Zur Person

Roger Stephan ist Veterinärmediziner und Direktor des Instituts für Lebensmittelsicherheit und -hygiene an der Vetsuisse-Fakultät der Universität Zürich. 

Beobachter: Weltweit suchen Labors nach dem Gen MCR-1, das Bakterien immun gegen Antibiotika macht. Auch Ihr Institut hat Proben untersucht. Was haben Sie gefunden?
Roger Stephan: Wir haben MCR-1 in Bakterienstämmen nachgewiesen, die wir aus Flusswasser isoliert hatten, aus der Birs in Basel. Zudem fanden wir den Resistenzmechanismus in Importgemüse aus Thailand und Vietnam sowie in Geflügelfleisch, das aus Deutschland und Italien importiert worden war.

Beobachter: Waren es viele Proben, die das neue Resistenz-Gen enthielten?
Stephan: Nein, der Anteil war klein. Erstaunt hat uns aber, dass MCR-1 schon in der Schweiz angekommen ist. Und zwar seit längerem, die Flusswasser-Proben stammen von 2012. Unsere Ergebnisse zeigen auch, dass sich MCR-1 verbreitet hat, es kann über Wasser und andere Wege in alle Kanäle gelangen. Zudem gibt es Überträger wie Importgemüse, die diese Bakterien in die Schweiz bringen können, auch wenn man selbst nie im Ausland war. Aus wissenschaftlicher Sicht sind wir brennend daran interessiert, das besser zu verstehen. Wir werden alle isolierten Stämme weiter untersuchen und hoffen, in den nächsten Wochen deutlich mehr zu wissen.

Beobachter: Was bedeuten Ihre Ergebnisse in Bezug auf Antibiotika?
Stephan: Bei unseren Stämmen handelt es sich um ESBL-produzierende E. Coli, also um Darmbakterien, die bereits gegen eine breite Gruppe penicillinartiger Antibiotika resistent sind. Nun hat sich erwiesen, dass diese Erreger zudem gegen das Antibiotikum Colistin resistent sind. Therapeutisch führt das Zusammenspiel dieser beiden Mechanismen noch nicht zu einem Notstand, weil es alternative Antibiotika gibt, auf die die gefundenen Erreger noch empfindlich sind. Schlimm wird es, wenn weitere Resistenzen dazukommen.

Beobachter: Könnte MCR-1 seine Eigenschaften auf bestehende Resistenzen «übertragen» und diese verstärken?
Stephan: Ja, und das ist die eigentliche Befürchtung: dass sich durch den Austausch von relativ einfach übertragbaren Teilchen Resistenzeigenschaften anhäufen und dadurch Bakterien entstehen, die mit Antibiotika nicht mehr behandelbar sind. An solchen Aspekten arbeiten wir jetzt, um abschätzen zu können, wie gross die Gefahr wirklich ist.

Beobachter: Wie lässt sich verhindern, dass MCR-1 und andere Resistenzen in Spitäler eingeschleppt werden?
Stephan: Der kritische Moment ist dann, wenn Träger solcher multiresistenter Darmbakterien ins Spital aufgenommen werden. Das kann prinzipiell jedermann sein. Deshalb muss man sich ernsthaft überlegen, Patienten beim Spitaleintritt routinemässig auf Carbapenem-resistente Bakterien zu testen – Carbapeneme sind Reserveantibiotika. Und wenn dieser Test positiv ausfällt, zusätzlich auf Colistinresistenz. Wenn der Patient diese Kombination aufweist, müsste man ihn in einem Quarantänebereich versorgen, um zu verhindern, dass sich die Erreger im Spitalumfeld verbreiten.

Beobachter: Sie haben MCR-1 auch in Geflügelproben nachgewiesen. Wurden diese Hühner nicht fachgerecht geschlachtet?
Stephan: Doch. Unter der heute geltenden Gesetzgebung bringt die Schlachtung mit sich, dass man auf der Hautoberfläche der Hühner Darmbakterien findet. In den Schweizer Betrieben werden 8000 bis 8500 Tiere pro Stunde geschlachtet, im Ausland noch mehr. Es ist ein automatisierter Prozess: Wenn die Tiere mit den Maschinen in Berührung kommen, bleiben Bakterien an ihnen hängen. Das ist nicht zu verhindern. Ausser man dürfte die Hühner am Ende zum Beispiel mit Chlor oder Peressigsäure behandeln – dann liesse sich die Belastung mit Darmbakterien, auch etwa mit den problematischen Campylobacter, deutlich reduzieren.

Beobachter: Müsste man das Gesetz anpassen?
Stephan: Ja, das müsste man. Nur können wir das nicht im Alleingang, denn in der Lebensmittelkette tun wir ja nichts anderes, als die Gesetze der EU nachzuvollziehen. Aktuell laufen in der EU tatsächlich Diskussionen, im Geflügelschlachtprozess Peressigsäure zuzulassen. Die Amerikaner etwa behandeln Hühnerfleisch längst mit Chlor.

Beobachter: Wie gelingt es, Flüsse und Seen von multiresistenten Keimen frei zu halten?
Stephan: Das ist grundsätzlich eine Frage der Abwasserreinigung. Viele Anlagen sind noch nicht in der Lage, Bakterien vollständig herauszufiltern. Sie sind auf chemische Substanzen im Wasser ausgerichtet. Inzwischen existieren aber neue Technologien, mit denen sich Bakterien aussondern lassen. In der Schweiz ist geplant, grosse ARAs mit dieser zusätzlichen Reinigungsstufe nachzurüsten.

Beobachter: Wie sehen Sie den Einsatz von Colistin in der Tiermast: Braucht es ein weltweites Verbot?
Stephan: Die EU und auch die Schweiz haben Antibiotika als Wachstumsförderer vor Jahren verboten, unser Land war diesbezüglich ein Vorreiter. Antibiotika werden in der Tiermast hierzulande nur therapeutisch angewandt. Das gilt auch für Colistin. Ein Verbot wäre meines Erachtens ein absoluter Schnellschuss und im Moment fachlich unbegründet. Wir wissen schlicht noch zu wenig. Ausserdem: Colistin müsste bei einem Verbot durch andere Medikamente ersetzt werden, denn es sind ja kranke Tiere, die man behandeln muss. Und man müsste auf Antibiotika ausweichen, die viel bedeutender sind als Colistin. Deswegen hielte ich ein Verbot für eine gefährliche Strategie. Man würde den Teufel mit dem Beelzebub austreiben.

So schützen Sie sich vor bösen Bakterien

Bei Erkältungen

Schlucken Sie keine Antibiotika! Die Beschwerden sind mit grosser Wahrscheinlichkeit durch ein Erkältungsvirus verursacht. Gegen Viren wirken Antibiotika nicht.

 

Bei Infektionen

Nehmen Sie die Antibiotika gemäss Verschreibung, also exakt in der Dosis und exakt so lange, wie der Arzt sie verordnet hat. Brechen Sie die Therapie nicht frühzeitig ab – Sie riskieren sonst, dass sich resistente Keime bilden. Antibiotikaresistenz bedeutet: Nicht Ihr Körper wird resistent gegen Antibiotika, sondern die Bakterienstämme, die Ihren Körper besiedeln, werden gegen Antibiotika resistent.

 

Handhygiene

Waschen Sie regelmässig und gründlich die Hände: vor und nach dem Essen, nach der Toilette, wenn Sie Ihren Hund gestreichelt oder in die Hand geniest haben (besser: in die Ellbogenbeuge!); wenn Sie in der Stadt waren und den Monitor des Bancomaten berührt, Handläufe, Liftknöpfe oder Haltestangen angefasst haben.

 

In der Küche

Wenn Sie mit rohem Fleisch hantieren, egal von welcher Tierart, halten Sie das Zwei-Teller-Prinzip ein: rohes und erhitztes Fleisch unbedingt trennen! Waschen Sie die Hände, wenn Sie rohes Fleisch berührt haben, ebenso das Schneidebrett, auf dem Sie das Fleisch geschnitten haben. Erhitzen Sie das Fleisch auf mindestens 70 Grad – Bakterien, auch multiresistente, sind nicht hitzebeständig.

Waschen Sie Gemüse sorgfältig und kochen Sie es – das tötet Erreger ab. Rohes Gemüse sollten Sie wenn möglich schälen und – wie beim Fleisch – strikt von gekochtem trennen. Anschliessend Hände waschen.