Ein Gerichtsverfahren ist kompliziert und läuft nach starren Regeln ab, die Laien nicht vertraut sind. Sie werden mit Fachausdrücken konfrontiert, die sie nicht verstehen. Vom Gericht gibts keine Hilfe, denn es ist den Parteien überlassen, den Sachverhalt vorzutragen und die Beweismittel zu nennen. Geht dann eine relevante Tatsache oder ein Beweismittel vergessen, riskiert man, den Prozess zu verlieren.

Diese Gefahr besteht auch, wenn man eine schriftliche Anordnung des Gerichts missversteht, die Vorladung nicht abholt, eine Frist verpasst oder einen Kostenvorschuss nicht rechtzeitig leistet. Kurzum: Als Laie ist man mit der Führung eines Gerichtsprozesses schlicht überfordert.

Seit 2011 gibt es das «vereinfachte Verfahren» in der Schweizerischen Zivilprozessordnung. Es gilt unter anderem für Forderungsstreitigkeiten bis zu 30’000 Franken und soll es Laien ermöglichen, selber zu ihrem Recht zu kommen. Als «einfach», «bürgernah» und «laientauglich» hatte es der Bundesrat in seiner Botschaft bezeichnet.

Ein Musterbeispiel: Der Freund zahlt nicht

Wie dieses Verfahren konkret abläuft, soll anhand eines Beispiels durchgespielt werden: Sie haben Ihrem besten Freund Peter H. aus Zürich vor zwei Jahren 8000 Franken geliehen. Das Geld haben Sie ihm in Gegenwart einer Freundin übergeben und auch eine Quittung erhalten – einen schriftlichen Vertrag gibt es hingegen nicht.

Nun weigert sich H., das Darlehen zurückzuzahlen. Er behauptet, Sie hätten ihm das Geld gar nie gegeben, die Quittung sei gefälscht. Da bleibt nur der juristische Weg.

Dazu muss man zuerst einmal zur Schlichtungsbehörde. Wenn Peter H. die Forderung auch bei dieser Verhandlung ablehnt, kann der Schlichter die sogenannte Klagebewilligung ausstellen. Damit können Sie innert dreier Monate Klage beim Gericht einreichen. Dann folgen – wie hier aufgeführt – fünf Schritte.

1. Schritt: Beratung bei einem Anwalt

Sie haben die Wahl, den Prozess gegen Peter H. selber zu führen oder sich durch einen Anwalt vertreten zu lassen – vor Gericht besteht kein Anwaltszwang. Und bekanntlich arbeiten Anwälte nicht gratis. Bei einer Streitsumme von weniger als 10’000 Franken ist der Beizug eines Rechtsvertreters für das ganze Verfahren schlicht zu teuer. Denn selbst wenn Sie gewinnen, werden Ihnen in der Regel nicht sämtliche Anwaltskosten von der Gegenpartei ersetzt.

Auf eine kurze Beratung vor Einreichung der Klage sollten Sie dennoch nicht verzichten. Denn Sie müssen unbedingt wissen, wie Ihre Prozesschancen stehen. Können Sie Ihren Anspruch beweisen? Wie hoch sind die mutmasslichen Prozesskosten? Wo müssen Sie die Klage einreichen? Und wie formulieren Sie das Rechtsbegehren? Diese Fragen sollte Ihnen der Anwalt beantworten. Zudem kann er Ihnen Tipps geben, wie Sie sich im Prozess verhalten sollen. Eine solche minimale Beratung dauert bei einfachen Fällen nicht mehr als eine bis drei Stunden und kostet daher auch nicht alle Welt. Je nach Fall kann auch eine unentgeltliche Rechtsauskunft bei einigen Verbänden, Gewerkschaften oder beim Gericht selbst einen ersten Anhaltspunkt geben.

Wenn Sie keinen Anwalt kennen und Beobachter-Mitglied sind, können Sie sich ans Beobachter-Beratungszentrum wenden. Dort erhalten Sie eine erste Beurteilung, ob eine anwaltschaftliche Begleitung wirklich notwendig ist, und gegebenenfalls Adressen aus dem Beobachter-Anwaltsnetz.

2. Schritt: Klage einreichen

Stehen die Prozesschancen nach Einschätzung des Anwalts gut, reichen Sie die Klage beim Gericht ein – zusammen mit der Klagebewilligung und den verfügbaren Beweismitteln. Zuständig ist das Gericht am Wohnsitz des Beklagten – im Fall von Peter H. das Bezirksgericht Zürich.

Die Klage müssen Sie nicht schriftlich begründen. Es genügt, wenn Sie zum Beispiel schreiben: «Peter H. schuldet mir 8000 Franken, bestreitet das aber. Ich will sie zurück, ausserdem soll Peter H. die Gerichtskosten übernehmen und mir eine Entschädigung zahlen.» Vom Bundesamt für Justiz gibt es hierzu ein Formular für die Klage, mit dem sich sicherstellen lässt, dass nichts vergessen geht.

Sie begründen die Klage besser nicht, denn so geht der Prozess schneller über die Bühne: Ohne schriftliche Begründung lädt das Gericht die Parteien sofort zur mündlichen Verhandlung vor. Bei begründeter Klage wird hingegen zunächst ein Schriftenwechsel angeordnet: Die Klage wird der beklagten Partei zugestellt, und diese erhält die Möglichkeit, schriftlich dazu Stellung zu nehmen. Das verzögert das Verfahren.

Wenn Sie sich ohne Anwalt unsicher fühlen: Nehmen Sie einen an die Verhandlung mit, auch wenn Sie das etwas kostet.

3. Schritt: Kostenvorschuss leisten

Haben Sie die Klage unbegründet eingereicht, prüft das Gericht als Erstes verschiedene formelle Voraussetzungen – zum Beispiel seine Zuständigkeit – und entscheidet dann, ob es auf Ihre Klage überhaupt eintritt.

Anschliessend wird das Gericht von Ihnen als Kläger einen Vorschuss für die mutmasslichen Gerichtskosten verlangen.

Die Höhe der Gerichtskosten bestimmt jeder Kanton selber. Bei einer Streitsumme von 8000 Franken beträgt die Gerichtsgebühr zum Beispiel im Kanton Zürich rund 1500 Franken.

Den verlangten Vorschuss müssen Sie bezahlen, und zwar rechtzeitig innerhalb der vom Gericht angesetzten Frist, sonst wird auf Ihre Klage nicht eingetreten. Als rechtzeitig gilt, wenn er spätestens am letzten Tag der Frist am Postschalter einbezahlt oder Ihrem Post- oder Bankkonto (in der Schweiz) belastet wird.

Keine Vorschusspflicht herrscht nur, wenn Sie Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege haben und ein entsprechendes Gesuch einreichen; der Bund stellt auch hierzu ein Formular zur Verfügung. Der Anspruch besteht, wenn Sie nicht genügend finanzielle Mittel haben, um neben Ihrem Lebensunterhalt auch noch für die Gerichtskosten aufzukommen. Zudem darf der Prozess nicht aussichtslos sein.

4. Schritt: Verhandlung vor Gericht

Haben Sie den Vorschuss einbezahlt, erhalten Sie und die beklagte Partei die Vorladung zur Verhandlung. Bereiten Sie sich gut darauf vor. Notieren Sie sich insbesondere, worauf Sie Ihren Anspruch stützen (zum Beispiel auf einen mündlichen Darlehensvertrag) und mit welchen Beweismitteln Sie ihn belegen wollen.

An der Verhandlung selber haben Sie und der Beklagte je zwei Mal die Gelegenheit zu sprechen. Sie begründen Ihre Klage (Klagebegründung), der Beklagte antwortet darauf (Klageantwort). Anschliessend können Sie zu den Gegenargumenten Stellung nehmen (Replik), worauf der Beklagte nochmals zu Wort kommt (Duplik). Wichtig ist, dass Sie alle Ausführungen Ihres Gegners, die nicht zutreffen, bestreiten, sonst gelten sie als richtig.

Nach der Anhörung teilt das Gericht den Parteien in der Regel seine Einschätzung der Prozesschancen mit und unterbreitet ihnen einen Vergleichsvorschlag. Diesen können Sie annehmen oder ablehnen.

Kommt kein Vergleich zustande, muss das Gericht die Beweise prüfen, wenn relevante Behauptungen bestritten wurden. Zum Beispiel befragt es Ihre Freundin als Zeugin oder holt ein Gutachten ein, falls Peter H. die Echtheit der Quittung bestreitet. Ist die sogenannte Beweisabnahme beendet, erhalten die Parteien nochmals die Gelegenheit, Stellung zu nehmen.

5. Schritt: Urteil und Rechtsmittel

Das Gericht kann seinen Entscheid an der Verhandlung mündlich eröffnen oder ihn den Parteien schriftlich per Post mitteilen. In beiden Fällen muss es den Entscheid nur dann begründen, wenn das eine der Parteien innerhalb von zehn Tagen verlangt. Unterlassen sie das, gilt es als Verzicht auf ein Rechtsmittel – das Urteil wird rechtskräftig.

Sie müssen also zuerst die Begründung verlangen, wenn das Gericht gegen Sie entschieden hat. Haben Sie das begründete Urteil erhalten, studieren Sie dieses genau. Falls Sie mit der Begründung nicht einverstanden sind, können Sie das Urteil an die nächste Instanz weiterziehen – im Fall von Peter H. ans Obergericht.

Wenn Sie ein Rechtsmittel ergreifen wollen, sollten Sie einen Anwalt beiziehen, denn Sie müssen innerhalb von 30 Tagen eine schriftliche Begründung einreichen. Darin haben Sie genau darzulegen, weshalb aus Ihrer Sicht die Gründe berechtigt sind, aus denen Sie einen Entscheid für falsch halten und ihn anfechten – eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, bei der juristische Hilfe unerlässlich ist.

Auch wenn Sie den Prozess gewinnen, kommen Sie nicht automatisch zu Ihrem Geld. Zahlt Peter H. nämlich nicht freiwillig, müssen Sie nun die Betreibung gegen ihn einleiten, und zwar beim Betreibungsamt an seinem Wohnsitz.

Parteieingaben-Formulare

Das Bundesamt für Justiz stellt im Internet nützliche Formulare zu den Themen vereinfachtes Verfahren und unentgeltliche Rechtspflege zur Verfügung.

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