«Ich beraube meinen Kater doch nicht seiner Männlichkeit – das wäre widernatürlich!» Der Mann sah mich ehrlich entsetzt an – wenig fehlte und er hätte sich schützend die Hand vor seinen Hosenschlitz gehalten.

Die Vorstellung, Katzen hätten ein Sexualverständnis wie der Mensch, ist wohl häufig ein Grund, warum es vielen Katzenhaltern «widernatürlich» erscheint, ihre Tiere kastrieren zu lassen. Andere finden ihre eigene Katze einfach so grossartig, dass sie unbedingt per Fortpflanzung «multipliziert» werden soll. Und noch ganz andere machen mit der unfachkundigen Vermehrung von Katzen ein dickes Geschäft, indem sie Rassemixtiere wild querbeet miteinander verpaaren und die niedlichen Maine-Coon-, BKH-, Perser- oder Bengalen-Mixe für Hunderte von Franken als «Schnäppchen»-Rassekatzen in Internetkleininseraten feilbieten.

Je nach Quelle leben in der Schweiz schätzungsweise zwischen 1,3 und 1,5 Millionen Katzen. Nicht jede von ihnen hat jedoch ein Zuhause: Tausende Katzen warten in Tierheimen, täglich kommen neue hinzu - und längst nicht alle haben das Glück, wenigstens im Tierheim zu landen: Zahlreiche Katzen werden nach Angaben des Schweizer Tierschutzes STS einfach ausgesetzt oder so vernachlässigt, dass sie von selbst das Weite suchen, oder sie vermehren sich unkontrolliert auf Bauernhöfen: So entstehen Populationen verwilderter, menschenscheuer Katzen, in Schrebergärten, auf Fabrikgeländen und in Stadtparks, wo das Elend dann von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt seinen Lauf nimmt (siehe Bildgalerie).

Der Schweizer Tierschutz STS und seine 70 Sektionen kastrieren jedes Jahr rund 10'000 Katzen, vor allem Bauernhofkatzen (rund 6500), aber auch verwilderte, herrenlose Katzen (rund 3500). Dennoch werden es immer mehr.

Wer seine Katzen sich fortpflanzen lässt*, überschwemmt also nur weiter einen «Markt», der längst komplett übersättigt ist. Leidtragende sind die Katzen, die auf der Strecke bleiben: «Mitunter lassen Tierschützer aufgegriffene Streunerkatzen auch einschläfern, obwohl es medizinisch keine Notwendigkeit gibt - einfach weil man nicht weiss, wohin mit ihnen, oder die finanziellen Mittel fehlen», wie Anouk Benziad vom Tieschutzbund Basel sagt.

Retten Sie Leben: Lassen Sie Ihre Katzen und Kater kastrieren.

(*Seriöse Züchter, die nur bestimmte Rassen züchten, einem Verein angehören und dessen Standards hinsichtlich Gesundheitsvorsorge und Rasseerhalt rigoros einhalten, mal ausgenommen.)

«Wegwerfprodukt» Haustier?

Insgesamt 23'400 Tiere wurden im Jahr 2011 in Tierheimen von Sektionen des Schweizer Tierschutzes STS aufgenommen: 4027 Hunde und 12'928 Katzen, der Rest Nager, Vögel und Reptilien. Dazu kommen noch 1708 Fische, die die Fischauffangstation FAS in Embrach aufgenommen hat.

Allein das Tierheim des Tierschutzbund Basel nimmt nach eigenen Angaben im Schnitt jedes Jahr 270 weitere Katzen auf - viele werden Dauergäste bleiben.

Verwilderte Katzen

Anouk Benziad, Leiterin des Tierheims des Tierschutzbund Basel, berichtet von ihrem täglichen schier aussichtslosen Kampf gegen Krankheit, Elend und Tod - klicken Sie unten rechts auf das Lupensymbol, um die Bildgalerie zu öffnen.

Quelle: Thinkstock Kollektion
Alles spricht für Kastration

Kastration beeinträchtigt die Würde eines Tieres nicht. Im Gegenteil: Bei der extrem hohen Katzendichte in der Schweiz beeinträchtigt es das Wohlbefinden und die Gesundheit einer Katze, wenn sie nicht kastriert wird! Die hohe Katzendichte ist menschgemacht, und so müssen wir auch die Konsequenzen ziehen und dafür sorgen, dass die vielen Katzen einigermassen miteinander leben können.

(Text: Dr. Eva Waiblinger, Zoologin, Fachstelle Heimtiere, Schweizer Tierschutz STS)

  • Es gibt in der Schweiz mehr als genug Katzen. In Tierheimen warten sehr viele auf einen Lebensplatz, auch Jungkatzen und Rassekatzen.

  • Kastrierte Katzen und Kater sind ebenso gute Mäusefänger wie vor der Kastration, und dick werden sie nur, wenn ihr Mensch sie übermässig füttert.

  • Kastrierte Kater streunen weniger, sind seltener verletzt durch Streitereien und werden weniger Opfer von Verkehrsunfällen, weil sie nicht für die Brautschau auf Wanderschaft gehen.

  • Kastration ist Gesundheitsvorsorge: Viele Katzenkrankheiten werden bei engem Körperkontakt zwischen Katzen übertragen, also bei Streitigkeiten und Sexualkontakt. Durch Kastration werden diese Übertragungsmöglichketen reduziert, kastrierte Katzen sind untereinander friedlicher.

  • Kastrierte Katzen vermissen nichts, da sie weder von den Hormonen noch von der Hirnentwicklung her je auf Fortpflanzung eingestellt wurden.

  • Kein Kind «muss» einmal die Geburt von Jungtieren beim eigenen Heimtier erlebt haben, es gibt genügend andere Möglichkeiten, Jungenaufzucht von Tieren zu beobachten (Zoo, TV-Dokus).

  • Kätzinnen müssen nicht Junge gehabt haben, bevor man sie kastriert. Am besten werden Kater und Kätzinnen im Alter von fünf bis sechs Monaten kastriert.

  • Unkastrierte Katzen und Kater in der Wohnung zu halten, hält wegen der fleissigen Urin-Markiertätigkeit kaum jemand lange aus.
Das Problem verwilderter Katzen

Bei verwilderten Katzen ist Einfangen, Kastrieren und am gleichen Ort wieder Aussetzen die weltweit als erfolgreich anerkannte Methode der Wahl. Erwachsene verwilderte Katzen können nicht in ein Tierheim gebracht und platziert werden, weil sie nicht sozialisiert sind und Angst vor dem Menschen haben, sie sind nicht zähmbar.

Manche Schweizer Behörden haben das Gefühl, das Problem verwilderter Katzen durch Abschuss lösen zu können. Dies ist eine fehlgeleitete Auffassung. Zwar ist es möglich, dass ein Jäger oder Wildhüter eine oder zwei Katzen einer Population verwilderter Katzen erwischt. Die anderen Katzen fliehen jedoch und suchen sich einen anderen Platz zum Leben. Es kann auch dazu kommen, dass eine Katze nur angeschossen wird und dann qualvoll stirbt.

Wenn die Katzen aber eingefangen, kastriert und am gleichen Ort wieder ausgesetzt werden, so besetzen sie diesen Lebensraum und verhindern, dass andere Katzen in ihr Territorium einwandern, sie agieren sozusagen als «Platzhalter», können sich aber dennoch nicht vermehren, und damit weitet sich die Population auch nicht aus. Wenn zusätzlich noch möglichst viele Katzenhalter und Landwirte ihre Katzen kastrieren lassen, so versiegt nach und nach der «Nachschub» an verwilderten Katzen. So kann das Problem nachhaltig und langfristig gelöst werden. 

Kastrationsaktionen

Wer eine Kolonie verwilderter Katzen entdeckt, sei es in einem Schrebergartenquartier, auf einem Fabrikgelände oder in einem Stadtpark, sollte dies schnell dem nächsten Tierschutzverein melden. Dieser verfügt über spezielle Katzenfallen und die Erfahrung, wie man scheue, verwilderte Katzen einfängt, kastrieren lässt und nach dem Freilassen auch weiterhin überwacht, um allfällige Neuzugänge gleich wieder kastrieren zu können. Die beste Jahreszeit für Kastrationsaktionen ist der Herbst, Oktober bis Dezember, da die Katzen dann keine Jungen haben.

Durch Meldung bei einer Sektion des Schweizer Tierschutz STS können solche Kastrationsaktionen nicht nur schnell und effizient durchgeführt werden, sondern es können auch die Mittel aus dem Kastrationsfonds des Schweizer Tierschutz STS dafür verwendet werden. Landwirte, die ihre Katzen kastrieren lassen möchten, wenden sich ebenfalls an die nächste Sektion des Schweizer Tierschutz STS.

Der Schweizer Tierschutz STS und seine Sektionen finanzieren sich vollständig aus Spenden und Legaten und erhalten keinerlei staatliche Mittel. Auch Kastrationsaktionen bei verwilderten Katzen und Bauernhofkatzen werden durch Spendengelder finanziert. Spenden oder gar Kostenbeteiligungen an Kastrationsaktionen für verwilderte Katzen durch Gemeindebehörden wären daher sehr willkommen. Wichtig wäre auch, dass die Gemeinden die Bauern informieren und zum Katzen-Kastrieren anhalten. (Text: Dr. Eva Waiblinger, Schweizer Tierschutz STS)

Kontaktadresse:
www.tierschutz.com > Sektionen

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