Der letzte Wille ist nicht völlig frei. Zwar kann jedermann seine Erben in seinem Testament frei wählen . Doch das Gesetz setzt der Verfügungsfähigkeit und den Begünstigungsmöglichkeiten Schranken. Nahe Angehörige haben Anspruch auf einen bestimmten Teil der Erbschaft, den sogenannten Pflichtteil. Dazu zählen der Ehepartner, die Ehepartnerin, eingetragene Partner und Partnerinnen sowie die Nachkommen. Eltern gehören seit 1.1.2023 nicht mehr zu diesem geschützten Kreis. Und entgegen einer immer noch weit verbreiteten Meinung besitzen die Geschwister bereits seit 1988 kein Pflichtteilsrecht mehr.

Der Pflichtteil kann nur geschmälert oder ganz entzogen werden, wenn ein gesetzlicher Enterbungsgrund vorliegt. Er muss im Testament ausdrücklich angegeben sein.

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Schwerwiegend, rechtswidrig und schuldhaft

Doch wann stellt ein unbotmässiges Verhalten bereits einen zureichenden Enterbungsgrund dar? Die Antwort ist nicht immer einfach. Ficht der oder die Enterbte das Testament an, muss der Richter entscheiden. Er wird sich nach den konkreten Umständen sowie den Sitten und Anschauungen des betreffenden Personenkreises richten. Ein bloss «unmoralisches» oder nicht wunschgemässes Verhalten genügt nicht; es muss schwerwiegend, rechtswidrig und schuldhaft sein.

Wer also gegen den Willen der Eltern heiratet, auswandert, aus der Kirche austritt oder das Studium abbricht, muss sich eine Kürzung des Pflichtteils nicht gefallen lassen. Auch abgebrochene Beziehungen, ein Leben auf Pump, die Zugehörigkeit zu einer Sekte oder eine Suchtkrankheit genügen für sich allein nicht.

Geschützt wurde vor Gericht hingegen die Enterbung einer Tochter, die grundlos Ehemann und Kinder verliess, um mit einem neuen Partner zusammenzuleben. Leer ging auch ein Sohn aus, der gegen seinen Vater eine unbegründete Strafklage erhob, sowie Kinder, die sich bei der Verteilung der grossväterlichen Erbschaft betrügerisch verhalten hatten. Unter Ehegatten kommen vor allem ein nie verziehener Ehebruch, schwere Misshandlungen oder die schuldhafte Vernachlässigung von Unterhalts- und Beistandspflichten als Enterbungsgründe in Betracht. Im Wandel der Zeit ändern sich gesellschaftliche Werte immer wieder. Deshalb kann ein Verhalten, das früher eine Enterbung rechtfertigte, heute von den Gerichten auch anders bewertet werden.

Wer mit dem Erbausschluss einen allerletzten Denkzettel austeilen will, muss eines bedenken: Er riskiert damit, dass die übrigen Erben vom Enterbten in unschöne Auseinandersetzungen oder gar in einen Prozess verwickelt werden können. Der Enterbungsgrund sollte deshalb möglichst detailliert dargelegt werden; allfällige Beweismittel sind aufzuführen oder dem letzten Willen beizulegen.

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Im ZGB steht, welche Hinterbliebenen wie viel erben. Das Gesetz lässt aber auch Raum für eine Abänderung dieser Regeln via Testament, Ehe- und Erbvertrag zu. Guider bietet Beobachter-Abonnenten hilfreiche Vertragsvorlagen und erklärt die gesetzlichen Pflichtteile beim Erben anhand von praktischen Merkblättern.

Fallbeispiel: Schwester enterben

Frage: Ich bin unverheiratet und habe keine Kinder. Meine Eltern sind längst gestorben. Ich möchte, dass mein Partner alles erhält, wenn ich sterbe – und dass meine Schwester leer ausgeht. Funktioniert das?

Ja, das ist möglich, weil Geschwister keinen Anspruch auf einen Pflichtteil haben. Nur Eheleute, eingetragene Partner und Partnerinnen sowie Nachkommen sind durch das Gesetz pflichtteilsgeschützt.

Wenn Sie Ihre Schwester vom Erbe ausschliessen wollen, müssen Sie dies trotzdem im Testament festhalten. Sonst wird sie aufgrund Ihrer Situation den ganzen Nachlass erben. Und zwar deshalb, weil die Eltern nicht mehr leben und die Schwester die nächste Verwandte ist. Wenn Sie Ihren Partner im Testament als Alleinerben vorsehen, erbt er alles. Sollte die Schwester das Testament anfechten wollen, werden Anwälte ihr davon abraten.

Das Testament: So ist es gültig

Das Gesetz kennt zwei Arten von Testamenten, deren Formvorschriften genau eingehalten werden müssen:

  • Das eigenhändige Testament
    muss zu seiner Gültigkeit von Anfang bis Ende handgeschrieben sein, unter Angabe des Errichtungsdatums und der Unterschrift. Ein mit der Schreibmaschine oder auf einem PC verfasster letzter Wille kann wegen Formmangels von den Erben mit Erfolg angefochten werden.
  • Das öffentliche Testament
    wird unter Mitwirkung zweier Zeugen von einer Urkundsperson (Notar, Gemeindeschreiber etc.) verfasst und öffentlich beurkundet.

Unabhängig vom gewählten Testamentstypus kann der letzte Wille jederzeit widerrufen, geändert oder ergänzt werden. Hierzu muss jedoch wiederum eine der gesetzlich vorgeschriebenen Formen eingehalten werden.

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Die gesetzlichen Enterbungsgründe

Die sogenannte Strafenterbung nach Artikel 477 Zivilgesetzbuch: Der Erblasser ist befugt, durch Verfügung von Todes wegen einem Erben den Pflichtteil zu entziehen:

  • Wenn der Erbe gegen den Erblasser oder gegen eine diesem nahe verbundene Person ein schweres Verbrechen begangen hat;
  • Wenn er gegenüber dem Erblasser oder einem von dessen Angehörigen die ihm obliegenden familienrechtlichen Pflichten schwer verletzt hat.

Die sogenannte Präventiventerbung nach Artikel 480 Zivilgesetzbuch:
Bestehen gegen einen Nachkommen des Erblassers Verlustscheine, so kann ihm der Erblasser die Hälfte seines Pflichtteils entziehen, wenn er diese den vorhandenen und später geborenen Kindern desselben zuwendet. Diese Enterbung fällt jedoch auf Begehren des Enterbten dahin, wenn bei der Eröffnung des Erbganges Verlustscheine nicht mehr bestehen oder wenn deren Gesamtbetrag einen Viertel des Erbteils nicht übersteigt.

Die Enterbung von Eheleuten und eingetragenen Paaren bei Scheidung nach Artikel 472 Zivilgesetzbuch:
Seit 1.1.2023 verlieren Eheleute sowie eingetragene Partnerinnen und Partner ihren Pflichtteil, sobald das Scheidungsverfahren beim Gericht hängig ist.

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Testament, Erbschaft
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