«Wieso kaufst du dir eigentlich nicht mal ein Haustier, das nicht kaputt ist?», fragte sie. Mein pikierter Blick fand im Gesichtsausdruck der Sprechenden keine Häme: Meine Bekannte meinte das offenbar nicht wertend. Gut für sie. Und ja, ok: Zwei meiner fünf Katzen sind körperlich etwas herausgefordert – der einen fehlt ein Auge, der anderen ein Bein. Und meine dritte ehemalige spanische Strassenkatze kann man ungelogen als ausgesprochen exzentrische Persönlichkeit bezeichnen. Die beiden Kater wiederum sind so alt, dass ich mich nicht wundern würde, fielen sie auf dem Weg zum Futternapf demnächst einfach auseinander. Aber was heisst denn hier «kaputt»?

Meine Bekannte streichelte gerade den 21-jährigen Sahib, als sie bemerkte: «Und schön sind sie ja auch nicht gerade…» So, jetzt aber! Ich nehme ihr meinen unschönen Kater weg. Zugegeben, der alte Mann zeichnet sich durch einen recht gewagten Haarschnitt aus: Sein Pelz ist etwas – sehr – verfilzt, zumal er sich nicht mehr selber putzen kann. Und Bürsten hasst er so sehr, dass er mich jeweils krankenhausreif beisst, wenn ich damit nur schon in seine Nähe komme. Aber rausschneiden geht. Darum sieht er aus wie eine explodierte Fellmütze. Das ist aber nicht «nicht schön», sondern bedarf halt des geübten Auges, um darüber hinwegzusehen.

Und ja, auch richtig: Als der liebe Gott schmeichelhafte Proportionen, gerade Beine und gut sortierte Gebisseinheiten verteilte, muss meine Katze Mogwai tief geschlafen haben. Und dann verlor sie aufgrund der misslichen Lebensumstände als Strassenkatze auch noch ihr rechtes Auge. Mogwai ist alles in allem vielleicht ein bisschen schief, aber auch sehr tapfer. Und dankbar.

Sie ist so dankbar, dass sie an meinen Füssen klebt wie ein Schatten – weshalb ich andauernd über sie stolpere und uns beiden dabei fast das Genick breche. Sie ist so dankbar, dass sie auch nachts nicht von meiner Seite weicht, weshalb ich im Schlaf regelmässig mit dem Erstickungstod ringe, weil ich die Katze beinahe eingeatmet hätte, nachdem sie sich wiedermal quer über mein Gesicht gelegt hat. Diese kleinen Macken machen sie für mich schön. Wie alle meine fünf Katzen nicht zuletzt wegen ihrer mitunter bescheuerten Eigenarten wunderschön sind.

Optische Schönheit hingegen wird völlig überschätzt – Menschen sind ja auch die einzigen Lebewesen, die so viel Wert auf etwas ebenso Subjektives wie Vergängliches legen. Oder glauben Sie etwa, meine Katzen bleiben bei mir, weil ich so schön bin? Nein: Sie bleiben bei mir, weil sie nicht raus können.

Mogwai betrachtet alles mit einem Augenzwinkern.

Quelle: Artroup, Wikimedia

Launen der Natur

Das blinde Streben nach Schönheit kann sogar fatal sein: Würden zum Beispiel Beutelteufel, Truthähne oder Warzenschweine ihre Artgenossen nach ästhetischen Kriterien beurteilen, wären sie sehr wahrscheinlich längst ausgestorben.

In der Bildgalerie finden Sie ein paar schöne Beispiele von Geschöpfen, die unser Schönheitsempfinden herausfordern:

Quelle: Artroup, Wikimedia

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