Antwort von  Koni Rohner, Psychotherapeut FSP:

Moralisch argumentieren bringt nichts. Und sexuelle Bedürfnisse haben alle Menschen. Trotzdem nehme ich natürlich ernst, dass Sie verletzt sind.

Was ist es denn genau? Empfinden Sie seine Internet-Sexualität als Seitensprung und fühlen sich betrogen? Kommen Sie sich als austauschbares Sexualobjekt vor, wenn Sie mit Ihrem Mann zusammen sind? Hat sich die gemeinsame sexuelle Begegnung mit Ihrem Mann verschlechtert, seit er Pornofilme anschaut? Werden Ihre Bedürfnisse weniger berücksichtigt als früher? Teilen Sie Ihr Erleben und Ihre Gefühle Ihrem Mann mit, ohne moralische Wertungen und ohne Vorwürfe. Er soll wissen, was sein Verhalten bei Ihnen bewirkt. Das hat eine Wirkung auf ihn, und es erleichtert Sie, wenn Sie Klartext reden.

Es gibt darüber auch nichts zu diskutieren, denn Ihre Gefühle sind so, wie sie eben sind – darüber kann man nicht streiten. Wenn sich nichts verändert und Sie weiterhin leiden, sollten Sie eine Paartherapie aufsuchen, um neue Konfliktlösungen zu finden.

Das Thema hat nichts Exotisches mehr – Pornographie aus dem Internet ist für immer mehr Paare und Einzelpersonen ein Thema. Eine Online-Umfrage der Zeitung «20 Minuten» im Dezember 2008 hat zum Beispiel ergeben, dass fast ein Drittel der Befragten mehrmals pro Woche Pornos konsumiert. Vor allem Jugendliche geben an, sie hätten einiges aus den Filmen gelernt. Sie scheinen Pornos als Beitrag zu ihrer sexuellen Aufklärung zu nutzen. Natürlich muss dazu ein grosses Fragezeichen gesetzt werden. Es ist eine Sexualität ohne Gefühle, die da gezeigt wird. Oft sind die Szenen frauenverachtend. Trotzdem sieht auch ein Teil der Erwachsenen einen positiven Effekt: Sie geben an, dass Pornos sie stimulieren und ihr Sexualleben mit der Partnerin oder dem Partner bereichern.

Bezug zur Realität leidet

Dem stehen nicht zu unterschätzende Gefahren gegenüber. Beim Konsum von Pornographie entfernen sich Betroffene oft immer mehr von der Realität. Das Traumland der virtuellen Sexualität kann sie unfähig machen, normale alltägliche Beziehungen einzugehen. In bestehenden Partnerschaften können Frustrationen entstehen, weil die Begegnung dort eben komplizierter ist. Zwei ganze Menschen wollen da einander näherkommen, und es kopulieren nicht einfach zwei Sexakteure.

Mehr als die Hälfte der Befragten befriedigt sich beim Pornoschauen selbst. Diese Form der Sexualität ist zwar eindimensional, aber auch bequem. Die dabei gewonnene Lust kann deshalb schlimmstenfalls in Konkurrenz zu derjenigen in einer echten partnerschaftlichen Begegnung geraten. Der Preis dafür ist eine zunehmende Isolation und innere Einsamkeit des Pornokonsumenten.

Die grösste Gefahr ist aber eine eigentliche Internetsucht. Man kann nicht mehr aufhören, braucht immer stärkere Reize. Betroffene spüren, dass sie die Entscheidungsfreiheit verloren haben. In der oben genannten Befragung äussern jeder fünfte Mann und auch jede zehnte Frau die Befürchtung, das könnte ihnen passieren.

Abgesehen von der Suchtgefahr ist das Thema für immer mehr Paare eine Herausforderung. Man kann argumentieren, dass es legitim ist, auf sexuellem Gebiet einen Bereich zu leben, den der Partner nicht kennen muss. Wenn dies sexuelle Phantasien sind, die ja bekanntlich Männer und Frauen haben, braucht das die Partnerschaft nicht zu stören. Stossender wird es offenbar für viele, wenn Filme ins Spiel kommen. Mit oder ohne therapeutische Hilfe gibt es da keinen anderen Weg, als gemeinsam eine Lösung auszuhandeln, zu der beide Ja sagen können. Es ist bereits ein erster Schritt, wenn offen über Bedürfnisse und Gefühle geredet werden kann.