«Ehen werden zuerst im Himmel geschlossen und erst danach auf dem Zivilstandsamt», schreibt Bundesrätin Ruth Metzler-Arnold in einem Leitfaden für Braut- und Eheleute. «Die Liebe ist eine Himmelsmacht.»

Der Himmel ist mächtig – und international. Immer mehr Ehen werden über die Grenzen hinweg geschlossen. 1995 waren in der Schweiz noch 25,6 Prozent aller Trauungen binational; 2002 schon 35,4 Prozent. Fast jeder dritte Schweizer heiratete 2002 eine Frau ohne Schweizer Pass – jede siebte Schweizerin einen Ausländer. Wie viele Scheinehen darunter sind, ist umstritten – rund ein Fünftel, behaupten böse Zungen. Unter Fachleuten unbestritten ist, dass die meisten Scheinehen im Rotlichtmilieu geschlossen werden, und die Zahl solcher Zweckverbindungen steigt: Sexworkerinnen kommen so zu Aufenthaltsbewilligungen, und ihre Scheinehemänner können mit einer «Entschädigung» von mehreren tausend Franken rechnen.

«Missbrauch» ist schwer zu definieren
Die Schliessung einer Scheinehe ist zwar nicht strafbar; fliegt sie aber auf, kann das für Ausländer böse Folgen haben. In Artikel 2 Absatz 2 des Zivilgesetzbuchs heisst es klar: «Der offenbare Missbrauch eines Rechts findet keinen Rechtsschutz.» Im Klartext: Der Anspruch auf Aufenthalt in der Schweiz gilt nicht mehr, wenn die Ehe bloss zum Zweck der Niederlassung zustande gekommen ist. Doch wie viele binationale Liebespaare wären ledig geblieben, hätte nicht die Ausweisung der Partnerin oder des Partners gedroht? Handelt es sich auch hier um einen Missbrauch?

«Entscheidend ist im binationalen Umfeld der Ehewille», sagt Roger Schneeberger, Vorsteher des Migrationsdienstes des Kantons Bern. «Wenn die Partner keinen regelmässigen Kontakt pflegen, keine gemeinsamen Freunde haben, keine Pläne schmieden, liegt der Verdacht eines Missbrauchs auf der Hand. Man kann nicht kommen und sagen ‹Ich will wegen meiner Frau in der Schweiz bleiben› – und weiss nicht einmal, wo sie wohnt.»

Nadarayah (Name geändert), 26, stammt aus Sri Lanka. 1983 kam er in die Schweiz; sein Asylgesuch wurde abgelehnt, wenig später der Rekurs. Im selben Haus lebte Angela R. Die beiden hatten kameradschaftlichen Kontakt. Als er hätte ausgewiesen werden sollen, heirateten sie. Die 30-jährige Psychologin sieht «diese Sache» als einen «Austausch von Rechten». Sie habe ein Recht gehabt, das ihr nichts nützte – das Recht auf Heirat. «Ihm fehlte ein Recht, das für seine Zukunft entscheidend war – das Recht auf Niederlassung.» Die junge Frau ist überzeugt: Jeder Mensch soll den Wohnort frei wählen können. «Als routinierte Singlefrau lebte ich in keiner festen Beziehung, meine Ausbildung war abgeschlossen, ich wollte keine Kinder.»

Politische Argumente für die Ehe
Der Polizist des Kreisbüros warnte sie. «Er sagte mir, ich könne nie mehr mit ihm rechnen. Sollte mich mein Mann schlagen, könne ich seine Hilfe vergessen.» Nadarayah hat sie nie geschlagen. Die beiden haben sich auch kaum geküsst. 2001 erhielt der Tamile «seinen» Schweizer Pass. Wann die Scheidung stattfinden soll, ist offen.

Für Angela R. sprachen viele politische Argumente für ihre Ehe. Diese Heirat hinterlässt aber auch ein zwiespältiges Gefühl. Sie würde heute «klar von einer Scheinehe abraten – Einzelhilfe ändert das Problem nicht». Durch ihre Tat habe sie sich «als Gutmensch gefühlt». Doch da waren noch andere Empfindungen. «In gewisser Hinsicht genoss ich die Macht über ihn. Seine Dankbarkeit ertrug ich nicht.»

Bis 1992 erhielt eine Ausländerin, die einen Schweizer ehelichte, automatisch den Schweizer Pass. Heiratete hingegen ein Ausländer eine Schweizerin, kam kein ausserordentliches Verfahren in Gang. Heute steht Ausländern und Ausländerinnen eine erleichterte Einbürgerung zu – nach fünf Jahren Aufenthalt in der Schweiz und drei Jahren Ehe. 1992 gab es 3936 solche Einbürgerungen, 2002 waren es 8075. Für die erleichterte Einbürgerung müssen die Partner eine Erklärung unterzeichnen, dass sie in «stabilen ehelichen Verhältnissen und ohne Trennungsabsichten leben».

Bestehen Zweifel am Wahrheitsgehalt dieses Dokuments, wird ein Verfahren zur Bürgerrechtsaberkennung eingeleitet. Die Wachsamkeit der Behörden steigt:

Bis Ende September dieses Jahres wurden bereits über 100 Verfahren eingeleitet und über 20 Pässe eingezogen. Zum Vergleich: 1998 kam es zu 34 Verfahren; zwei davon endeten mit einer Nichtigkeitserklärung.

Zunehmendes Misstrauen der Fremdenpolizei spürt auch Barbara Rissi von der Berner Beratungsstelle für Frauen und binationale Paare. «Echte» Mischehen seien vermehrt der «Skepsis der Behörden» ausgesetzt: «Nicht selten macht die Fremdenpolizei abends Überraschungskontrollen, wenn es um die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung geht.»

Der Ermessensspielraum der Behörden in der Wahl der Mittel ist gross. Die Intimsphäre werde aber respektiert, sagt Mario Tuor vom Pressedienst des Bundesamts für Zuwanderung, Integration und Auswanderung. Im Zweifelsfall führen die meisten Kantone getrennte Befragungen durch. Ein Bundesgerichtsurteil hält fest, «unterschiedliche Aussagen zu den Umständen des Kennenlernens, der Trauung und der gemeinsamen Lebensgestaltung» seien von grösster Bedeutung.

In Zukunft drohen harte Strafen
Das Fraueninformationszentrum in Zürich (FIZ) betreut Klientinnen mit aufenthaltsrechtlichen Problemen aus Afrika, Asien, Lateinamerika und Osteuropa. Die repressive Ausländerpolitik fördere die Schliessung von Scheinehen, ist FIZ-Mitarbeiterin Katja Schurter überzeugt. Gleichzeitig sei «wachsendes Misstrauen» der Fremdenpolizei zu erkennen. «Wenn eine ausländische Frau, die geschlagen wurde, sich nicht scheiden lassen will, vermutet man gleich, sie wolle eine Bewilligung ertrotzen.»

Der Anwalt Valentin Landmann, ein Kenner des Zürcher Milieus, kennt die «bösen Überraschungen», die mit Scheinehen verbunden sein können – auch für die Schweizer Ehepartner: «Viele Betroffene wissen nicht, dass sie bei einer Scheidung Pensionskassen- und AHV-Geld verlieren können. Auch für Steuern besteht eine gemeinsame Haftung.» Und bei Scheidungsplänen stellt sich oft ein simples Problem – dass der Partner nicht auffindbar ist.

Bisher fehlten Bestimmungen, die Scheinehen verbieten. Der Entwurf zum neuen Ausländergesetz sieht jedoch strengere Massnahmen vor. Das Vortäuschen des Ehewillens vor Zivilstandsbeamten soll künftig strafbar sein: Es drohen Gefängnis oder Busse bis 20'000 Franken.