Wenn das Telefon vor acht Uhr früh zu Hause klingelt, verheisst das selten Gutes. Als Livio Füglistaler* den Hörer abnahm, war er sofort hellwach. Ein Zöllner war am Apparat. Der wollte wissen, ob Füglistaler nicht noch etwas zu deklarieren habe, zum Beispiel die Autoreparatur in Deutschland.

Füglistaler war tatsächlich ennet der Grenze gewesen, wo ein Garagist für 860 Euro Arbeiten an seinem Auto ausführte. Das war mehrere Wochen her. Der Mann am Telefon kam gleich zum Thema: Mehrwertsteuer. Ja, räumte Füglistaler ein, die habe er nicht angemeldet. Zu gross sei die Versuchung gewesen, die acht Prozent zu sparen. Der Anruf endete mit der Ankündigung einer Busse, die Füglistaler inzwischen erhalten hat. Wie bei Hinterziehung üblich, muss er nicht nur die Mehrwertsteuer zahlen, sondern darüber hinaus eine Busse in doppelter Höhe dieser Steuer.

Jährlich Tausende von Strafprotokollen

Etwas beschäftigt Füglistaler über das Telefon und die Busse hinaus. Wie sind ihm die Zöllner überhaupt auf die Schliche gekommen? Wer wusste von seinem Garagenbesuch? Füglistaler hatte sich beim deutschen Zoll die Rechnung abstempeln lassen, damit er die 19 Prozent deutsche Mehrwertsteuer beim Garagisten zurückfordern kann, was er bis heute aber nicht getan hat. Hatten ihn also deutsche Zöllner verpfiffen?

Gut 13 Millionen grüne Ausfuhrscheine stempelten deutsche Zollbeamte im letzten Jahr allein an der Grenze zur Schweiz ab. «Wir behalten keinen Beleg und scannen die Dokumente auch nicht ein», versichert der deutsche Zollsprecher Michael Hauck. Aber: «Wir melden unseren Schweizer Kollegen verdächtige Fälle.» Der Schweizer Zollsprecher Stabsadjutant Attila Lardori bestätigt die «spontane Amtshilfe» über die Grenze, die ein Abkommen zwischen der Schweiz und der EU möglich macht. «Bei Verdacht auf eine Verletzung der Zollbestimmungen sind die Zollbehörden sogar verpflichtet, sich gegenseitig Informationen zukommen zu lassen», so Lardori. In der Regel würden solche Informationen telefonisch oder per Mail mitgeteilt.

Doch warum wurde Füglistaler erst Wochen später von den Behörden kontaktiert? Lardori: «Beim Abarbeiten der zahlreichen Amtshilfemeldungen kann es vorkommen, dass eine verdächtige Person erst Wochen später kontaktiert wird.»

Insgesamt werden jährlich 18'000 bis 20'000 Strafprotokolle wegen Warenschmuggels im Reiseverkehr erstellt. Dazu gehören auch Fälle, die von Privatpersonen den Behörden zur Kenntnis gebracht wurden. Wie oft dies vorkommt, wird vom Zoll nicht separat erhoben.

Manche lassen den Oldtimer restaurieren

In welchen Fällen die Grenzer ihre Kollegen informieren, will Hauck vom deutschen Zoll nicht verraten. Neben auffälligem Verhalten spiele auch die Art der gekauften Leistung eine Rolle. «Es gibt Leute, die lassen sich ganze Oldtimer in Deutschland restaurieren. Autoreparaturen sind für Zöllner sehr schwer zu erkennen. Da kann eine Meldung natürlich hilfreich sein.»

Mit einer Busse, die in der Regel maximal das Doppelte der Schweizer Mehrwertsteuer beträgt, dürfte die abschreckende Wirkung dennoch gering sein. Sie ist immer noch tiefer als die ordentliche deutsche Mehrwertsteuer. Lardori warnt: «In schweren Fällen, bei denen die Busse mehr als 500 Franken betragen würde, kann vom Schema abgewichen werden. Das Ausmass der Widerhandlung und das Verschulden des Täters bestimmen dann die Höhe der Busse.» Und das Mehrwertsteuergesetz erlaubt Bussen bis zu 800'000 Franken.

*Name geändert

Korrekt durch den Zoll

Waren bis zu einem Gesamtwert von 300 Franken können pro Person und Tag abgabenfrei in die Schweiz eingeführt werden. Nicht erlaubt ist es, ein teureres Produkt auf mehrere Personen aufzuteilen. Selbst wer das Bett teilt, muss die neue Matratze für 600 Euro versteuern. Anders als Autoreparaturen beurteilen Zollbeamte den «Einbau von Ersatzteilen in den eigenen Körper». So verlieren neue Zähne mit dem Einsatz ihre Eigenschaft als Sache und sind von der Mehrwertsteuer befreit. Allerdings kann man aus diesem Grund auch die deutsche Mehrwertsteuer nicht zurückfordern.