Es war bereits dunkel, als X, ein Landwirt aus dem Zürcher Bezirk Affoltern, in den Ziegenstall von Y eindrang und dort mit einer Ziege den Geschlechtsverkehr vollzog. Am Morgen wurde das Tier tot im Stall gefunden. Die herbeigerufene Kantonspolizei Zürich rapportierte den Fall als «Tierquälerei, eventuell Sachbeschädigung».

Im Institut für Veterinärpathologie wurde der Kadaver untersucht. Im Sektionsbericht steht: «Die Todesursache kann aufgrund des Sektionsbildes nicht bestimmt werden. Die pathologisch-anatomischen Veränderungen weisen auf akutes Kreislaufversagen hin. Die Schleimhautverletzungen in Rektum, Vulva sowie Mund scheinen traumatisch bedingt zu sein, wobei über deren genaue Ursache nichts gesagt werden kann. Bei einem Schleimhautabstrich in Rektum und Vagina wurden keine Spermien gefunden.»
Obwohl das medizinische Gutachten nicht eindeutig war, gab der Beschuldigte X die Sodomie zu. Dem ermittelnden Bezirksanwalt Thomas Leins - er leitet heute die Kinderschutzgruppe des Kantons Zürich - erklärte X, dies sei der einzige Vorfall dieser Art gewesen.

Leins stellte das Verfahren ein. «Sodomie ist in der Schweiz nicht strafbar», heisst es kurz und bündig in der Sistierungsverfügung: «Eine Strafbarkeit könnte sich höchstens aus dem Tierschutzgesetz ergeben, wonach bestraft wird, wer ein Tier misshandelt oder unnötig überanstrengt.» Eine Uberanstrengung könne nicht bewiesen werden, «weil die Todesursache nicht bestimmt werden konnte und somit ein Zusammenhang zwischen der Sodomie und dem Tod des Tieres nicht nachgewiesen ist». Auch die Misshandlung verneinte der Bezirksanwalt: «Nach Auskunft des sachbearbeitenden Tierarztes handelt es sich um geringfügige Verletzungen. Das Tier dürfte seiner Ansicht nach keine starken Schmerzen erlitten haben, etwa solche vergleichbar mit einem Fusstritt», heisst es diffus in der Einstellungsverfügung.

Ein Einzelfall? Wie bei Tabuthemen üblich, sind verlässliche Zahlen schwer erhältlich. Das Lexikon der Psychologie (1980) schätzt die Anzahl der Männer mit sodomitischen Erfahrungen in den USA auf acht Prozent, die der Frauen auf 3,6 Prozent. Demgegenüber wartet die amerikanische Bundespolizei FBI mit erschreckenden Zahlen auf, die zwischen 1990 und 1994 aus der Befragung von 150 Vergewaltigern, Frauen- und Kindermördern resultierten: 81 Prozent dieser Täter gaben den FBI-Wissenschaftern an, mindestens einmal auch Sex mit Tieren gehabt zu haben. 60 Prozent erklärten, sie hätten beim Vergewaltigen und Quälen von Tieren ihren ersten richtigen Orgasmus erlebt. 66 Prozent töteten die Tiere nach der Tat, 30 Prozent weideten sie regelrecht aus.

Die FBI-Studie sieht einen klaren Zusammenhang zwischen sadistischer Sodomie und sadosexueller Gewalt gegen Menschen: Sodomie gewissermassen als «Einstiegsdroge» für künftige Triebtäter. Doch die Justiz tut sich schwer damit, sodomitische Handlungen als solche zu erfassen. Sex mit Tieren gilt zwar gemeinhin als abartig und pervers, verboten ist er hierzulande aber nicht - genausowenig wie in Österreich und in Deutschland. Durchgreifen kann der Strafrichter nur, wenn Tiere auch gequält und misshandelt werden.

So verurteilte beispielsweise das Bezirksgericht Einsiedeln SZ einen Mann zu einem Jahr Gefängnis bedingt, der sich in einem Stall an zwei Pferden und einer trächtigen Kuh vergangen hatte. Der Täter war den Stuten Kora und Astrid sowie der Kuh Jona mit der Hand und mit Mistgabelstielen in Mastdarm und Scheide eingedrungen. Während der rund 30minütigen Prozedur quoll der Mastdarm aus dem After eines Pferdes: Es starb nach stundenlangen Qualen an Erschöpfung. Die beiden anderen Tiere wurden durch die Handlungen ebenfalls erheblich verletzt.

Es gibt allerdings auch Richter, die das geltende Recht bereits in geringfügigeren Fällen streng interpretieren: So verurteilte das Bezirksamt Werdenberg SG einen 75jährigen Triebtäter zu einer Busse. Der Mann hatte sich im St. Galler Rheintal wiederholt in einen Viehstall geschlichen und Kälbern an der Scheide manipuliert. Die zugefügten Verletzungen waren nicht gravierend. Dennoch müsse «zweifellos von einer Misshandlung der betreffenden Tiere gesprochen werden», heisst es im Bussentscheid.

Solche Urteile sind aber selten. In der Regel verhält sich die Justiz eher ratlos gegenüber dem Phänomen Sodomie. Tierschutzkreise fordern deshalb, das Tierschutzgesetz um einen speziellen Sodomie-Tatbestand zu ergänzen. Dazu Rechtsanwalt Antoine F. Goetschel, Geschäftsführer der «Stiftung für das Tier im Recht» und führender Fachautor in diesem Bereich: «Der Liberalist in mir sagt zwar, dass der Staat nicht Sexualpraktiken vorschreiben oder verbieten soll. Die Grenze liegt jedoch immer dort, wo es darum geht, ob ein gleichberechtigter Sexualpartner in die Praktiken einwilligt oder nicht. Beim Tier kann es eine solche Einwilligung natürlich nicht geben.»

Laut Goetschel ist zwar die 1992 erfolgte Ergänzung der Bundesverfassung um den direkt anwendbaren Verfassungsgrundsatz der «Würde der Kreatur» schon ein wichtiger Schritt in Richtung Strafbarkeit der Sodomie. Als Jurist weiss Goetschel aber, dass dieser Verfassungsgrundsatz allein nicht genügt: «Nach dem Grundsatz ?Keine Strafe ohne Gesetz? braucht es eine Spezialnorm, die genau festlegt, was strafbar ist und was nicht.» Goetschel hat auch gewisse Vorstellungen, wie eine solche Strafnorm im Tierschutzgesetz aussehen könnte. Er hofft, dass sein Vorschlag im Parlament Beachtung finden wird.

Sinnvoll wäre eine Gesetzesrevision zweifellos, denn bei der Sodomie geht es nicht um ein Randproblem. Das zeigt auch die aussergewöhnlich grosse Beliebtheit von entsprechender Pornographie. Interessanterweise hat der Gesetzgeber bei der Revision des Sexualstrafrechts Herstellung, Einfuhr und das Anbieten solcher Pornographie verboten, obwohl das für die sodomitische Handlung selber ja nicht gilt.

Der auf den Kampf gegen harte Pornographie spezialisierte Zürcher Bezirksanwalt Lino Esseiva bestätigt, dass der Import solcher Ware blüht - trotz Strafbarkeit. Entsprechende Angebote stammen vornehmlich aus Holland. Esseiva: «Meistens sind es Direktimporte von Privaten bei Verlagen, die solche Produkte im Internet anbieten.»
Am Zoll beschlagnahmte Videokassetten oder CD-ROMs zeigen dabei Tiersex weit häufiger als Pornographie mit Kindern oder Gewaltdarstellungen. «Pro Woche gibt es allein in Zürich schon 20 bis 30 Anzeigen», so Esseiva. «Die gebüssten Leute geben meist an, aus Neugier bestellt zu haben.»

Ungeschoren, weil für die Justiz kaum fassbar, bleiben dagegen in der Regel die Internet-Anbieter selbst. Nimmt man die Zahl der Anbieter zum Massstab, muss von einem Massenphänomen ausgegangen werden: Die Internet-Suchmachine AltaVista beispielsweise nennt auf das Stichwort «animal sex» nicht weniger als 151338 Fundstellen. Nicht eingerechnet die Tatsache, dass sich viele Anbieter hinter unverfänglicheren Codes wie XXX verstecken. Die drei Buchstaben stehen im Internet allgemein für harte Pornographie. Auch Hinweise auf eine Untergrundszene mit eigentlichen Sodomiepartys fehlen auf gewissen Internet-Seiten nicht.

Klar ist: Wenn skrupellose Geschäftemacher die Sodomie als Business entdeckt haben, muss dafür auch ein Markt bestehen. Wie pervers das Angebot inzwischen ist, zeigt jener Anbieter, der unter anderem auch aufblasbare Puppen vertreibt - nicht von Frauen, sondern von Tieren.