Zum Autor

Patrick Rohr arbeitete als Zeitungs- und Radiojournalist, bevor er von 1992 bis 2007 Moderator und Redaktor verschiedener Sendungen des Schweizer Fernsehens war (u.a. «Schweiz aktuell», «Arena» und «Quer»). Heute arbeitet er als Kommunikationstrainer und -berater sowie als Moderator, Referent und Fotograf.

Er ist Autor der in der Beobachter-Edition erschienenen Ratgeber «Reden wie ein Profi», «So meistern Sie jedes Gespräch» und «Erfolgreich präsent in den Medien».

Quelle: Thinkstock Kollektion

 

 

 

In meinen Kursen für Rhetorik und Auftrittskompetenz werde ich immer wieder mit ähnlichen Fragen konfrontiert: «Was kann ich gegen meine Angst tun? Wohin soll ich mit meinen Händen? Rede ich am besten mit einem Manuskript, mit einer Stichwortliste oder frei?» Diese Fragen zeigen, dass die meisten Menschen ähnliche Unsicherheiten und Ängste haben, wenn sie vor ein Publikum treten und vor diesem reden müssen. Nachstehend habe ich jene zehn Fragen aufgelistet, die mir von Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmern am häufigsten gestellt werden.

 

  1. Was kann ich gegen die Angst tun?

    Vor einem Auftritt ein bisschen aufgeregt zu sein ist völlig normal, schliesslich wollen Sie mit Ihrer Rede beim Publikum ankommen. Da man eine Rede selten vor Publikum üben kann – ausser man hält sie nacheinander an mehreren Orten –, wissen Sie auch nicht, ob sie so verstanden wird, wie Sie das gerne möchten.

    Vielleicht beschäftigen Sie vor einem Auftritt auch Gedanken wie: Versagt meine Stimme im entscheidenden Moment? Hört mir überhaupt jemand zu? Lachen die Leute über meine vorbereiteten Pointen? Während ein bisschen Anspannung nicht schadet, ist es ungünstig, wenn die Nervosität sich zur Angst auswächst, denn diese blockiert. Wer vor einem Auftritt nicht nur nervös oder aufgeregt ist, sondern Angst hat, fürchtet sich in ausserordentlich hohem Mass davor, sich zu blamieren und ausgelacht zu werden – etwas, das fast jeder Mensch schon als Kind einmal erlebt hat. Diese Angst, sich eine Blösse zu geben und sich zu blamieren, führt dazu, dass man sich vor allem darauf konzentriert, wie man wirkt, also wie man beim Publikum ankommen könnte.

    Durch diese Fixierung auf die äussere Wirkung aber rückt das, was man sagen will, in den Hintergrund. Man achtet nur noch darauf, wie man steht, wo die Hände sind, ob man im richtigen Moment lächelt. Das alles wirkt unnatürlich und verkrampft, was die Zuhörerinnen und Zuhörer wahrnehmen. Im gleichen Mass nämlich, wie der Redende sich auf seine Wirkung konzentriert, achtet auch das Publikum auf diese Äusserlichkeiten. Es sieht einen verkrampften, sich unnatürlich bewegenden und angstvollen Redner, und das macht ihn zur dankbaren Beute. Erst jetzt läuft er wirklich Gefahr, ausgelacht zu werden.

    Damit es nicht so weit kommt, muss es gelingen, diesen Teufelskreis der Angst – Angst vor Blamage, Fixierung auf die äussere Wirkung, Verkrampfung, tatsächliche Blamage – zu durchbrechen. Das schaffen Sie, indem Sie sich ganz auf sich, Ihre Eigenheiten und Ihre Stärken besinnen. Die richtige Einstellung bei einem Auftritt ist: «Sollen die Leute von meiner Art doch denken, was sie wollen! Ich bin gut so, wie ich bin.» Wenn Ihnen dieser Schritt gelingt, verfliegt auch die Angst, und Sie werden sich bei Ihrem Auftritt keine Blösse geben.

     
  2. Was ziehe ich an?

    Ganz einfach: etwas, das zu Ihnen und zum Anlass passt. «Verkleiden» Sie sich für Ihren Auftritt nicht, probieren Sie nicht auf der Bühne einen neuen Stil aus: Sie werden sich unsicher und vor dem Publikum entsprechend unwohl fühlen. Überlegen Sie, welche Art der Kleidung dem Anlass angepasst ist, erkundigen Sie sich allenfalls, welche Kleidervorgaben das Publikum hat, und wählen Sie dann das Passende aus Ihrem Kleiderschrank aus.

     
  3. Wohin mit den Händen?

    Hier eine Gegenfrage: Überlegen Sie sich das auch, wenn Sie einem Bekannten auf der Strasse begegnen? Vermutlich nicht. Warum sich also diese Gedanken machen, wenn Sie vor mehreren Leuten stehen? Versuchen Sie, bei Ihrem Auftritt vor Publikum nicht an Ihre Hände zu denken, dann tun Sie automatisch das Richtige, nämlich das, was Sie sonst auch tun: Sie bewegen Ihre Hände völlig natürlich, uninszeniert und unaufgeregt. Und schon haben Sie dieses Problem gelöst.

     
  4. Sind gesprochene und geschriebene Sprache identisch?

    Nein! Dessen müssen Sie sich vor dem Verfassen einer Rede unbedingt bewusst sein. Schriftsprache und gesprochene Sprache sind zwei völlig verschiedene Ausdrucksformen. In der gesprochenen Sprache sind beispielsweise die Sätze und Gedankeneinheiten sehr kurz. Es gibt auch praktisch keine Nebensätze, und es kommen nur sehr selten Substantive (Hauptwörter) vor.

    Anders in der Schriftsprache: Da reiht sich oft Substantiv an Substantiv und Nebensatz an Nebensatz. Versuchen Sie einmal, den Brief einer Amtsstelle oder eine wissenschaftliche Arbeit laut zu lesen – Sie werden Mühe haben, den Text fliessend und verständlich vorzutragen. Genau gleich wird es jemandem ergehen, der Ihnen beim Vorlesen eines solchen Textes zuhört: Er wird Ihnen nur schwer folgen können. Verfassen Sie deshalb Ihre Rede unbedingt in gesprochener Sprache, also mit kurzen Sätzen und möglichst wenig Einschüben und Nebensätzen. Andernfalls werden Sie es nicht schaffen, Ihr Publikum für sich zu gewinnen.

     
  5. Brauche ich ein ausführliches Manuskript?

    Wenn Sie noch keine geübte Rednerin oder kein geübter Redner sind, kann es sich empfehlen, Ihre Ansprache oder Ihr Referat ausformuliert aufzuschreiben. Das hilft Ihnen, sich ausführlich – und vielleicht auch über längere Zeit – mit dem Inhalt zu beschäftigen. Ein Manuskript können Sie getrost wieder ein paar Tage liegen lassen, bevor Sie erneut daran arbeiten, und Sie können es immer wieder durchlesen. Mit etwas Abstand zu Ihrem Text entdecken Sie vielleicht Stolpersteine im Aufbau, unschöne Formulierungen und unlogische Schlüsse, die Sie anschliessend noch einmal überarbeiten können.

    Ein Manuskript hilft Ihnen auch, die Länge Ihres Referates in den Griff zu bekommen: Lesen Sie es sich selber ein paarmal in Ruhe und laut vor – Sie werden schnell sehen, welche Stellen zu lang oder langfädig sind und wo Sie Ihre Rede allenfalls noch kürzen könnten. Dank der intensiven Auseinandersetzung mit Ihrem Text haben Sie am Tag des Auftritts Ihr Manuskript vielleicht gar nicht nötig, was Ihnen zu einem freieren und dadurch auch überzeugenderen Auftritt verhelfen kann.

     
  6. Soll ich meine Rede ablesen?

    Das hängt von der Länge Ihrer Rede und von Ihren rhetorischen Fähigkeiten ab. Wenn Sie sich fürs Ablesen entscheiden, achten Sie darauf, dass Ihr Text im Manuskript optimal dargestellt ist: klar gegliedert, in grosser Schrift und mit kurzen Abschnitten. Sie können auch Hauptaussagen, Schlüsselwörter und Zwischentitel fett markieren.

    Aber Vorsicht: Auch wenn Sie sich entscheiden sollten, Ihre Rede vor dem Publikum abzulesen, müssen Sie sie gut beherrschen. Vielleicht fallen Sie plötzlich aus dem Text, haben spontan einen Einfall, den Sie gerne einfliessen lassen möchten, oder Sie finden einen Abschnitt auf einmal unpassend, weil er nicht zum Anlass passt. In diesen Fällen sollten Sie Ihr Manuskript so gut beherrschen, dass Sie jederzeit und ohne sich lange orientieren zu müssen von einer Textstelle oder Gedankeneinheit zur nächsten gehen können.

     
  7. Soll ich meine Rede mit Stichwortkarten halten?

    Im Idealfall ja. Wenn Sie Ihre Rede mit Stichwortkarten halten, sind Sie freier in der Formulierung und laufen weniger Gefahr, holprige Wendungen aus der Schriftsprache zu verwenden. Ideal sind Stichwortlisten auf kleinen Zetteln (z. B. Format A5) oder festen Kärtchen (Format A6). Um eine Rede nur mit Hilfe von Stichwortkarten zu halten, müssen Sie sie sehr gut vorbereiten. Gehen Sie am besten gleich vor, wie wenn Sie ein Manuskript schreiben: Erstellen Sie zuerst ein Grob- und dann ein Feinkonzept und schreiben Sie anschliessend den Redentext. Wenn dieser sitzt und Sie ihn ein paarmal laut für sich vorgelesen haben, können Sie Ihr Feinkonzept auf die Stichwortkarten übertragen. Auch eine PowerPoint-Präsentation kann die Funktion von Stichwortkarten übernehmen. Erstellen Sie sie aber ebenfalls erst am Schluss Ihrer Vorbereitungen.

     
  8. Soll ich meine Rede frei halten?

    Eine Rede völlig frei zu halten empfehle ich vor allem geübten Rednerinnen und Rednern. Wenn Sie sich gut vorbereitet haben, ist auch die freie Rede durchaus eine Variante. Zu einer sorgfältigen Vorbereitung gehören ein klares Ziel, ein klarer Aufbau und eine gute Struktur, die Sie jederzeit im Kopf abrufen können. Ideal für die Strukturierung Ihrer Rede sind Dreierschritte, sowohl in der ganzen Rede wie auch zum Beispiel im Hauptteil. Teilen Sie Ihre Rede also zunächst in eine Einleitung, einen Hauptteil und einen Schluss ein. Und unterteilen Sie den Hauptteil dann ebenfalls in drei Schritte.

     
  9. Soll ich eine PowerPoint-Präsentation verwenden?

    PowerPoint ist ein wunderbares Hilfsmittel, das – richtig eingesetzt – eine Präsentation zu einem Erlebnis machen kann. Doch leider wird PowerPoint häufig falsch eingesetzt: überladene Folien in einer zufälligen Reihenfolge, nicht enden wollende Aufzählungen und rätselhafte Grafiken – diese Fehler bewirken, dass Präsentationen für Publikum und Referenten zu einer Qual werden. Weniger ist mehr: Eine gute PowerPoint-Präsentation bildet die Struktur Ihrer Rede ab, enthält entsprechend nur sehr wenig Text (zum Beispiel Titel, wichtige Schlag- und Schlüsselwörter) und kommt ohne unübersichtliche Grafiken und Tabellen aus. Wenn Sie Grafiken und Tabellen einsetzen möchten, tun Sie das durchdacht und achten Sie auf Übersichtlichkeit und Lesbarkeit.


     
  10. Was tun, wenn mir niemand zuhört?

    Wenn Ihnen niemand zuhört und sich im Publikum Unruhe breitmacht, kann das verschiedene Ursachen haben: Möglicherweise haben Sie das Pech, als letzte Rednerin einer langen Vortragsreihe aufzutreten, und die Leute mögen nicht mehr zuhören. Vielleicht wartet hinter den Kulissen aber auch bereits der Cateringservice mit dem Apéro riche, es riecht lecker und das Klappern des Geschirrs ist deutlich zu hören; es ist verständlich, dass die Leute im Saal nach einer langen Vortragsreihe nun langsam Appetit bekommen. Es kann aber auch an Ihnen liegen. Vielleicht haben Sie sich ungenügend vorbereitet, die Rede ist schlecht strukturiert oder Sie haben keine klare Botschaft. Vielleicht haben Sie aber auch ganz einfach einen schlechten Tag und tragen Ihre Rede monoton und unmotiviert vor.

    In solchen Situationen gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder Sie kürzen Ihre Rede radikal, oder Sie versuchen, Ihr Publikum auf andere Art wieder zu packen, etwa indem Sie Überraschungen schaffen. Für eine Überraschung sorgen Sie beispielsweise, indem Sie eine klare Pause setzen und einen Moment lang einfach nichts sagen. Das Publikum wird verblüfft sein und sich wieder auf Sie konzentrieren. Oder werfen Sie eine Frage in den Saal, beziehen Sie das Publikum aktiv mit ein, dann fühlt es sich (wieder) angesprochen. Manchmal ist es nur schon hilfreich, mit der Stimme etwas mehr zu arbeiten, indem Sie einmal leiser und dann wieder lauter werden.

Und hier zwei Beispiele für besonders gelungene Reden

  1. Von Kriminologe Manuel Eisner:
    «Gewalt zwischen Faszination und Wirklichkeit»

  2. Von einer jungen Frau:
    «Lieber Grosspapi»

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