Seltene Metalle wie Indium, Antimon oder Zinn: Ohne sie leuchtet kein Bildschirm, fährt kein Elektroauto und dreht sich kein Windrad. Der Verbrauch dieser Rohstoffe hat in den letzten Jahren massiv zugenommen und wird es voraussichtlich weiter tun. Allerdings: Die Versorgung ist unsicher. Die Produktion konzentriert sich auf wenige Länder, die politisch instabil sind oder – wie China – die Exporte nach Gutdünken steuern. Hinzu kommt, dass der Abbau gewaltige Umweltschäden auslöst und oft unter unmenschlichen Bedingungen erfolgt.

Es gäbe also gute Gründe, seltene Metalle zu rezyklieren – immerhin stecken in Elektronikschrottbergen Tonnen davon. Tatsächlich wird das bei einigen getan, vor allem, wenn sie relativ leicht herauszuholen sind und einen guten Preis bringen.

Die «Gewürzmetalle» im Handy

Bei anderen, namentlich den Seltenen Erden, sieht es aber anders aus: Sie liegen teilweise nur in Spuren und oft in Legierungen vor, weshalb sie auch «Gewürzmetalle» genannt werden. Ob es technisch möglich, finanziell tragbar und ökologisch sinnvoll ist, sie im industriellen Massstab herauszulösen, ist nicht klar.

Für zwei seltene Metalle hat nun die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) diese Fragen untersucht – und kommt zu einem vorsichtig positiven Schluss: «Wenn es bei der technischen Machbarkeit Fortschritte gibt, ist die Rückgewinnung seltener Metalle vermutlich meist gut für die Umwelt und finanzierbar», sagt Projektleiter Heinz Böni.

Zerlegen hier, schmelzen im Ausland

Die Forscher haben Indium und die Seltene Erde Neodym unter die Lupe genommen. Neodym wird für starke Magnete verwendet – in Festplatten, Rotoren von Windrädern, Elektromotoren, Lautsprechern und Kopfhörern. Indium kommt vorwiegend in Flachbildschirmen und Solarmodulen zum Einsatz. Die Empa untersuchte für die e-Recmet genannte Studie den ersten Schritt zur Wiederverwertung von Elektronikschrott – das mechanische Zerlegen alter Geräte in sogenannte Fraktionen wie Kunststoffe, Glas, Metalle, Bildschirme, Kabel oder Leiterplatten. Dieser Schritt passiert in der Schweiz; die Weiterverarbeitung übernehmen spezialisierte Schmelzwerke in Europa. Entscheidend ist, dass sich aus dem Schrott hochwertiges Ausgangsmaterial gewinnen lässt.

Nicht alle seltenen Metalle werden rezykliert.

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Das Ergebnis der Studie: Die Ökobilanz fällt positiv aus – es ist umweltschonender, Neodym und Indium zu rezyklieren als neu abzubauen, wobei bei Neodym der Unterschied markant ist, bei Indium eher gering.

Momentan ist Handarbeit die beste Methode, um indiumhaltige LCD-Panels freizulegen; bei mechanischer Verarbeitung der Bildschirme ginge zu viel verloren. Anders beim Neodym: Versuche der an der Studie beteiligten Hochschule Rapperswil zeigen, dass sich mit innovativen Aufbereitungsverfahren auch ohne Muskelkraft gutes Material erzeugen lässt. Allerdings ist noch nicht klar, ob sich das Verfahren auch grossindustriell anwenden lässt, sagt Rainer Bunge, dortiger Professor für Umwelttechnik.

50 Rappen mehr für den TV-Bildschirm

Ein Knackpunkt sind zudem die Kosten: Zu heutigen Marktpreisen rentiert die Rückgewinnung nicht. Die Berner Fachhochschule – ebenfalls am Projekt beteiligt – hat für Indium durchgerechnet, um wie viel die vorgezogene Recyclinggebühr steigen müsste, um die Kosten zu decken: Bei einem grösseren TV-Bildschirm etwa kämen zu den heute 18 Franken je nach Szenario wenige Rappen bis zu einem halben Franken. «Das ist wirtschaftlich tragbar», findet Projektleiter Böni. Entsprechend fällt auch seine Gesamtbilanz positiv aus.

Skeptischer ist Jean-Marc Hensch, Geschäftsführer von Swico Recycling, dem nationalen Rücknahmesystem für ausrangierte Elektronikgeräte: «Wir sind noch lange nicht so weit, dass wir überhaupt wissen, ob sich das Ganze verfahrenstechnisch so lösen lässt, dass ökonomisch und ökologisch etwas herausschaut.» Das gelte besonders für Indium, das sich noch vergleichsweise gut fürs Recyceln eigne. «Bei den übrigen seltenen Metallen ist es noch unendlich viel schwieriger.»

Das Geld besser woanders einsetzen?

Man sei bei der Rückgewinnung seltener Metalle in einem Grenzbereich angelangt, findet auch Rainer Bunge von der Hochschule Rapperswil: «Die Faustregel, wonach Bergbau ökologisch schlechter ist als Recycling, gerät ins Wanken.» Und selbst wenn die Umwelt profitiere – es gebe Zweifel bei der Effizienz: «Mit dem gleichen Geld liesse sich möglicherweise bei der Rückgewinnung anderer Stoffe ein grösserer ökologischer Nutzen erzielen.»

Die Haltung des Bundesamts für Umwelt ist noch offen. Es hat die e-Recmet-Studie in Auftrag gegeben, will sich jedoch nicht vor deren offiziellen Publikation in einigen Wochen äussern. Dass der Bund Herstellern und Importeuren von elektronischen Geräten eine neue Recyclingpflicht aufs Auge drückt, ist aber nicht zu erwarten. «Die Wirtschaft wird entscheiden, was in Bezug auf das Recycling seltener Metalle wirtschaftlich sinnvoll und tragbar ist», sagt Sprecherin Rebekka Reichlin.

Konfliktstoffe: Seltene Metalle und Erden

Als selten werden Metalle bezeichnet, die weniger als 0,01 Prozent der Erdkruste ausmachen. Dazu gehören Gold, Silber und Platin, Kobalt, Indium und Gallium, aber auch die sogenannten Seltenen Erden, eine Gruppe von 17 chemisch ähnlichen Metallen. 

Über 95 Prozent der Weltproduktion der Seltenen Erden werden in China abgebaut. Viele Produktionsgebiete seltener Metalle und Erden sind politisch instabil. Einige seltene Metalle sind wahre Konfliktrohstoffe: Kriegsparteien finanzieren sich damit.

Zudem sind die Arbeitsbedingungen bei der Förderung vielerorts inhuman, Kinderarbeit ist verbreitet. 

Seltene Metalle werden mit aufwendigen Verfahren gewonnen, bei denen sehr viel Energie, Wasser und Land verbraucht wird. Es kommen Chemikalien zum Einsatz, die die Umwelt verschmutzen, zum Teil tritt Radioaktivität aus. Wegen der steigenden Preise werden vermehrt Lagerstätten mit tieferen Metallgehalten abgebaut. Dadurch steigt die Umweltbelastung pro gefördertes Kilo weiter.

Geräterecycling: So läufts in der Schweiz

Ausgediente Elektrogeräte können an über 600 Sammelstellen und in allen Läden zurückgegeben werden, die das jeweilige Gerät im Sortiment führen. Das ist gratis, da im Preis der vorgezogene Recyclingbeitrag enthalten ist.

Jährlich kommen so rund 66 Millionen Franken zusammen, mit denen Sammelstellen, Logistik, Zerlegung, Recycling und Kontrolle bezahlt werden.