Wo der Napf als markanter Kegel am Rand des Entlebuchs steht, schütteten Flüsse vor Jahrmillionen ein gewaltiges Delta auf. Das Wasser führte massenhaft Schutt aus den Alpen mit, darunter kleine glänzende Flitter, die sich absetzten, weil sie schwerer waren als alles andere: das Napfgold. Im Berg soll Gold im Wert von mehreren Millionen Franken verborgen sein. Wie man es findet, hoffen wir von Peter Pfander zu erfahren.

Der Meister-Schürfer

Wie wohnt einer, der seit fast vier Jahrzehnten Gold schürft? Und zwar so erfolgreich, dass er mehrere Meisterschaften gewonnen hat? Der nicht nur deshalb als eigentlicher Goldguru der Schweiz gilt, weil er ein Buch über das Edelmetall geschrieben hat? In einem Geldspeicher wie Dagobert Duck? In einer Festung im Stil von Fort Knox? Peter Pfander parkt sein silbernes Auto neben dem vollgestopften Geräteschuppen und bittet herein. Es ist ein bescheidenes Haus im Seeland, in dem der fast 80-Jährige mit seiner Frau lebt. Knarzende Holzböden, ein alter Kachelofen in der Stube, an den Wänden bemalte Teller und gerahmte Landschaften: Berge, Wälder und Flüsse. Golden ist nur die Verpackung der beiden Schokohasen auf dem Esstisch.

Quelle: Markus Bühler

«In der Schweiz ist noch keiner durch Goldwaschen reich geworden. Höchstens reich an Erfahrung.»

Peter Pfander, Goldwäscher

«Wo haben Sie es versteckt?», fragen wir ungeduldig. «Warten Sie es ab!», sagt Pfander, der zuerst wissen will, was uns zu ihm geführt hat. Reich werden, das ist unser Plan. Ein Banküberfall kommt nicht infrage. Der Sechser im Lotto? Zu unwahrscheinlich. Also ehrliche Arbeit: schaufeln, schleppen, schürfen – wie er es tut, wenn er in die dunkelgrünen Gummistiefel steigt, die ihm bis zur Hüfte reichen. Deshalb die Frage: «Herr Pfander, wie findet man Gold?» Er lächelt nur und winkt ab. Es gebe ein paar «Fantasten», die immerzu an den grossen Fund glaubten, der sie reich machen würde. Menschen, die auch nach 100 Flops der festen Überzeugung seien, dass hinter der nächsten Flussbiegung der grosse Schatz auf sie warte. «Dabei ist in der Schweiz noch keiner durch Goldwaschen reich geworden. Höchstens reich an Erfahrung.»

97 Prozent Reinheitsgrad

Peter Pfander hat 1979 damit angefangen. In den Ferien in British Columbia in Kanada zeigte ihm ein alter bärtiger Mann mit Schlapphut, wie man im Bach mit der Pfanne so geschickt hantiert, dass am Schluss das glänzende Edelmetall übrig bleibt, das fast 20-mal schwerer ist als Wasser. Da ist er dem Goldrausch erlegen. «Schon ein paar Tage nach meiner Rückkehr war ich im Napfgebiet», erinnert sich Pfander. 13 Flitter habe er damals gefunden, vielleicht ein Gramm reines Gold. Es heisst, auf der ganzen Welt gebe es kein reineres: «Kanadisches Gold hat nur 84 Prozent Reinheitsgrad, das Napfgold hat 97 Prozent.»

Er werde in jedem Schweizer Fluss fündig, der Gold führe, und sei es noch so wenig, sagt Pfander. Auch im Chuelibach hinter seinem Haus. Überall, wo in einer der Eiszeiten ein Gletscher sich breitmachte und neben Gestein Edelmetall zurückliess, stehen die Chancen gut. Pfanders Ziel: Gold in jedem Kanton finden. Nur Jura, Schwyz und Glarus fehlen ihm noch.

200 Gramm Gold in 40 Jahren

Pfanders «Schatzkammer» ist ein kleines Zimmer, in dem sich alles um Gold dreht. Dutzende von Meisterschaftsdiplomen, fein säuberlich abgelegt in dicken Bundesordnern. Seine Visitenkarten aus der Zeit, als er dem Weltverband der Goldschürfer als Vizepräsident vorstand. Bilder von seinen Abenteuern auf dem Yukon, den er viermal mit dem Kanu bereist hat. Fachbücher und Romane, die vom Goldrausch in Kalifornien 1848 handeln. Und selbst Bierdosen und Schnapsflaschen, die Gold im Namen tragen: «Heiligenbluter Goldwasser», «Gold Fassl», «Lapin Kulta», «das Gold Lapplands».

Das Wichtigste bewahrt Pfander in einer Holzkommode auf: Hunderte von kleinen Glasröhrchen, in denen sich Gold befindet, in einigen ganz wenig, ein paar Staubkörner bloss. Andere sind fast voll. Jedes ist mit einem Etikett versehen, das die Fundstelle bezeichnet. Das güldene Archiv eines Weitgereisten.

Goldschüren ist seine wahre Passion

Gelernt hat er Bauernmaler, aber das Goldsuchen ist seine Leidenschaft geworden. Rund 200 Gramm hat er bislang gefunden. Einen Teil davon trägt seine Frau als Spange im Haar. Reich ist er aber nicht geworden. Und wenn doch jemand auf die Idee kommt, es könnte beim Pfander etwas zu holen geben, sollte er sich das besser noch einmal überlegen. «Wenn er einen Schuss in den Hintern möchte, soll er ruhig kommen.»

Wir wollen lieber selber Gold suchen gehen. Peter Pfander, der mit einer hartnäckigen Erkältung kämpft, schickt uns zu Toni Obertüfer in den «Wilden Westen» des Kantons Luzern. «Mit ihm werdet ihr bestimmt fündig», sagt er, der Toni kenne das Entlebuch, das Eldorado der Schweiz, wie seine Hosentasche.

Toni Obertüfer im Tal der Grossen Fontanne: Gold, das Millionen von Franken wert ist, soll noch im Napfgebiet liegen.

Quelle: Markus Bühler
Der Mann mit den unsichtbaren Flügeln

Mit der Liegenschaft beim Kreisel am Dorfrand von Willisau hat Toni Obertüfer seinen Traum verwirklicht. Sie ist sozusagen das Basiscamp, von wo aus er Goldwaschtouren mit Touristen unternimmt. Es gibt ein Museum zum Thema Gold, es gibt einen Laden, der alles führt, was das Goldsucherherz begehrt, und im Hinterhof gibt es sogar einen kleinen Park, in dem man die Technik des Goldwaschens lernen kann.

Der 63-Jährige hat sich bereit erklärt, uns in die Geheimnisse der Goldwäscherei einzuweihen. Doch vorher müssen wir mit auf den Napf. Jeden Mittwoch steigt er hinauf, das ist gleichzeitig Ritual und Training. Obertüfer war mal Waffenläufer, jetzt hält er sich fit für die Marathondistanz. Mit seinem klapprigen Van rasen wir nach Wohlhusen. Er möge es halt zackig, sagt er, für den Napf, diesen 1408 Meter hohen Berg, benötige er rund 20 Minuten – wenn er sein Tempo gehen könne. Wir machen uns auf etwas gefasst. Beim Weiler Hapfig lassen wir den Wagen stehen und beginnen mit dem Aufstieg. Obertüfer wählt eine steile, direkte Route, hüpft mit einer Leichtigkeit über Wurzeln und abgebrochene Äste, als wär es ein Abendspaziergang. Der Toni habe Flügel, die man nicht sehe, sagen seine Kollegen. Nach ein paar Metern fragt er, ob er unsere Rucksäcke tragen solle. «Ich buckelte schon im Militär immer die Gewehre der anderen.»

«Du darfst keine Angst haben, etwas zu verlieren.»

Toni Obertüfer, Goldwäscher

Bald sind wir auf der Krete des Hengsts, eines Vorgipfels. Ein atemberaubendes Panorama, und keine Wolke am Himmel. Im Süden die hügelige Landschaft der Biosphäre Entlebuch, dahinter die Innerschweizer und Berner Alpen. Im Norden reicht die Sicht bis zur Jurakette, zum Schwarzwald und zum Klettgau. Doch wir müssen weiter. Auf den letzten Metern zum Gipfel erzählt Obertüfer von seinen prominenten Gästen. Missen zählten dazu, Sänger und Politiker. Zum Beispiel die sieben Bundesräte, die Mitte der Neunziger mit ihm Gold wuschen. Als der damalige Finanzminister Otto Stich bald nach dem Ausflug seinen Rücktritt bekanntgab, munkelte man im Entlebuch, er habe wohl den ganz grossen Fund aus dem Bach gezogen.

Bei Kaffee und Nussgipfel auf der Terrasse des Hotels Napf wird Toni Obertüfer wieder ernst: Man dürfe es nicht übertreiben mit dem Goldsuchen, das mache krank. Schon der römische Dichter Vergil warnte vor der Wirkung des Goldes, als er festhielt: «Oh fluchwürdiger Hunger nach Gold!» Auch im Entlebuch habe es Leute gegeben, die dem Goldfieber erlegen seien, sagt Obertüfer. Ganze Familien seien daran zerbrochen. Dabei spiele es doch gar keine Rolle, wie viel man finde. Wenn es glitzere in der Pfanne, und sei der Flitter noch so klein, mache das schon glücklich und stolz. «Es gibt Leute, die behaupten, Gold sei nicht magnetisch», sagt er beim rasanten Abstieg. Das stimme aber nicht ganz: «Es gibt kaum ein Metall, das auf die Menschen anziehender wirkt.»

Die Suche beginnt

Bei der Brüggweid steigen wir hinab zur Grossen Fontanne, zu einem der beliebtesten Bäche unter Schweizer Goldsuchern. Diesmal in Gummistiefeln, ausgerüstet mit Schaufeln und Pfannen – endlich geht es los. Am Ufer werden wir sogleich von anderen Goldwäschern begrüsst: «Ah, Toni der Grosse, welche Ehre!» Seit fast 30 Jahren führt Obertüfer nun schon Gäste auf Goldwaschtouren. Der Mann ist im Entlebuch eine kleine Berühmtheit.

Nach einem kurzen Schwatz greift der Meister zur Schaufel und schlägt ein Loch in den Flusskies. Goldhaltiges Material befinde sich immer an der Innenseite einer Bachbiegung oder in der Nähe natürlicher Hindernisse. Das hat mit der Schwerkraft zu tun. Toni Obertüfer füllt eine Pfanne mit Sand und Geröll und schickt uns damit ins knöcheltiefe Wasser. Jetzt wird mit gebeugtem Rücken geschwenkt und geschüttelt, auf dass das leichte Material aus dem wokähnlichen Behältnis gespült wird und am Ende Nägel, alte Münzen, anderweitiger Schrott und eben – im besten Fall – die begehrten Goldflitter übrig bleiben.

Im «Clan erfolgreicher Goldwäscher»

«Du darfst keine Angst haben, etwas zu verlieren», sagt Obertüfer. Gar nicht so einfach. Man verkrampft sich automatisch, wenn das Behältnis, in dem sich ein Schatz befinden könnte, ins strömende Nass taucht. Da ist Vertrauen in die Physik gefragt. Ein Mantra hilft: «Gold ist schwerer als Wasser, Gold ist schwerer als Wasser», murmeln wir. Tatsächlich gelingt die Wäscherei auf Anhieb. Als sich nur noch ein knapper Esslöffel Material in der Pfanne befindet, deutet ein Funkeln auf Erfolg hin. Toni Obertüfer klopft uns auf die Schultern und drückt uns sogleich die nächste Pfanne in die eiskalten Hände. «Weiter gehts! Das ist Training!»

Am Ende haben wir vielleicht ein Viertelgramm Gold im Glasröhrchen. Rund zehn Franken Lohn für zwei Stunden harter Arbeit. Nein, reich wird man durch Goldwaschen im Entlebuch nicht. Dennoch fühle ich mich wie ein stolzer Cowboy, als ich später im Büro mein Gold herumzeige. Auf dem Diplom, das Toni Obertüfer per Post zustellt, heisst es: «Sie gehören nun zum erlauchten Clan erfolgreicher Goldwäscher.» Und ich denke: Wie viel Wert hat ein unvergesslicher Tag in der Natur? Was kostet die Begegnung mit einem faszinierenden Menschen? Es sind Dinge, die sich nicht mit Gold aufwiegen lassen, die einen wirklich reich machen.

Unesco-Biosphäre Entlebuch – Mystische Moorlandschaften

Im regionalen Naturpark im Entlebuch bieten viele Flach- und Hochmoore sowie tiefe Auenwälder seltenen Tierarten Unterschlupf. Der Voralpengrat der Schrattenfluh macht den «Wilden Westen von Luzern» zu einem vielseitigen Naherholungsgebiet. Wer die Gegend wandernd erkundet hat, wagt vielleicht eine Tour durch eine der über 250 Karsthöhlen. Parkfläche: 394 Quadratkilometer

Höhepunkt

Versuchen Sie Ihr Glück beim Goldwaschen am Napf, zum Beispiel unter Anleitung von Toni Obertüfer (www.goldwasch-tour.ch).

Unterkunft
Biobauernhof Salwideli, Sörenberg; DZ mit Frühstück ab 100 Franken
www.bauernhof-salwideli.ch

Information
www.biosphaere.ch

Quelle: Markus Bühler