass es nicht wiederkommt.

Kinder zwischen sechs und zwölf
Die Bedeutung des Todes ist klar. Die Kinder haben ein sachlich nüchternes Verständnis: Sie möchten wissen, wie sich der Körper der Toten verändert, verstehen es aber nicht ganz. Verlust- und Trennungsängste können aufkommen, auch weil ihnen bewusst wird, dass jeder sterblich ist. Eltern sollten genau auf diese Gefühle achten und viel über solche Ängste sprechen.

Jugendliche
Sie haben dieselben Vorstellungen vom Tod wie Erwachsene. Sie beschäftigen sich vor allem mit den Beschwerden des Sterbens und was mit ihnen nach dem Tod geschieht. Sie sind verletzlich und möchten nicht mit diesen Gefühlen konfrontiert werden. Aufkommende Aggressionen sollte man zulassen, ihnen auf den Grund gehen und die Teenager in alles einbeziehen.

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Sollen Kinder die verstorbene Person noch einmal anschauen?

Das müssen Eltern und Kinder gemeinsam entscheiden. Wenn die Kinder gut vorbereitet werden und man ihnen etwa erklärt, dass die Toten im Sarg liegen und ihre Haut wie Wachs aussieht, kann der Abschied leichter sein. Den Kindern wird klar, dass das Grosi nicht mehr zurückkommt, sondern unter der Erde bleibt.

Sollen Kinder an der Beerdigung teilnehmen?

Das hängt von den Umständen ab – und vom Alter des Kindes. Fachleute sind sich einig: Je mehr die Kinder in den gesamten Trauerprozess eingebunden werden, umso besser können sie auch Abschied nehmen und ihre Trauer durch Handlungen und Rituale verarbeiten. Wenn das Kind an der Beerdigung teilnehmen möchte und von einer Vertrauensperson begleitet wird, gibt es keinen Hinderungsgrund. Wichtig ist allerdings: Kein Kind sollte gegen seinen Willen zum Begräbnis gehen müssen.

Kann ein früh erlebter Tod beim Kind ein Trauma auslösen?

Wenn der Tod nicht beim Namen genannt wird, fantasieren Kinder darüber, was geschehen sein könnte. Falls Erwachsene den Tod ausblenden, kann sich das aufs Kind auswirken. Es spürt dann, dass etwas ganz Schlimmes vorgegangen sein muss, und bekommt Angst. Wenn ein Kind begleitet Abschied nehmen kann, ist das Risiko einer Traumatisierung, etwa durch Schuldgefühle, erheblich kleiner.

Was hilft trauernden Kindern?

Nähe, Zeit und Raum für Spiele zum Thema Begräbnis und Tod sind elementar. Situations- und kindgerechte Rituale unterstützen den Trauerprozess ebenso. Sie bieten den Kindern eine Möglichkeit, ihre Trauer individuell auszudrücken. Beispiele: Blumen auf das Grab legen, ein Grosi-Erinnerungsessen organisieren mit Bildern und Erzählungen, mit dem Wanderstock des Grossvaters dessen Lieblingsspazierweg abschreiten und dabei intensiv an ihn denken.

Was tun, wenn Kinder aus der Trauer nicht mehr herausfinden?

Es ist durchaus möglich, dass vor allem ältere Kinder ihre Einsamkeit und Wut in sich hineinfressen und sprachlos sind. Diese Reaktion kann für eine gewisse Zeit angemessen sein. Sollte sie allerdings anhalten, kann es sich um eine Depression handeln, die professionelle Hilfe notwendig macht.

Sollen Eltern anders reagieren, wenn nicht ein Mensch stirbt, sondern das geliebte Haustier?

In erster Linie haben die Eltern die Emotionen der Kinder ernst zu nehmen und den Tod nicht mit den Worten abzutun: «Es war ja nur ein Tier.» Auch hier helfen Rituale wie eine feierliche Begräbniszeremonie. Im gemeinsamen Gespräch lassen sich Ideen entwickeln, wie man das geliebte Büsi in guter Erinnerung behalten kann.

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