Beobachter-Leserin Anna Bosch* hat ein Musikgeschäft. Und einen Online-Shop für Instrumente – für die entsprechenden Bilder auf der Website war die Lehrtochter zuständig. Weil diese einige Bilder nicht beim Hersteller der Instrumente fand, suchte sie welche auf Google und verwendete Bilder von dort.

Bald kam ein Fax eines deutschen Anwalts: Fünf Bilder auf Boschs Homepage gehörten seinem Klienten. Er forderte eine Unterlassungserklärung und vorerst 570 Euro pro Bild für seinen Aufwand, total knapp 3000 Euro. Es ging um die Bilder, die die Lehrtochter von Google hatte.

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Bosch vermutete einen Betrugsversuch, wie sie ihn schon mehrmals auf diese Art erlebt hatte. Sie verfasste eine harsche Mail und einen eingeschriebenen Brief, in denen sie die Forderung bestritt.

«Wir haben es nicht besser gewusst»

Dass das ein Fehler war, realisierte sie, als erneut ein Fax des Anwalts kam. 35 Seiten waren es diesmal, und als sie etwas von einem «Antrag auf eine einstweilige Verfügung» las, schaltete sie selber einen Anwalt ein. Auf dessen Anraten ging sie einen Vergleich ein – 15'000 Euro bezahlte sie. «Das ärgert mich besonders, weil es sich um ganz simple Fotografien handelte, die man in wenigen Minuten herstellen könnte – wahrscheinlich nicht einmal bearbeitet», sagt Bosch. Ihrer ehemaligen Lehrtochter macht sie keinen Vorwurf: «Wir haben es alle nicht besser gewusst.»

Bitter für Bosch: Wären die übernommenen Bilder aus einer Schweizer Quelle gekommen, hätte die Lehrtochter nichts Illegales getan. Denn: «Im Gegensatz zu Deutschland gibt es in der Schweiz den sogenannten Lichtbildschutz nicht», erklärt der Zürcher Anwalt und Urheberrechtsexperte Martin Steiger. In Deutschland ist fast jedes Foto automatisch urheberrechtlich geschützt. Damit hat Boschs Musikgeschäft deutsches Recht gebrochen, als die fremden Bilder online gestellt wurden.

In der Schweiz hingegen muss ein Bild eine gewisse Individualität aufweisen, damit es urheberrechtlichen Schutz geniesst. «Es muss eine gewisse Schöpfungshöhe erreichen», sagt Steiger. Das wird etwa durch eine spezielle Inszenierung des Objekts oder eine ausgefeilte Technik des Fotografen erreicht. Eindeutige Kriterien fehlen jedoch in der Rechtsprechung.

Fotografen wollen Lichtbildschutz

Daran stören sich die Schweizer Fotografen. Sie fordern seit längerem einen Lichtbildschutz auch in der Schweiz. Damit wären auch diejenigen Fotos geschützt, die momentan als zu wenig individuell eingestuft werden. Ausserdem könnten sich Richter dann auf die Konsequenzen einer Urheberrechtsverletzung konzentrieren, statt sich an der Frage der Individualität eines Bildes «die Zähne auszubeissen», heisst es in einem Positionspapier der Fotografenverbände.

Zuletzt brachten die Verbände ihre Forderung im Rahmen der Arbeitsgruppe Agur12 ein, die vom Bund einberufen wurde. Diese erarbeitete einen 20-seitigen Forderungskatalog, auf dessen Basis der Bundesrat entscheidet, ob er die Urheberrechtsgesetze überarbeiten will.

Bundesrat befasst sich mit dem Thema

Bis Ende 2015 will der Bundesrat einen Entwurf zur «Modernisierung des Urheberrechts» vorlegen. Eine solche könnte mittels Revision des Urheberrechtsgesetzes oder auf Verordnungsebene geschehen. Urheberrechtsexperten wie Andreas Von Gunten gehen davon aus, dass es zur Revision kommt. Von Gunten ist Präsident des Vereins Digitale Allmend, der sich für den öffentlichen Zugang zu digitalen Gütern einsetzt.

Von Gunten ist sich sicher: Wenn das Urheberrechtsgesetz neu verhandelt wird, wird auch der Lichtbildschutz zum Thema. Für ihn ist dieser nicht wünschenswert. Öffentliche Werke könnten dadurch privatisiert werden. Er erklärt: «Wenn alle Fotografien geschützt wären, könnte ein Museum ein ausgestelltes Bild abfotografieren und weitere Fotografien verhindern.» Niemand dürfte mehr ein Bild des Originals zeigen. «Und das, obwohl der Urheberrechtsschutz längst abgelaufen ist und das Bild der Öffentlichkeit gehört.»

Sollte tatsächlich ein Lichtbildschutz eingeführt werden, hätte das einschneidende Folgen: Schweizer müssten vorsichtiger sein bei der Verwendung von Bildern. Viele, die bisher legal Bilder übernommen haben, würden sich von einem Tag auf den anderen strafbar machen.

*Name geändert

Urheberrecht: Das gilt in der Schweiz

Das Schweizer Urheberrecht schützt Inhalte im Internet – etwa Fotos –, wenn eine individuelle, geistige Schöpfung vorliegt. Solche Inhalte dürfen ohne Zustimmung des Urhebers nicht öffentlich verbreitet werden. Zulässig ist nur die Nutzung für den Eigengebrauch, etwa als Bildschirmhintergrund oder Poster in der Küche. Aber wenn Sie für Ihre Website – sie gilt als öffentlich – ein fremdes Bild verwenden, verstossen Sie eventuell gegen das Urheberrecht des Fotografen und handeln damit illegal.

Für Websites empfehlen sich Bilder von Billiganbietern wie Fotolia oder iStockphoto. Oder Fotoportale, die Bilder gratis zur Verfügung stellen, etwa Pixelio und Stock Free Images. Auch wenn man diese Fotos lizenzfrei und gratis nutzen darf, muss man die Quelle angeben.

Abmahnung erhalten - was tun?

Empfehlungen von Rechtsanwalt Martin Steiger, was zu tun ist, wenn man eine Abmahnung bekommt: «Abmahnung aus Deutschland - was tun?»