Dreimal wurde ich als Kind von einem Hund gebissen. Meine Begeisterung für die Tiere blieb. Ich war zwölf, als meine Eltern Sian zu sich nahmen, einen Patenhund der Schule für Blindenführhunde. Von da an wusste ich: Ich will solche Tiere ausbilden.

Im Ausbildungszentrum in Allschwil BL züchten wir Labradore. Es sind ausgeglichene, anpassungsfähige Tiere. Wenn jemand zum Beispiel einem Labrador auf den Schwanz tritt, springt er in der Regel zur Seite. Mehr passiert nicht.

Die Hundemütter und ihre Kleinen haben einen abgetrennten Bereich. Wir trainieren die Jungen nicht aktiv, aber das Areal ist so ausgestattet, dass sie spielerische Inputs erhalten, etwa durch Windräder und Glöckchen, die wir in der Höhe befestigen. Blindenführhunde müssen nicht nur auf ihrer Augenhöhe nach Hindernissen Ausschau halten, sondern auch auf Kopfhöhe des Menschen. Übrigens eine der schwierigsten Aufgaben, weil ein Hund mit seinem Halter oft über Monate eine Route läuft, ohne dass da störende Äste wären – bis sie wegen des Schnees tiefer hängen.

Die zarten und die frechen Charaktere

Mit zehn Wochen kommen die Hunde zu einem Paten, der sich mit unserer Unterstützung ein Jahr lang um sie kümmert. Unsere Stiftung übernimmt die Futter- und Tierarztkosten.

Im Durchschnitt haben 60 Prozent eines Wurfs das Zeug zum Blindenführhund. Die Weiche stellt sich während der sechs- bis neunmonatigen Ausbildungszeit. Jeder Hund hat dann einen von uns Ausbildnern als Bezugsperson. Wenn sie vertrauen, lernen sie am besten. Eine intensive Bindung ist elementar, auch wenn es den Abschied am Ende der Ausbildung erschwert.

Unser Tag beginnt um sieben Uhr. Während wir die Boxen putzen, können die Hunde herumtollen. Dann pflegen wir sie, suchen sie nach Zecken und Verletzungen ab und fahren anschliessend im Kleinbus fürs Training in die Stadt. Opala, die ich derzeit ausbilde, kann bereits im Geschirr laufen. Sage ich «Giallo», bringt sie mich zum Zebrastreifen und stellt sich mit den Vorderpfoten an die Säule, hoch zum gelben Kästchen. Sie ist noch sehr vorsichtig unterwegs. Wenn sie vor einer Treppe anhält und auf mein «Vai» wartet, braucht sie viel Zuspruch. Ob sie die Ausbildung schafft, ist noch offen.

Die Ansprüche sind deutlich gestiegen: Blinde sind mobiler geworden, das Umfeld ist hektischer geworden. Die Hunde sollen in jeder Situation sicher führen, selbständig sein, nicht dauernd bellen und nicht jeder Katze nachspringen. Die Eignung hängt stark vom Charakter ab. Wir versuchen zwar, die Hunde früh an beispielsweise unterschiedliche Treppenmaterialien zu gewöhnen: rau, glatt, Gitter oder Glas. Dennoch fühlen sich manche beim Treppensteigen unwohl.

Hunde können zarte Charaktere haben, wie Opala oder jener grosse Labrador, der mitten auf der Strasse streikte: wegen einer Ameisenstrasse. Es gibt Hunde, die krabbelnde Dinge nicht mögen. Und es gibt freche Hunde. Mein letzter Hund, Flash, war so einer. Oder Cleo, der stahl mir eine Hunderternote und zerfetzte sie in vier Teile. Als ich auf die Bank ging, um die Note umzutauschen, sagte die Angestellte: «Was, das hat ein Blindenhund getan?» Die Menschen vergessen manchmal, dass ein Blindenführhund immer noch ein Hund ist.

Wenn aus der Ausbildung nichts wird, kann das Tier eventuell als Assistenzhund Menschen im Rollstuhl unterstützen oder Kinder mit Autismus begleiten. Oder es macht die Ausbildung zum Sozialhund und besucht Menschen in Sonderschulen, Pflegeheimen oder Gefängnissen.

Der Hund wird vermietet

Mein Mann ist ebenfalls Ausbildner in Allschwil. Wenn wir um 18 Uhr nach Hause fahren, nehmen wir oft zwei, drei unserer Lieblinge mit. Sie geben nicht mehr viel Arbeit, weil auch sie müde sind.

Wer einen Blindenführhund möchte, dem zeigen wir erst einmal unsere Schule. In einem dreitägigen Kurs mit den Tieren merken die Leute dann schnell, ob sie sich ein Zusammenleben mit einem Hund vorstellen können. Später besucht einer der Ausbildner die Person daheim und lässt sich auch zwei 30-minütige Touren zeigen, die der künftige Halter mit dem Hund unternehmen wird. Wir beschäftigen uns stark mit dem Alltag der Leute – und schlagen dann einen Hund vor. Harmonieren die beiden, erhält die Person den Hund zur Miete. Wir verkaufen unsere Tiere bewusst nicht. Vielleicht kann jemand seinen Führhund aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr behalten oder verstirbt. Dann suchen wir einen neuen Platz.

Ich besuche die Halter der von mir ausgebildeten Hunde einmal im Jahr, gebe Tipps, beantworte Fragen. Wenn ich das Gefühl habe, jemand sei zu wenig konsequent, spreche ich das an. Auch Blindenführhunde brauchen einen Chef, der klar durchgibt, was er will. Besteht man zum Beispiel nicht darauf, dass sie sich direkt ans linke Bein stellen, wenn man sie ruft, kommen sie irgendwann gar nicht mehr.

Wenn ich sehe, wie Menschen aufblühen, wieder mehr nach draussen gehen und ihren Hund ins Herz schliessen, macht mich das glücklich. Kürzlich fragte ein Blinder, der zum ersten Mal mit einer Hündin unterwegs war: «Kann man sich in einen Hund verlieben?» Ich würde sagen: Sicher. In mehrere!