Die Vorstellung ist schlimm: Man will oder muss arbeiten gehen, hat aber keinen Betreuungsplatz fürs Kind. In dieser Situation befinden sich jedes Jahr unzählige Eltern. Tritt ihr Kind in den Kindergarten oder in die Schule ein, folgt auf die verzweifelte Suche nach einem Krippenplatz die noch verzweifeltere Suche nach einem Hortplatz. Auch dieses Jahr werden im August in der Schweiz etwa 75'000 Kinder eingeschult werden, viele von ihnen brauchen einen Betreuungsplatz.

Auch Martin vom Baur aus Zürich suchte letztes Jahr intensiv nach einer Betreuungsmöglichkeit für seine Tochter Kanita, als diese in den Kindergarten kam und deshalb nicht mehr in die Krippe konnte. Schon ein Jahr vorher, im Juli 2007, hatten er und seine Frau Supaporn die Kleine für einen Hortplatz angemeldet. Als er im Frühjahr 2008 bei der für die Verteilung der Plätze zuständigen Frau nachfragte, erhielt er eine Absage: «Sie sind nicht alleinerziehend, und ich bin sicher, Sie schaffen es allein, eine Lösung zu finden», meinte sie lapidar.

Grundsätzlich besteht für alle Eltern ein Anspruch auf einen Betreuungsplatz. «Bei Platzknappheit muss die Vergabe jedoch individuell geprüft werden», sagt Anita Rudolf, Leiterin Abteilung Lebensraum Schule bei der Stadt Zürich. «Dabei sind Kriterien wie Klassenwechsel infolge Umzug, Übergang von einer Krippe in den Kindergarten, soziale Notwendigkeit oder Erwerbstätigkeit der Eltern entscheidend.» Ein Kind soll zwar möglichst in der Umgebung, wo es zur Schule geht, einen Platz erhalten. Doch es besteht kein Anspruch auf einen bestimmten. Sinnvoll sei es auf jeden Fall, sich Anfang Jahr anzumelden.

Eine Verzweiflungstat brachte die Rettung

Martin vom Baur nahm schliesslich an der Info-Veranstaltung für den Kindergarten all seinen Mut zusammen, stand vor den anwesenden 200 Eltern auf und schilderte sein Problem: «Wir suchen noch einen Betreuungsplatz für unsere Tochter.» Auf seinen Aufruf hin meldeten sich etliche Eltern mit dem gleichen Problem. Mit zwei anderen Familien gründeten vom Baurs schliesslich eine Art Selbsthilfegruppe: Jede Familie hütet einmal pro Woche Kinder. «Damit war der Betreuungsbedarf unserer drei Familien gedeckt», so vom Baur. «Das ging natürlich nur, weil alle ihre Arbeitstage so legen konnten, dass der Betreuungsplan funktioniert, und weil alle Kinder denselben Kindergarten besuchen.» Vom Baur ist überzeugt: «Wer finanziell gutgestellt ist, der findet immer eine Lösung. Wer wenig Geld hat, braucht Phantasie oder Glück.»

Phantasie bewiesen die Geschwister Franziska und Martina Brägger. Sie gründeten im August 2008 die Online-Plattform www.esgehtauchso.ch. Darauf können sich Eltern aus der ganzen Schweiz miteinander vernetzen und sich bei der Kinderbetreuung aushelfen. «Die Idee entstand, weil viele in unserem Freundeskreis Kinder bekamen und sich plötzlich in der traditionellen Rollenverteilung wiederfanden, obwohl sie das gar nie wollten», so Franziska Brägger. «Sie beklagten sich darüber, doch die Umstände liessen ihnen keine andere Wahl.» Zurzeit sind rund 1300 Mitglieder registriert. Die meisten davon suchen – wie letztes Jahr die vom Baurs – einen Betreuungsplatz für ihr Kind und bieten auch einen solchen an. Franziska Brägger: «Es kann doch nicht sein, dass ein Elternteil heutzutage wegen Kindern noch immer auf ein Erwerbsleben verzichten muss – nur weil es zu wenig Angebote gibt.»

Wo findet man Betreuungsangebote?