91 Prozent der Schweizer Bevölkerung stehen Organspenden positiv gegenüber, so eine kürzlich veröffentlichte Befragung von Swisstransplant. Solch hohe Zahlen überraschen sogar die Stiftung, sind laut CEO Franz Immer aber zu relativieren: «Eine grundsätzlich positive Haltung ist viel wert. Trotzdem setzen sich die Wenigsten gerne mit dem eigenen Tod auseinander.» Sprich: Von der positiven Einstellung bis hin zum Ausfüllen eines Spendeausweises ist es ein grosser Schritt.

Deshalb spricht auch nur die Hälfte der Befragten mit Angehörigen über den eigenen Willen, gerade mal ein Viertel hat diesen schriftlich geäussert. Noch immer liegt die Organspenderate hierzulande im unteren Drittel Europas.

Entscheiden Sie sich schriftlich – ob für oder gegen eine Organspende – und nehmen Sie Ihren Angehörigen eine Bürde ab. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Beispiel: Was bedeutet es, einer Organspende zuzustimmen?

Norman M. bricht beim Joggen am See zusammen. Er wird mit der Ambulanz ins Krankenhaus gebracht. Dort wird festgestellt, dass er eine schwere Hirnblutung erlitten hat. In der folgenden Nacht tritt der Hirntod ein.

Nun spricht eine Ärztin Normann M.s Frau und seine Eltern auf das Thema Organspende an. Weil er nichts schriftlich verfügt hat, müssen die Angehörigen entscheiden. Was hätte der Ehemann und Sohn gewollt? Das braucht Zeit – und während dieser ganzen Zeit ist der Patient ans Beatmungsgerät angeschlossen, sein Herz schlägt weiter, sein Körper ist warm. Ist er denn wirklich tot? Die Ärztin erläutert den Angehörigen, dass eine Organentnahme erst möglich sei, wenn der Hirntod mit einer Reihe von Tests zweifelsfrei festgestellt sei, dass aber die Organe weiterhin mit Blut und Sauerstoff versorgt werden müssten. Schliesslich sind die Eltern und die Ehefrau sicher: Norman M. hätte einer Organspende zugestimmt. Sie können sich vom Toten verabschieden, dann wird der Körper in den Operationsraum gebracht, wo die Organe entnommen werden.

Wer ist auf eine Organtransplantation angewiesen?

Auf die Warteliste kommen Patienten mit eingeschränkten Organfunktionen, bei denen alle Therapiemöglichkeiten gescheitert sind. Massgeblich für die Rangliste sind die Dringlichkeit, der medizinische Nutzen sowie die bisherige Wartezeit – Kriterien, die sich von Organ zu Organ unterscheiden und von einem Computerprogramm errechnet werden. Die Wartezeit kann zwischen wenigen Tagen und mehreren Jahren liegen.

Wer kann Organe spenden?

Grundsätzlich kann jeder zum Organspender werden – die untere Altersgrenze liegt aus ethischen und medizinischen Gründen bei 28 Tagen, eine fixe Obergrenze gibt es nicht. Eine Spendekarte können Jugendliche ab 16 Jahren ausfüllen, davor entscheiden im Todesfall die Eltern als nächste Angehörige.

Vor einer Entnahme werden der Gesundheitszustand, die Funktionsfähigkeit sowie die Eignung der einzelnen Organe geprüft. Selbst bei Krankheiten kann oft ein Teil der Organe gespendet werden. Gänzlich von einer Organspende ausgeschlossen sind Patienten mit bösartigen Tumoren, Prionenerkrankungen (z.B. Creutzfeldt-Jakob-Krankheit) sowie nicht behandelbaren Blutvergiftungen.

Welche Organe werden in der Schweiz transplantiert?

In der Schweiz können Bauchspeicheldrüse, Dünndarm, Herz, Leber, Lunge und Niere gespendet werden. Da eine Transplantation technisch sowie medizinisch sehr kompliziert ist, müssen die sechs Transplantationsspitäler (die Universitätsspitäler in Genf, Lausanne, Bern, St.Gallen, Basel und Zürich) eine Bewilligung für jedes Organ einholen. In Basel und St. Gallen werden beispielsweise nur Nieren transplantiert, in Zürich alle sechs Organe.

Wie lange sind Organe haltbar und was kostet eine Transplantation?

Quelle: Swisstransplant /
Wann werden Organe entnommen?

Abgesehen von der Niere und einem Teil der Leber dürfen Organe erst nach Feststellen des Hirntods entnommen werden. Dieser wird anhand von mehreren Kriterien durch zwei Ärzte diagnostiziert, die unabhängig vom Transplantationsteam arbeiten. Mehr Infos: medizinisch-ethische Richtlinien bei der Organentnahme.

Das Schweizer Transplantationsgesetz basiert auf der erweiterten Zustimmungslösung. Das bedeutet, dass Organe nur mit explizitem Einverständnis entnommen werden dürfen. Die Entscheidung für oder gegen eine Organspende wird in keinem Register festgehalten. So fehlt auch die Sicherheit, dass der Wunsch des Verstorbenen berücksichtigt wird. Ist der Wille des Verstorbenen nicht bekannt, entscheiden die nächsten Angehörigen. Ebenfalls diesem Prinzip folgen beispielsweise Deutschland, Holland oder Grossbritannien. In anderen Ländern wie Spanien oder Frankreich gilt die Widerspruchslösung: Äussern sich Bürgerinnen und Bürger zu Lebzeiten nicht gegen eine Transplantation, gelten sie im Todesfall automatisch als mögliche Organspender. Dennoch wird das Gespräch mit den Angehörigen gesucht, denn letztendlich geht es immer um den Willen des Verstorbenen.

Wie äussere ich meinen Willen?

Füllen Sie eine Organspende-Karte aus und tragen Sie diese beispielsweise im Portemonnaie bei sich. Darauf können Sie festlegen, ob Sie alle Organe, nur einzelne oder gar keine spenden möchten. Daneben sollten Sie unbedingt Ihre Angehörigen informieren, da diese im Todesfall konsultiert werden. Auf der Spendekarte kann ebenfalls vermerkt werden, ob eine Vertrauensperson für Sie entscheiden soll.

 

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