Manche Jugendanwälte fürchten konkrete Zahlen und Fakten wie der Teufel das Weihwasser. Diesen Eindruck erhält, wer nachfragt, wie viel die von ihnen angeordneten Massnahmen kosten und wie gut sie wirken.

So bittet die St. Galler Jugendanwältin und Mediensprecherin Natalie Häusler «um Verständnis», dass die Jugendanwaltschaft «bis auf weiteres keine weiteren Auskünfte» gebe. Für den Kanton Aargau sagt die stellvertretende Leiterin der Jugendanwaltschaft, Beatriz Gil Jayyousi, man habe «beschlossen, im Moment keine Zahlen herauszugeben». Und der Kommunikationsbeauftragte der Zürcher Justizdirektion, Benjamin Tommer, sieht sich wegen der «im Moment sehr vielen Medienanfragen» ausserstande, genaue Auskunft zu geben.

«Carlos» kostete eine Million Franken

Ausgelöst hat die vielen Medienanfragen die Rundumversorgung des jugendlichen Gewalttäters «Carlos» durch die Zürcher Jugendanwaltschaft (siehe «Erklärt uns das!»). Insgesamt haben die Massnahmen für Carlos den Steuerzahler bislang knapp eine Million Franken gekostet. Aktuell belastet der 17-jährige Messerstecher den Staat mit 29'000 Franken pro Monat.

Wie sich diese Kosten genau aufschlüsseln, wollte die Zürcher Jugendanwaltschaft nicht bekannt geben. Doch der Regierungsrat verlangte einen Bericht, bürgerliche Parlamentarier forderten gar eine parlamentarische Untersuchung. Im Jugendstrafvollzug scheinen finanzielle Überlegungen zweitrangig und die Kosten aus dem Ruder zu laufen.

Aufschlussreich in dieser Hinsicht ist ein Blick in die Rechnung des Kantons St. Gallen. Seit vier Jahren in Folge liegen die Verfahrens- und Vollzugskosten der Staatsanwaltschaft über Budget. 4,9 Millionen mehr waren es im Jahr 2012; 3,7 Millionen respektive 3,6 Millionen in den Jahren zuvor. Begründet werden die Überschreitungen in der Rechnung auch mit «höheren Vollzugskosten für Jugendliche infolge Zunahme der ambulanten und der stationären Schutzmassnahmen» (2011) und «einzelner kostenintensiver Fälle» (2012).

Ein Platz im Heim für 25'000 Franken

Öffentlich zugänglich sind die Kostgeldlisten der Heime. 445 Franken kostet ein Tag im Massnahmenzentrum für junge Erwachsene Arxhof in Niederdorf BL. Inbegriffen sind die Kosten für die Ausbildung im Lehrbetrieb und für Freizeitaktivitäten gemäss Behandlungskonzept. Kriseninterventionen durch Dritte sowie besondere Berichte und psychiatrische Gutachten kosten extra.

490 Franken pro Tag verrechnet das Massnahmenzentrum Uitikon bei Zürich. Das sind 14'900 Franken im Monat. Mit 821 Franken pro Tag beziehungsweise 25'000 Franken pro Monat ist die Unterbringung in der geschlossenen Wohngruppe des Jugendheims Platanenhof im sanktgallischen Oberuzwil nochmals deutlich teurer.

«Die Tarife für die geschlossene Wohngruppe sind tatsächlich sehr hoch. Wenn man aber die Arbeit sieht, die dafür geleistet wird, kann man zumindest ein gewisses Verständnis entwickeln», sagt Joe Keel, Leiter des Amtes für Justizvollzug in St. Gallen. Seit 2003 sind die Tarife des «Platanenhofs» um 64 Prozent gestiegen. Der Gesamtaufwand nahm im selben Zeitraum von 6,5 Millionen Franken auf 9,4 Millionen Franken zu.

Rückfallquote praktisch gleich hoch?

Die gleiche Entwicklung droht auch dem Massnahmenzentrum in Uitikon ZH. «Die dortigen aktuellen Tarife sind nicht kostendeckend», sagt Amtsleiter Keel. Er führt als Co-Sekretär die Geschäfte des Ostschweizer Vollzugskonkordats, das für die Durchführung des Straf- und Massnahmenvollzugs zuständig ist. Zurzeit würden die Kostgelder der verschiedenen Einrichtungen überprüft. «Die bisherigen Arbeiten deuten darauf hin, dass für die geschlossene Abteilung in Uitikon ein ähnlich hohes Kostgeld wie für den ‹Platanenhof› erhoben werden muss», sagt Keel.

Kritik an den hohen Preisen wird aus einem weiteren Grund laut: Die Wirkung der Massnahmen auf die Rückfallquote der jugendlichen Straftäter ist unklar. Die entsprechende Forschung steckt noch am Anfang. «Erste Rückfallstudien werden nun gemacht. Solche Studien sind aber sehr komplex, da sich häufig nicht klar feststellen lässt, aus welchen Gründen eine Entwicklung positiv oder negativ verläuft», sagt Thomas Faust, leitender Jugendanwalt von Baselland.

Noch kritischer beurteilt der Zürcher Strafrechtler Martin Killias die Situation. Die Art der Massnahme habe kaum Einfluss auf die Rückfallquote, sagte er der «Neuen Luzerner Zeitung». Er wehrt sich gegen die bei Jugendanwälten verbreitete Meinung, ein Gefängnisaufenthalt erhöhe die Rückfallgefahr. Berücksichtige man alle Belastungsfaktoren, seien die Rückfallquoten nach verschiedenen Sanktionen praktisch gleich hoch, so Killias.