Eigentlich wollte die Anruferin am Beratungstelefon des Beobachters bloss wissen, ob es eine Art Checkliste für den Todesfall und Beerdigungszeremonien gibt. «Man weiss ja nie, was kommt», sagte sie mit unterdrücktem Lachen und war schon im Begriff, sich für den erhaltenen Tipp zu bedanken und das Gespräch zu beenden.

Da sprudelte es aus ihr heraus: Ihr Vater starb, als sie acht Jahre alt war. «Ich konnte nicht weinen, damals, am Begräbnis.» Sie sei wohl unter Schock gestanden und habe gespürt, wie die Trauergäste dachten, sie sei ein herzloses und kaltes Kind. Als kürzlich dann eine Tante gestorben sei, habe ihr zehnjähriger Neffe Bäche geheult. Dieses Mal seien blöde Bemerkungen von Erwachsenen gekommen: «Tsss, was macht denn der für ein Theater, der hat sie doch gar nicht richtig gekannt.»

Aufgrund dieser Erlebnisse habe sie sich überlegt, ob man Kinder überhaupt zu Beerdigungen mitnehmen soll. Oder ob man sie irgendwie darauf vorbereiten kann. Deshalb will sich die Anruferin nun erst einmal mit ihrem eigenen Tod auseinandersetzen, um dann später mit ihren Kindern über Tod, Sterben und Trauern zu reden.

Eine Zeichnung mit ins Grab geben

Durch die eigene Berührungsangst tun sich Eltern in der Tat häufig schwer, mit ihren Kindern über Themen wie Tod und Sterben zu sprechen. Trotzdem rät Systemtherapeutin Karin Barta, dass Kinder - egal in welchem Alter - auf jeden Fall bei Beerdigungen dabei sein sollen. Dem Einwand, dass es Eltern ja nur gut meinen, wenn sie den Kindern diesen traurigen Anlass ersparen wollen, begegnet sie kritisch: «Man will es sich nur selber ersparen.» Sinnvoll sei, wenn Kinder die Beerdigung eines geliebten Menschen mitgestalten könnten, indem sie dem Toten ein Gedicht, eine Zeichnung oder einen Gegenstand mit ins Grab geben. Viele möchten kleine Aufgaben übernehmen, wie beispielsweise Blumenschmuck aussuchen oder Gäste begrüssen.

Jedes Kind trauert anders, denn es gibt keine normierte Trauer: «Es gibt nur falsche Vorstellungen von Erwachsenen, wie Trauernde sein müssen», sagt die Systemtherapeutin. Trauer könne sich in Tränen, aber auch in Wut, Aggression, Schweigen oder Überaktivität äussern. Sie macht die Erfahrung, dass selbst Kleinkinder auf den Verlust eines geliebten Menschen reagieren, obwohl sie diesen noch nicht kognitiv erfassen können. Ältere Kinder wollen wissen, warum jemand gestorben ist. Doch weil auch die Eltern oftmals die medizinischen Befunde nicht verstehen und nach religiösen oder philosophischen Antworten suchen, ist ein «Ich weiss es nicht, aber ich hoffe und glaube, dass es so und so ist» für Kinder sehr hilfreich. Ebenso die Antwort: «Was glaubst du?»

«Das, was ist, hat seine Richtigkeit», sagt Karin Barta. Diese Sichtweise helfe, den Tod, die Trauer und den Verlust anzunehmen. Sie rät davon ab, die Kinder von diesem Prozess auszuschliessen. «Viele Eltern machen aber genau das, weil sie die Kinder schonen und schützen wollen - und übergehen damit die Empfindungen der Kleinen.» Wenn traurige Themen zum Tabu werden, ist jeder auf sich allein gestellt und einsam mit seinen Gefühlen. «Damit bringt man sich zudem um die Chance, von den Kindern zu lernen, denn diese sind sehr nahe an ihren Emotionen.» Gemeinsame Trauer und Gespräche mit Kindern können deshalb auch für Erwachsene sehr heilsam sein.

Wie Kinder trauern - und was sie brauchen

  • Kleinkinder:
    Die Endgültigkeit des Todes verstehen kleine Kinder noch nicht, aber sie nehmen die Trauer der Bezugspersonen wahr. Sie sind neugierig und stellen viele Fragen, auf die sie konkrete Antworten wollen: Etwa, dass der Tote nicht nur einfach weggegangen ist, sondern nie mehr zurückkommen wird.
  • Frühes Schulalter:
    In diesem Alter wissen die Kinder, dass die Zeit aus «vorher», «jetzt» und «später» besteht. Sie verstehen, dass der Tod eine endgültige Trennung ist, und fürchten sich davor. Oftmals sehen sie den Tod als Bestrafung, ängstigen sich und gehen kurze Zeit später wieder ausgelassen spielen, weil sie trotz allem dem Leben zugewandt sind.
  • Vorpubertät:
    Noch mehr als der Tod macht der eigene Schmerz Angst. Weil Gefühle schwer zu kontrollieren sind, wird der Schmerz verdrängt. Deshalb kann die Trauer der Erwachsenen mitunter aggressiv und trotzig machen. In diesem Alter müssen Kinder die Sicherheit haben, dass es weder falsche noch richtige Gefühle gibt - und dass man Kollegen treffen und ausgelassen sein darf, auch wenn die Eltern den Alltag kaum bewältigen können.
  • Jugendliche:
    Unbändige Lebenslust wird durch den Tod eines geliebten Menschen jäh unterbrochen und kann in Todessehnsucht und Suizidgedanken umschlagen. Die Erwachsenen dürfen nicht vergessen, dass sich die Teenager von den Eltern ablösen wollen. Wenn dies im ganzen Trauerprozess nicht akzeptiert wird, können bei den Teenagern massive Schuldgefühle entstehen.