Es ist ein Bundesgerichtsurteil mit einer kurvenreichen Vorgeschichte. In den 1990er Jahren kam das damalige eidgenössische Versicherungsgericht zum Schluss, dass auch Personen, die aus unterschiedlichen Gründen unter chronischen Schmerzen leiden, die mit den gängigen Methoden der Medizin nicht erklärt werden können, Anspruch auf eine Invalidenrente haben. Ab 2004 schränkte das Bundesgericht den Zugang zur IV-Rente bei unklaren Leiden wieder ein. Stattdessen galt nunmehr die Vermutung, dass solche Leiden in der Regel mit zumutbarer Willensanstrengung überwindbar seien.

Im Juni 2015 änderte das Bundesgericht seine Praxis zur Beurteilung des Anspruchs auf eine Invalidenrente bei Schmerzpatienten erneut: Wie es um das Leistungsvermögen betroffener Personen gestellt ist, soll im Einzelfall bewertet werden.

Beschwerde abgewiesen

Nach dem besagten Entscheid im Juni 2015 gelangte eine Frau ans Bundesgericht. Ihr Anspruch auf eine IV-Rente war 2011 rechtskräftig verneint worden. 2013 meldete sie sich noch einmal zum Bezug einer IV-Rente an – und wurde erneut abgewiesen.

Vor Bundesgericht machte sie unter anderem geltend, dass sie auch an einer psychosomatischen Störung leide und ihr nach der Praxisänderung des Bundesgerichts ein Anspruch auf Beweisergänzung eingeräumt werden müsse.

Die Beschwerde der Frau wurde vom Bundesgericht abgewiesen. «Eine Änderung der Gerichtspraxis führt in der Regel nicht zur Anpassung einer rechtskräftigen Verfügung über eine Dauerleistung wie der IV-Rente», teilt das Bundesgericht in einer Medienmitteilung mit. Eine Ausnahme könne unter anderem dann gelten, wenn sich die früheren Entscheide aus Sicht der heutigen Praxis nicht mehr vertreten liessen. Dies sei im Fall der besagten Frau nicht der Fall.

Verhältnisse müssen geändert haben

Durch den Entscheid vom vergangenen Juni sei keine Änderung der Voraussetzungen, sondern des Nachweises für einen Leistungsanspruch erfolgt. Die Aussicht auf eine Rentenleistung der IV sei nicht a priori gestiegen. Die neue Praxis stelle für sich alleine keinen Grund für eine Neuanmeldung bei der IV oder eine Revision beziehungsweise eine Wiedererwägung früherer Entscheide dar. Grund für eine Neuanmeldung könne nur dann bestehen, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse bei der betroffenen Person in der Zwischenzeit geändert hätten.