Die Winterthurerin Jana Bleyl verkauft gelegentlich Teile einer gebrauchten Fotoausrüstung auf der Internet-Auktionsplattform Ebay. Um komplizierte Banküberweisungen aus dem Ausland zu umgehen, nutzt sie wie viele andere Paypal, das zu Ebay gehörende Online-Bezahlsystem. Doch als sie einen Teil ihres Guthabens auf das Paypal-Konto ihres Partners überwies, wurde ihr Konto blockiert, ohne dass sie erfuhr, was ihr vorgeworfen wurde.

«Ich ärgerte mich sehr, dass ich mehrfach die gleichen Unterlagen an den Paypal-Kundendienst faxen musste», sagt Bleyl. Sowohl die verlangten Identitätsnachweise wie auch die Ansprechpartner wechselten dauernd, das Verfahren zog sich monatelang hin, ihr Guthaben verwandelte sich auf mysteriöse Weise in eine Schuld: Paypal stornierte Gutschriften von Käufern, die ihre Ware längst erhalten und Bleyl auf Ebay positiv bewertet hatten.

Verdächtig ab 600 Franken

Erst als sich der Beobachter einschaltete, erhielt Jana Bleyl endlich die ihr zustehenden 595 Franken zurück. Laut Sprecherin Barbara Hüppe sei Paypal verpflichtet, «internationale Bestimmungen und Massnahmen gegen Geldwäsche und für mehr Kundentransparenz umzusetzen». Darum werden alle Kontobewegungen überwacht. Sobald bestimmte Beträge überschritten werden, fordert Paypal rigoros eine Vielzahl von Dokumenten ein: Passkopien, Führerausweis, Kreditkarten- und Bankdaten bis hin zu Telefon- und Stromrechnungen oder auch mal Kaufbelege für Artikel, die man bei Ebay versteigert - selbst wenn es sich um jahrzehntealte Occasionsware oder Erbstücke handelt.

Der Treuhänder im Internet

Paypal funktioniert wie ein Treuhandkonto. Der Käufer zahlt den Kaufpreis bei Paypal ein oder lässt ihn von seiner Kreditkarte oder seinem Bankkonto abbuchen. Paypal sendet das Geld an den Verkäufer. Die Transaktion soll nicht nur schnell, sondern auch sicher sein. Für den Käufer ist Paypal gratis, für den Verkäufer fallen Gebühren bis zu 3,9 Prozent an, plus Kosten für den Geldwechsel - zu extrem schlechten Kursen. Weltweit haben rund 164 Millionen Menschen ein Paypal-Konto. Paypal hat seinen Sitz in Kalifornien (USA), verfügt über drei dezentrale Servicestellen und eine luxemburgische Banklizenz.

Wie hoch die Schwelle für die Geldwäscherei-Überwachung ist, hält Paypal geheim. Anhand von Rückmeldungen der betroffenen Kunden lässt sie sich aber recht genau beziffern: Wer in einem Monat rund 600 Franken auf andere Konten überweist oder umgekehrt etwa 4000 Franken erhält, muss mit einer Kontosperrung rechnen - bei solch geringen Beträgen beginnt für Paypal also «Geldwäsche».

Andere Paypal-Nutzer mussten gar einen Anwalt einschalten. So Daniel Schulthess, Betreiber des Onlineshops swissmade.com. Sein «Vergehen»: Als er eine Woche in Frankreich in den Ferien war, legte ein Blitzschlag das Modem seines Laptops lahm, sodass er nicht umgehend auf Beschwerden zweier Käufer reagieren konnte. Prompt blockierte Paypal sein Konto, und Schulthess konnte wochenlang nicht auf die darauf befindlichen 6000 Franken zurückgreifen - obwohl es bei den umstrittenen Transaktionen nur um wenige Franken ging.

«Mein Geschäft wurde dadurch fast lahmgelegt», sagt Schulthess. Besonders ärgert ihn, dass er auf seine «zahlreichen Mails immer nur vorformulierte Standard-antworten erhielt, die gar nicht auf das Problem eingingen». Erst als Schulthess’ Anwalt Paypal ein Ultimatum stellte, wurde das Konto deblockiert.

Die USA, der grosse Bruder

Paypal-Sprecherin Hüppe räumt Probleme ein. Paypal sei in den letzten Monaten sehr stark gewachsen; der Kundendienst habe hier «leider» noch nicht mithalten können. Sie bestreitet aber den Vorwurf, dass Konten willkürlich gesperrt würden. Vielmehr gehe es darum, ein «für alle Beteiligten möglichst sicheres Bezahlsystem anbieten zu können». Wie oft Kontosperrungen vorkommen, will die Sprecherin indes nicht sagen. Hingegen bestätigt sie den Artikel einer deutschen Computerzeitschrift, wonach die Paypal-Kundendatei mit Listen der US-Heimatschutzbehörde über Terror- oder Drogenhandel-Verdächtige abgeglichen werden. Persönliche Daten samt Bank- und Kreditkartenangaben landen also durch die Hintertür in fremden Händen: ein Datenschutzproblem.
Dennoch nutzen sehr viele Ebay-Kunden Paypal - nicht zuletzt wegen des kostenlosen «Käuferschutzes». Sollte der Verkäufer den bereits bezahlten Artikel nicht verschicken oder die Ware nicht der Beschreibung entsprechen, verspricht Paypal Rückerstattung bis zu 1500 Franken. Der vermeintliche Schutz entpuppt sich bei näherer Betrachtung jedoch als ziemlich löchrig. In den einschlägigen Richtlinien wimmelt es nur so von Formulierungen wie «Paypal entscheidet, ob...» oder «Entscheidungen von Paypal sind endgültig und können nicht angefochten werden». Am aussagekräftigsten ist wohl der Satz: «Paypal behält sich das Recht vor, das Käuferschutzprogramm jederzeit und aus jedem Grund nach eigenem Ermessen zu ändern oder einzustellen.» Wer das gelesen hat, versteht: Wenn Paypal zahlt, dann einzig aus Kulanz.

Zu wenig Schutz vor Betrügern

Betroffen davon ist etwa Alexandra Buser. Die 23-jährige Studentin aus Rünenberg BL wollte im Frühling für zwei in den USA ersteigerte iPhones rund 1000 Franken überweisen. Das Geld kam aber postwendend zurück, und der Verkäufer erklärte, es gebe ein Problem mit seinem Konto, sie solle den Betrag stattdessen auf das Paypal-Konto seiner Ehefrau überweisen. Buser tat wie geheissen, schliesslich hatte der Verkäufer zuvor 100 Prozent positive Beurteilungen von früheren Ebay-Käufern erhalten - doch die iPhones kamen nie bei ihr an.

Paypal verweigert Buser den Käuferschutz, weil sie das Geld auf das falsche Konto überwiesen habe. Dass sie gutgläubig und auf Anweisung des Verkäufers so handelte, interessiert Paypal ebenso wenig wie die Tatsache, dass sich 15 weitere Geprellte meldeten und der Verkäufer eindeutig betrügerisch handelte. «Als Studentin habe ich megalange für das iPhone gespart; jetzt muss ich das Geld abschreiben», klagt Buser. In anderen Fällen lehnte Paypal die Haftung ab, weil die Käufer keinen unabhängigen Zeugen nennen konnten, der persönlich anwesend war, als sie das Paket eines Ebay-Verkäufers öffneten, das leer war oder beschädigte Ware enthielt - eine reichlich überzogene Anforderung. «Wie in anderen Bereichen des täglichen Lebens» gebe es halt auch hier bestimmte Regeln, die eingehalten werden müssten, sagt die Paypal-Sprecherin zu den einschränkenden Käuferschutzbestimmungen.

Nicht nur Käufer, sondern auch Verkäufer klagen über den mangelhaften Betrugsschutz. André Braunschweiler versteigerte für 3500 Franken eine Uhr. Unmittelbar nachdem er von Ebay eine Bestätigung der Käuferadresse erhalten hatte, meldete sich der Käufer telefonisch: Er fahre morgen in die USA und wolle darum die Uhr heute noch persönlich abholen. Weil Paypal den Zahlungseingang bereits bestätigt hatte, schöpfte Braunschweiler keinen Verdacht, liess den «Käufer» aber dennoch einen Lieferschein unterschreiben. Wenig später erkundigte sich jedoch der echte Käufer, wo die Uhr bleibe. Ein Betrüger hatte dessen Ebay-Konto geknackt, sich als Käufer ausgegeben und so die wertvolle Uhr erschlichen. Obwohl die Sachlage klar ist (und die Polizei den mutmasslichen Täter nach Monaten fand), bleibt Braunschweiler auf dem Schaden sitzen. Paypal buchte das Geld wieder ab, weil er die Uhr nicht wie vorgeschrieben per Einschreiben verschickt hatte. «Ich bin doch nicht dafür verantwortlich, wenn jemand das Konto eines anderen Ebay-Nutzers knackt», empört sich Braunschweiler. In genau solchen Fällen, wo weder Käufer noch Verkäufer eine Schuld trifft, müsste eine Versicherung den Schaden decken, doch Paypal wollte davon nichts wissen.

Selbst der Geschäftsführer zweifelt

Der langjährige Paypal-Deutschland-Geschäftsführer Frerk-Malte Feller, jetzt Ebay-Geschäftsführer, scheint die Schwächen des Systems zu kennen. Um sich gegenüber Paypal abzusichern und vor unberechtigten Rückbuchungen zu schützen, akzeptierte er für einige private Versteigerungen auf Ebay Paypal als Zahlungsmittel nur, wenn der Käufer ihm «beidseitige Kopien des Personalausweises sowie der Kreditkarte» schickte - dabei ist einer der Vorteile von Bezahlsystemen wie Paypal genau, dass man der Vertragspartei die eigenen Kreditkartendaten nicht bekanntgeben muss. Die von Feller verlangten Daten wären für einen Betrüger Gold wert und dürfen keinesfalls an Unbekannte übermittelt werden. Als andere Kunden Fellers umstrittene Klausel kopierten, reagierte Ebay pikiert: Die Angebote wurden gelöscht.

Vorsicht: Phishing-Mails mit falschem Absender

Unschuldig ist Paypal an einem weiteren Problem: Immer wieder kursieren angeblich von Paypal stammende Mails, in denen die Empfänger aufgefordert werden, ihre Zugangsdaten zu überprüfen; manchmal wird im Text auch eine angebliche Paypal-Abbuchung «bestätigt». Ein Teil dieser Spam-Mails enthält sogenannte Phishing-Attacken, die Empfänger dazu verführen sollen, ihre geheimen Zugangscodes preiszugeben, die dann von Betrügern missbraucht werden.

Andere solcher Mails enthalten Schadsoftware, die sich beim Anklicken auf dem Computer des Empfängers installieren kann. Dieser Trojaner sucht dann auf der Festplatte nach Passwörtern oder ermöglicht den Gaunern, unbemerkt auf Kreditkarten-Zahlungen oder Online-Banking-Accounts zuzugreifen. Wer solche Mail-Anhänge geöffnet hat, sollte dringend Fachleute zur Säuberung des PCs beiziehen, rät die Informatik-Sicherheitsstelle des Bundes.

Quelle: Beobachter