Wer sein Geld möglichst unvorteilhaft anlegen will, wählt zum Beispiel eine fondsgebundene Todesfallversicherung. Für über 90 Prozent aller Sparer macht das keinen Sinn, darüber sind sich die Experten im Beobachter-Beratungszentrum einig. Versicherte müssen jahrzehntelang ihr Erspartes an den Anbieter überweisen. Benötigen sie ihr Geld vor Ablauf dieser überlangen Frist, können sie nur unter massiven Verlusten aus dem Vertrag aussteigen.

Ein Heer von Beratern zieht im Auftrag des Versicherungsmaklers WNB durch das Land, um solche Policen an den Mann und die Frau zu bringen, zum Beispiel Produkte des Liechtensteiner Versicherers Quantum. Dazu suchen sich die Vermittler oft eigene Verwandte und Bekannte aus, oft junge Leute ohne Versicherungsbedarf. Diese glauben, besonders vertrauenswürdig beraten zu werden. Wie die Vermittler vorzugehen haben, lernen sie in WNB-Wochenendseminaren. «Schon am ersten Abend mussten wir auf Kundenfang gehen und unser Adressbuch abtelefonieren», sagt Peter Steiner, der arbeitslos war, als ihm die Ausbildung zum Versicherungsberater in einem Internetchat schmackhaft gemacht wurde. «Es kamen schliesslich fast gleich viele WNB-Mitarbeiter wie Kursteilnehmer ins Seminarhotel. Der Kurs war wie eine Einzelabreibung.»

Rund 400 Franken musste Steiner dem WNB für das Seminar bezahlen. Am zweiten Tag reiste er empört ab. «Die sogenannte Ausbildung ist hochgradig unseriös.» Mit der Firma will er nichts mehr zu tun haben.

Andere Teilnehmer bestätigen, man werde über Vor- und Nachteile verschiedener Versicherungen kaum aufgeklärt. «Es ging einfach darum, ein bestimmtes Produkt möglichst schnell den eigenen Bekannten anzudrehen», sagt Martin Eisenring, ein ehemaliger Hockeytrainer. Auch er hatte den WNB bereits während des Seminars wieder verlassen. Zudem weigerte er sich, das Kursgeld zu bezahlen. «Es kann ja nicht sein, dass ich einen firmeninternen Einführungskurs selber berappen muss.»

Eine Art Schneeballsystem

WNB-Mitarbeiter erhalten für verkaufte Policen eine Provision und werden mit angeblichen Traumsalären geködert. Gelingt es ihnen, neue Mitarbeiter zu rekrutieren, profitieren sie auch von deren Abschlüssen. Der schneeballartige Strukturvertrieb führt dazu, dass neu Versicherte oft angefragt werden, gleich selber als Vermittler einzusteigen. Fragen des Beobachters an den WNB sind unbeantwortet geblieben.

Für die Versicherten haben die Verträge verheerende Konsequenzen. Wenn sie zum Beispiel Geld für Wohneigentum aus der Versicherung nehmen wollen, ist das nur unter hohen Verlusten möglich. Experten des Beobachters raten darum, wenn überhaupt, eine viel günstigere reine Todesfallversicherung abzuschliessen. Wer dagegen langfristig sparen will, macht das mit Vorteil über steuerlich begünstigte Einzahlungen in die Säule 3a oder durch Einkäufe in die eigene Pensionskasse.

Dass heute Tausende schnell gebleichte Versicherungsverkäufer das Land verunsichern, hätte mit dem 2006 in Kraft getretenen Versicherungsaufsichtsgesetz verhindert werden können. Tatsächlich öffnete das Parlament aber ein Schlupfloch im Gesetz, das Versicherungsvermittlern wie WNB, AWD, Cash4Media oder dem Maklerzentrum erlaubt, auch unqualifiziertes Personal auf die Bevölkerung loszulassen.

Das Gesetz stellt zwar hohe Anforderungen an die Ausbildung von sogenannten ungebundenen Versicherungsvermittlern, die sich zudem bei der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) registrieren lassen müssen. Unternehmen wie der WNB gelten aber nicht als ungebunden, auch wenn sie sich selber als unabhängig bezeichnen. Der Trick: Wer mehr als 50 Prozent des Umsatzes mit Produkten von höchstens zwei verschiedenen Versicherungsgesellschaften erzielt, gilt nach der Verordnung zum Gesetz als gebunden. Und gebunden tätige Vermittler müssen die Auflagen an die Ausbildung nicht erfüllen. Was der Sinn dieser Bestimmung sein soll, bleibt rätselhaft. «Der Gesetzgeber dachte wohl nicht an Konstrukte wie den WNB, sondern an klassische Aussendienstmitarbeiter von Versicherungen», sagt dazu Finma-Sprecher Alain Bichsel.

«Das muss unterbunden werden»

Diesen Missstand will die Stiftung für Konsumentenschutz nicht länger akzeptieren. «Da nutzt ein Unternehmen eine Unklarheit oder ein Schlupfloch im Gesetz aus, das der Gesetzgeber nicht gewollt hat», sagt SKS-Präsidentin Simonetta Sommaruga. Dass Versicherungsprodukte von nicht professionell ausgebildeten Verkäufern schneeballartig unter die Leute gebracht werden, müsse unterbunden werden. Sommaruga will darum von der Finma abklären lassen, ob im Rahmen bestehender Gesetze etwas unternommen werden kann. «Falls nicht, werden wir eine Änderung des Gesetzes verlangen», so die SP-Ständerätin.