«Ach, was für ein süsser Hund!» Entzückt streichelt Brigitte S. den Dackel ihrer Freundin. Doch der ist nicht ebenso entzückt und schnappt zu. Die scharfen Zähne des Tiers hinterlassen eine blutende, schmerzende Wunde.

Nach dem ersten Schreck überlegt Brigitte S., ob sie zum Arzt gehen soll. So schlimm sieht die Verletzung ja eigentlich nicht aus, aber wer weiss, was der Vierbeiner so alles im Maul gehabt hat? Seufzend entschliesst sich Brigitte S. zu einem Arztbesuch.

Vorsicht bei Tier- und Menschenbissen

«Eine richtige Entscheidung», bestätigt Urs Lüscher, Spezialist für Handchirurgie am Bethesda Spital in Basel. «Bisswunden müssen immer schnell vom Arzt versorgt werden.» Warum? Alle Tiere beherbergen in ihrem Maul Bakterien. Das ist normal und kein Grund zur Besorgnis. Geraten diese Keime jedoch durch einen Biss in die Wunde, können sie zu schweren, im Extremfall tödlichen Infektionen führen. Noch gefährlicher als Tierbisse sind Verletzungen durch menschliche Zähne.

Infektionsgefahr droht grundsätzlich bei jeder äusserlichen Verletzung. Alltagswunden wie Schnitte in den Fingern oder aufgeschürfte Knie verheilen zwar meistens ohne Komplikationen. Dennoch sollte man die Selbstheilungskräfte des Körpers nicht überschätzen. Nicht wenige Wunden, die zunächst unversorgt bleiben, werden später zum Ausgangspunkt einer schweren Infektion. Deshalb gilt: safety first. Auch bei unscheinbaren Wunden ist das Vermeiden einer Infektion oberstes Gebot.

Schnittwunden ausbluten lassen

Was ist zu tun, damit kleine Verletzungen ohne grosse Folgen abheilen? Nicht allzu stark blutende Wunden, insbesondere Schnittwunden, lässt man zunächst bluten, damit das Blut Schmutz und allfällige Krankheitserreger hinausschwemmt.

Bei gesunden Menschen stoppt die Blutung in der Regel nach zwei bis drei Minuten. Die flüssigen Gerinnungsbestandteile des Bluts verkleben die Wunde, und die Blutplättchen bilden einen Schorf, der die Wunde abdichtet. Niemals sollte man eine Wunde mit dem Mund «aussaugen», wie es manche Mütter bei ihren Kindern machen. Denn der Speichel enthält gerinnungshemmende Bestandteile, die die Wunde länger bluten lassen. Ausserdem gelangen mit dem Speichel nachträglich Krankheitskeime in die Wunde.

Schürfwunden unters kalte Wasser

Schürfwunden bluten meist weniger stark, dafür sind sie häufig verschmutzt. Unsaubere Wunden spült man unter kühlem, fliessendem Trinkwasser ab. «Für eine gründlichere Wundreinigung kann man die Wunde ruhig mit Grossmutters guter alter Schmierseife auswaschen», empfiehlt Urs Lüscher. Parfümierte Seifen eignen sich nicht, weil die darin enthaltenen Duftstoffe die Wunde reizen.

Grössere Schmutzpartikel oder kleine Steinchen lassen sich auch mit Mulltupfern oder mit einem sauberen, unbenutzten Schminkschwämmchen entfernen. Gänzlich ungeeignet zur Wundreinigung oder als Wundauflage sind Watte oder Zellstoff, denn sie fusseln und verkleben mit der Wunde.

Nach dem Reinigen heisst es desinfizieren. Werden Tupfer oder Schwämmchen vor der Wundreinigung mit einem Desinfektionsmittel getränkt, schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe. Alkoholische Desinfektionsmittel haben – im Gegensatz zu wässrigen – die unangenehme Eigenschaft, in der Wunde zu brennen. Dafür töten sie die Keime wirksamer ab. Ist kein Desinfektionsmittel zur Hand, kann man notfalls auch klare Hochprozentige wie Wodka zu Hilfe nehmen.

Warum die Wundstarrkrampf-Impfung so wichtig ist

Trotz sorgfältigem Reinigen und Desinfizieren besteht auch heute noch die Gefahr, an Wundstarrkrampf (Tetanus) zu erkranken – besonders bei Verletzungen, die man sich im Garten oder im Wald zugezogen hat. Wenn Erde, Staub, Tiermist oder Rost eine tiefe Wunde verunreinigen, ist das Risiko besonders hoch, weil sich Tetanusbakterien ohne Sauerstoff besonders gut vermehren.

Einen wirksamen Schutz vor Tetanus bieten nur regelmässige Schutzimpfungen Impfstoffe Kleiner Stich mit grosser Wirkung . Zwar werden in der Schweiz alle Säuglinge gegen Tetanus geimpft, der Schutz hält jedoch nicht lebenslang an. Deshalb muss die Impfung in Abständen von fünf Jahren wiederholt werden. Erwachsene vergessen diese Erneuerungsimpfungen allerdings gern. Dabei garantiert nur ein vollständiger Impfschutz, dass man bei Verletzungen im Freien nichts befürchten muss.

Wann man bei Schnittwunden zum Arzt gehen sollte

Im Gegensatz zu kleinen Schnittwunden müssen tiefe und klaffende Schnittwunden vom Arzt versorgt werden, und zwar spätestens sechs Stunden nach der Verletzung. Nur innerhalb dieser Frist kann der Arzt die Wunde sofort nähen. Liegt die Verletzung länger zurück, ist lediglich eine «offene» Behandlung möglich. Erst Tage später wird die Wunde genäht.

«Manche Menschen gehen selbst dann nicht sofort zum Arzt, wenn zum Beispiel bei einer Handverletzung schon Sehnen oder Knochen zu sehen sind», berichtet Urs Lüscher über falsch verstandenes Heldentum. Vertrauen in die Selbstheilungskräfte des Körpers ist zwar gut, Kontrolle aber sicher besser.

Wissen, was dem Körper guttut.
«Wissen, was dem Körper guttut.»
Chantal Hebeisen, Redaktorin
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