Antwort von Koni Rohner, Psychotherapeut FSP:

So wie sich Leute verlieben, können sie sich eben auch wieder «entlieben». Allerdings bedeutet eine langjährige Partnerschaft, dass sich eine gegenseitige Verantwortung aufbaut, die viel mit Vertrauen, Solidarität und Sorge um das Wohl des andern zu tun hat. Zumindest sollte es so sein. Luther hat vor bald 500 Jahren ein Traktat über die Ehe geschrieben, von dem ich wünschte, es fände heute noch auf alle längeren Partnerschaften Anwendung. Die richtige Einstellung sei, so Luther, den Partner, den man einmal gewählt hat, und die Beziehung zu ihm als eine Aufgabe anzusehen, die man in sein Leben übernommen hat, um sie gut zu erfüllen.

Heute steht dagegen zur Rechtfertigung der Beziehung das Gefühl im Vordergrund. Man glaubt also, den Solidaritätsbruch zum langjährigen Partner rechtfertigen zu können, wenn man mitteilt, dass man nicht mehr liebe oder jemand anderen liebe. Für das, was man dem Zurückgelassenen an Verunsicherung, Zerstörung des Lebensplans, an Schmerzen und Enttäuschung zufügt, fühlt man sich nicht verantwortlich – da sich ja die Gefühle geändert haben. Das ist die hässliche Seite der modernen Moral, die die romantische Liebe ins Zentrum stellt.

Die Theorie vom Wiederholungszwang

Es kann also jedem passieren, dass er unerwartet verlassen wird. Aber wenn es einem wiederholt widerfährt, muss man genauer hinschauen. Sigmund Freud nannte so etwas einen Wiederholungszwang als Folge einer neurotischen Verstrickung. Nach Freud ist es ein einschneidendes frühkindliches Erlebnis, das ungenügend verarbeitet wurde und nun dazu führt, dass man unbewusst immer wieder Situationen anzieht, die einem die alten Schmerzen bereiten. In Ihrem Fall: Wer in früher Kindheit schmerzhafte Erfahrungen mit einem unzuverlässigen Elternteil gemacht hat, fühlt sich immer wieder von unzuverlässigen Menschen angezogen – ohne das zu merken. Eine Art Sinn dieser Reaktion könnte darin bestehen, dass die Seele die alte Situation nochmals erleben möchte, aber mit positivem Ausgang. Ein Selbstheilungsversuch, der allerdings in der Wiederholung des alten Traumas misslingt.

Den Ausgang aus dem Teufelskreis findet man, indem man in einer Therapie sich der alten Situation mit all ihren Gefühlen erinnert, diese nochmals durchlebt und sie damit verändert, so dass man den alten Fluch los wird.

Bindungen zu anderen Menschen, denen man vertrauen kann, sind ganz zentral. Wir brauchen Zugehörigkeitsgefühle für ein gelingendes Leben. Beim Bindungsverhalten handelt es sich um eine vererbte, biologisch sinnvolle Anlage, die das Überleben im Verlauf der Evolution sicherte. Insbesondere Kleinkinder werden dadurch veranlasst, in Situationen der Gefahr Schutz und Beruhigung bei ihren Bezugspersonen zu suchen. Wenn sie früh erleben müssen, dass diese unzuverlässig sind, kann ein gestörtes Bindungsverhalten entstehen.

Drei Arten des Beziehungsstils

Die US-Entwicklungspsychologin Mary Ainsworth hat in Experimenten mit Mutter, Kind und einer fremden Person beobachtet, dass sich verschiedene Bindungsstile bilden, die bis ins Erwachsenenleben beibehalten werden.

Die individuelle Bindungssicherheit lässt sich also messen. Neben dem sicheren Bindungsstil, der später stabile, lang dauernde Beziehungen begünstigt, beschreibt sie den unsicher-vermeidenden Bindungsstil, der bedeutet, dass die Betroffenen emotional distanzierte Beziehungen eingehen, um nicht verletzt zu werden. Der sogenannte desorganisierte Bindungsstil ist der unsicherste und führt dazu, dass später kaum längere Beziehungen aufrechterhalten werden können. Partnerschaftsprobleme im Erwachsenenalter gehen teilweise tatsächlich auf solche früh erworbenen Beziehungsstile zurück. Zum Glück lassen sich diese lebenslang therapeutisch verändern.