Himbeerrot, zitronengelb, mandarinenorange, brombeerviolett, schokoladebraun und pfefferminzgrün, bunt gestreift und fingerlang, zuckersüss aussen, nussig-cremig innen: Das sind die gefüllten Basler «Mässmogge», die während der Herbstmesse Hochkonjunktur haben.

Fein säuberlich nach Farben getrennt, lagern die Zuckerstangen in einem Birsfelder Hinterhofgebäude, dem Standort der Sweet Basel AG. Das Kleinunternehmen ist der einzige Süsswarenhersteller, der das Basler Schleckzeug noch produziert - grösstenteils von Hand nach alter Zuckerbäckerkunst seit 1921.

Die Herstellung läuft auf Hochtouren: Im vorderen Teil konfektionieren drei Frauen Zuckerware, im hinteren laufen Produktionsmaschinen wie aus vergangenen Zeiten mit Knöpfen und Drehkurbeln, alles funktioniert mechanisch. In der Teigmaschine ruht eine braune Masse, sie verströmt einen nussig-süsslichen Duft, der sich mit dem von warmem Zucker vermischt. Zunächst eigentlich ganz angenehm, doch nach ein paar Stunden muss es einen doch unweigerlich zu Essiggurken und Thonbrötchen ziehen, oder? Vinzenz Flury, Confiseur und Besitzer des Zehn-Personen-Betriebs, winkt ab: «Das riechen wir schon lange nicht mehr.»

Es zischt und poltert - Dampf ablassen
Das Produktionsteam - ein Confiseur und zwei Bäcker-Konditoren - macht sich für die nächste Runde Messmocken bereit. Es ist die fünfte heute, bis zu zwölf am Tag schaffen die drei jungen Männer, oft mit der Unterstützung des Chefs. In einem bronzefarbenen Kessel wird die Zucker-Glukose-Masse unter Dampf erhitzt. Es zischt und poltert, als der Chef der Equipe den Dampf ablässt und den Kessel kippt: Eine zähe, durchsichtige Masse, Zucker-Glukose-Gemisch, 134 Grad heiss, gleitet erst in den darunterstehenden Behälter und wird dann in einen Rahmen geleert, der auf dem Tisch ausgelegt ist. Die Männer streichen die Masse aus. Einer giesst etwas roten Farbstoff und Himbeeraroma auf einen Drittel der Fläche. «Das wird der Farb- und Geschmackteil. Er ist dezent gehalten, seinen typischen Geschmack bekommt der Mässmogge von der süssen Füllung», erklärt Flury. Mit einer Riesenschere wie aus dem «Struwwelpeter» schneidet einer der Mitarbeiter die Masse in drei Teile. «Heiligtümer» seien diese Scheren, meint Flury - sie werden nicht mehr hergestellt, da das meiste Zuckerwerk heute vollautomatisch produziert wird.

Nun setzt die Handarbeit ein: Die drei Männer packen je einen Ballen der Masse und beginnen, diesen über den Tisch zu ziehen und zusammenzufalten. Immer wieder, damit die Masse abkühlt. Das ist harte Arbeit: Rund 40 Kilo wiegt ein Ballen, zudem ist er zäh und klebt an den Handschuhen. Deshalb tauchen die Männer ihre Hände ab und an in eine Schale mit Talk. «Das ist eigentlich fast Erholung», sagt Flury augenzwinkernd, während den dreien bereits sichtlich warm geworden ist. Der nächste Arbeitsschritt ist noch schweisstreibender: Die Masse muss in die Länge gezogen werden. Der farbige Teil zuerst, der farblose wird in einer Zuckerziehmaschine so lange bearbeitet, bis er weiss wird. Aus dem roten und einem weissen Teil ziehen zwei Mitarbeiter Streifen und legen sie aneinander. Wieder wird geschnitten, an allen Enden gezogen, erneut aneinandergefügt. So entsteht der Aussenmantel. Gut drei Meter lang, rot-weiss gestreift. Der übrig gebliebene weisse Teil wird zum Innenmantel, der die Füllung umhüllt. Sie wird laut Flury nach alter Rezeptur hergestellt: geröstete Haselnüsse, die mit Zucker zu einer feuchten Masse gewalzt und gemahlen werden.

Wer den Messmocken erfunden hat, ist nicht ganz klar. Die einen nennen einen französischen Confiseur namens Goldinger, der Anfang des 20. Jahrhunderts in Basel tätig gewesen ist. Die anderen erzählen, dass einem Lehrling der Basler Traditionsconfiserie Franz Jonasch etwa zur selben Zeit ein Fehler unterlaufen sei und so die Messmocken entstanden seien.

Einen Meter lang und 120 Kilo schwer
Die Füllung gleitet auf die weisse Zuckerfläche, vier Hände greifen zu, rollen die Masse ein, legen sie auf den Aussenmantel und rollen erneut. Ein Riesenmessmocken liegt nun da: weiss-rot gestreift, 120 Kilo schwer, gut einen Meter lang und einen halben Meter dick. Kurze Verschnaufpause. Dann hieven die Männer die Rolle hoch und legen sie in den «Hansella Zuckerstangenformer» - eine Maschine aus den fünfziger Jahren, die wie ein sich zuspitzender Sarg aussieht. Während der Former die Rolle dreht, damit die Masse gut zusammenhält, packt einer der Zuckerbäcker den Riesenmocken am Zipfel und zieht ihn über ein Fliessband in die nächste Maschine. Diese zieht die Rolle langsam in die Länge, bis sie nur noch fingerdick ist. Als Vinzenz Flury 1993 den Betrieb von der Gründerfamilie übernahm, war auch dies noch Handarbeit: «Das war doch ziemlich mühsam und nie genau; mal war die Rolle dicker, mal dünner», erinnert er sich.

Mittlerweile ist die Zuckerrolle bei der wohl ältesten Maschine im Raum angelangt. «Ein Unikat, der alte Patron hatte sie Anfang des Zweiten Weltkriegs selber gebaut», erklärt Flury. Kein Wunder, erinnert sie an den Unterteil eines Panzers: Zwei Raupenplanen rotieren ineinander und unterteilen die Zuckerstange in einzelne Messmocken. Einer nach dem anderen gleitet vom Förderband auf ein grosses Blech. Innert einer halben Stunde ist die Charge durch, sind 2500 Stück hergestellt.

Es hätte nicht viel gefehlt und der Messmocken, der zur Basler Herbstmesse gehört wie das Riesenrad, wäre verschwunden. In den sechziger Jahren teilten sich noch zwei Zuckerbäcker den Markt in Basel. Kurze Zeit später war nur noch einer übrig: Confiseur Bürgin. Der andere hatte keinen Nachfolger gefunden. In den neunziger Jahren wollte auch keiner der Bürgin-Nachkommen das Geschäft des letzten Messmockenfabrikanten übernehmen. Da griff der gelernte Konditor Flury, damals 43-jährig, zu. Nach 25 Jahren bei der Migros-Bäckerei Jowa stand ihm der Sinn nach einer neuen Herausforderung: «Ein eigenes Geschäft war schon immer mein Traum.» Er taufte das Geschäft um, liess aber die Mocken weiterhin in Handarbeit produzieren. «Handwerk hat goldenen Boden», sagt Flury. Und doch ist der Verkauf der Messmocken rückläufig. Flury hat deshalb in den letzten Jahren die Sortimentspalette erweitert: So fabriziert der Betrieb etwa auch farbige Täfeli mit handgestanzten Motiven - sogenannte Rockbonbons - und Basler Nougat.

Zwei Millionen Messmocken verlassen jährlich die Zuckerbäckerei, eine Hälfte geht an die Herbstmesse, die andere an Marktfahrer und Fachgeschäfte in der Region Basel. Was nach viel tönt, ist eigentlich eine Produktion in kleinem Rahmen, wie Flury sagt. Gerade einmal 50 Tonnen Zucker jährlich verarbeitet das kleine Team. Zum Vergleich: Die Laufentaler Bonbonfabrik Ricola verarbeitet 80 Tonnen Zucker täglich.

Mittlerweile gleiten die orange gestreiften Messmocken vom Band, und der Produktionschef setzt die nächste Zuckerlösung an. Nun ist es definitiv Zeit für ein Thonbrötchen mit Essiggurke - schliesslich musste zuvor noch je ein Messmockenexemplar probiert werden.

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Viel Handarbeit: Aus der Zucker-Glukose-Masse formen die Zuckerbäcker einen Riesenmessmocken und ziehen ihn dann mit Hilfe einer Maschine in die Länge.

NougatparfaitRezept für vier Personen
2 Eier
2 Eigelb
70 Gramm Zucker
in eine Schüssel geben und bei schwacher Hitze im Wasserbad mit dem Schwingbesen schaumig schlagen, bis die Masse cremig wird. Aufpassen, dass das Ei nicht stockt. Danach die Masse im kalten Wasserbad erneut schlagen, bis sie abgekühlt ist.
100 Gramm Nougat im warmen Wasserbad verflüssigen.
5 Deziliter Rahm steif schlagen.
1⁄2 Teelöffel Zimt
1⁄2 Teelöffel
Vanillezucker
dazugeben.
Das verflüssigte Nougat unter den geschlagenen Rahm heben, die Eimasse dazugeben und die Parfaitmasse sechs bis acht Stunden gefrieren lassen.