Soziale Phobie zählt zu den drei häufigsten Störungen der Psyche. Wer darunter leidet, durchlebt Qualen, wenn er sich unter Menschen mischen muss. Die Stimme zittert, die Hände flattern, das Herz klopft bis zum Hals, der Körper ist bachnass. Hinzu wächst die Beklemmung, dass alle sogleich mitbekommen, wie elend man sich fühlt. Das Leiden sei leicht zu therapieren, versprechen Fachleute. Aber für viele Betroffene ist das ein schwacher Trost. Zu hoch erscheint ihnen die Hemmschwelle, beim Therapeuten anzuklopfen und ihm die Nöte zu schildern. Viele verzichten deshalb auf Hilfe.

Hilfe übers Internet: Bei Krisen untauglich

Genau um jene Menschen zu erreichen, entwickelte Thomas Berger, Psychologe an der Universität Bern, eine Therapie, die sich aufs Internet stützt. Und tatsächlich: Drei von zehn Teilnehmern gaben an, sie hätten ohne Internet keinen Therapeuten aufgesucht. Weitere drei von zehn wollen die Online-Behandlung als ersten Schritt nutzen, um später vielleicht doch eine herkömmliche Therapie zu beginnen.

«Bei fast allen Angststörungen zeigen Online-Therapien hohe Erfolgsquoten», sagt Berger. Studien hätten gezeigt, dass 60 Prozent der Patienten geheilt werden konnten. Die Hilfe übers Internet sei damit ähnlich wirksam wie eine Therapie von Angesicht zu Angesicht. Voraussetzung sei, dass sich Patienten regelmässig mit einem Therapeuten austauschen, beispielsweise einmal pro Woche per E-Mail. Von Selbsthilfe ohne Betreuung rät Berger ab, unter anderem weil es viel Überwindung koste, die vorgeschlagenen Übungen ohne den Rat einer Fachperson in Angriff zu nehmen. Entsprechend hoch sei die Quote der Abbrecher und relativ gering der Nutzen.

Von Therapeuten begleitete Angebote aber, bei denen die Behandlungsschritte festgelegt sind, seien empfehlenswert. Sie basieren meistens auf der kognitiven Verhaltenstherapie. Patienten lernen dabei, sich selbst umzupolen: Sie gewöhnen sich bestimmte Verhaltensweisen wieder ab. Der Ansatz sei auch wirksam bei Schlafproblemen und Zwangsstörungen, sagt Berger.

Online-Therapien können aber nicht alles: Kriseninterventionen sind unmöglich. Das ist der Grund, warum Menschen mit schweren Depressionen, Psychosen oder akuten Suizidgedanken nach wie vor auf ambulante Hilfe oder Kliniken angewiesen sind. Bei der Therapie via Computer bleiben nonverbale Signale zudem unberücksichtigt. Sie wären aber wichtig für eine umfassende Diagnose. Nur schriftlich zu kommunizieren kann ausserdem leicht zu Missverständnissen führen.

Plattformen mit Werbung meiden

Nicht alle Angebote im Internet taugen etwas. Die Föderation der Schweizer Psychologinnen und Psychologen (FSP) hat deshalb Qualitätskriterien für Online-Therapien ausgearbeitet. Plattformen, die die geforderten Kriterien erfüllen, dürfen das FSP-Logo tragen. Zu den Standards, die Betreiber solcher Seiten erfüllen müssen, gehören eine offiziell anerkannte Psychotherapieausbildung, mindestens zehn Jahre Berufspraxis sowie eine Fortbildung in Online-Beratung. Anbieter sollten darüber hinaus die Kosten klar ausweisen, erläutern, wie sie es mit dem Datenschutz halten, und sagen, wann Interessierte mit einer Antwort rechnen können.

Als grundsätzlich seriös gelten die Angebote für Teilnehmer kostenloser Forschungsprojekte von Universitäten – auch weil diese von Ethikkommissionen begutachtet wurden. Von Plattformen, auf denen Werbung geschaltet ist, rät Psychologe Thomas Berger ab.

Ob Online-Therapien ein Nischenprodukt bleiben, ist offen. Es komme darauf an, ob Krankenkassen das Sparpotential erkennen und das Angebot in die Grundversicherung aufnehmen, sagt Herbert Kubat, Geschäftsleiter der ersten Schweizer Psychologen-Plattform www.psy-help-online.ch. Ratsuchende können dort gegen Bezahlung eine Ferntherapie mit Psychologen aus mehreren Fachrichtungen vereinbaren – per E-Mail, in Chats oder via Skype.

Grundsätzlich komme das Angebot bei Patienten gut an, bekräftigt Kubat. Auch weil sie frei entscheiden können, wann sie sich einwählen wollen, wo sie es tun und ob sie mit ihren Angaben lieber anonym bleiben. Viele aber würden die Behandlung nach wenigen Sitzungen wieder abbrechen, weil sie alles aus eigener Tasche bezahlen müssten.

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