Aufgepasst beim Telefonieren – neuerdings kann jedes gesprochene Wort gegen Sie verwendet werden. Denn seit dem 1. März dürfen Telefongespräche ohne vorgängige Information auf Band aufgenommen werden. Und das Gericht kann diese Tondokumente bei einem Streitfall als Beweismittel akzeptieren.

Früher wurde das heimliche Aufzeichnen von Telefonaten mit Busse oder Gefängnis bestraft; mit der Änderung von Artikel 179 des Strafgesetzbuchs ist es legal. Vorausgesetzt, es handelt sich um Geschäftstelefonate, «welche Bestellungen, Aufträge, Reservationen und ähnliche Geschäftsvorfälle zum Inhalt haben».

Diese Gesetzesformulierung lässt Raum für Interpretationen – und neue Geschäftsfelder. So bietet die neu gegründete Firma Little Red Hood «belegbare mündliche Voraussetzungen für jedermann an». Über eine gebührenpflichtige 0900-Nummer lassen sich Telefongespräche mitschneiden und archivieren. Eine Aufzeichnung könne «Wunder wirken» bei verschmähten Verehrern, anonymen Sadisten oder geldgierigen Erpressern, preist die Berner Firma ihre neue Dienstleistung «speech2 record» an.

«Das Angebot stösst auf Interesse», sagt Geschäftsführer Thomas Frauenfelder. Die Konsumenten könnten jetzt etwa telefonische Abmachungen mit dem Garagisten belegen. Wie viele Telefonanrufe er im ersten Monat aufgezeichnet hat und wer seine Kunden sind, verriet er nicht.

Von der Branche positiv aufgenommen


Daniel Menna, Sprecher des eidgenössischen Datenschutzbeauftragten, ist skeptisch. «Die Aufzeichnung von Gesprächen ist ein grosser Einschnitt in die Privatsphäre.» Die Gesetzesänderung sei eine Ausnahmeklausel und entsprechend eng auszulegen (siehe Artikel zum Thema «Telefongespräche: Vorgängige Ankündigung – ja oder nein?»). «Die Praxis wird zeigen, ob es zu Missbräuchen kommt.»

Für den Branchenverband der Callcenter-Betreiber, Callnet.ch, ist die Lockerung des Gesetzes sehr positiv. «Jetzt wird in der Branche etwas gehen», so Vizepräsident Stefan Buess. «Früher bewegten wir uns mit Aufzeichnungen in der Grauzone, heute gelten sie als Beweise.» Mündliche Aufträge und Abmachungen mit Kunden könnten leichter nachvollzogen werden. Das Gesetz sei jedoch kein Freipass, Gespräche schrankenlos aufzunehmen.

«Gesunde Zurückhaltung» empfohlen


Doch muss damit gerechnet werden, dass das Band heimlich mitläuft. So wird die Postfinance in einigen Wochen abgehende Anrufe mitschneiden. «Wir werden uns dabei im legalen Bereich bewegen», so Sprecher Alex Josty. Zuerst müssten sie den ungenauen Gesetzesartikel noch analysieren.

Auch wenn der Callcenter-Verband seinen Mitgliedern «ein gewisses Mass an gesunder Zurückhaltung» empfiehlt, müssen die Konsumenten in Zukunft auf der Hut sein und lieber einmal zu viel als zu wenig Nein sagen, wenn beispielsweise jemand am Telefon etwas verkaufen will. Im Zweifelsfall lohnt es sich, konkret nachzufragen, ob der Anruf aufgenommen wird oder nicht. Denn das Recht, auf diese Frage eine korrekte Antwort zu bekommen, hat man nach wie vor.