Alle paar Jahre werden die Touristen am Mittelmeer vor Quallenplagen gewarnt. Im Juli 2013 überzogen angespülte Leuchtquallen die südspanischen Strände mit rosagelbem Glibber. Mallorca hat extra ein Überwachungsnetzwerk installiert, um Quallenschwärme bereits auf hoher See erkennen und abfischen zu können. Die meisten Quallen sind zwar für den Menschen harmlos, wegen der wenigen giftigen Arten haben sie aber einen ausgesprochen schlechten Ruf.

Das Wissen über die elegant im Wasser schwebenden Medusen ist immer noch lückenhaft. Bekannt ist: Ihr Körper besteht zu 98 Prozent aus Wasser, dazu ein wenig Eiweiss und Zucker. Sie haben weder Hirn noch Herz, und das Maul ist zugleich der After. Die Aussenhaut ihres gallertigen Körpers besteht aus nur einer Zellschicht, in der auch die Sinneszellen sitzen. Ihre gefürchteten Nesselzellen, die bei Schwimmern zu üblen Verletzungen führen können, gehören zu den kompliziertesten Zellen im Tierreich.

Ein schwer zu untersuchendes Objekt

Quallen zu fangen, ist alles andere als einfach. Mit herkömmlichen Netzen schneidet man sie in Stücke. Und will man grosse Exemplare aus dem Meer ziehen, sollte man bedenken, dass solch ein Tier ein Gewicht erreichen kann, das irgendwo zwischen Sumoringer und Kleinwagen liegt. Oft müssen Fischer ihre Netze opfern, wenn sich darin stattliche Exemplare von Wurzelmundquallen verfangen: Die erreichen einen Durchmesser von zwei Metern, und der Versuch, sie an Bord zu ziehen, kann ein Boot zum Kentern bringen. Forscher riskieren das nicht und «fesseln» die Quallen so gut wie möglich, um sie unter Wasser untersuchen zu können. Des Wasserdrucks in ihrem Innern beraubt, würden solche Riesen im Trockenen unter ihrem Eigengewicht kollabieren und schlicht zerreissen.

Weil die gallertartige Substanz von Quallen schlecht versteinert, gibt es nur wenige Fossilienfunde. Immerhin belegen sie, dass Quallen seit mindestens 670 Millionen Jahren existieren – also deutlich länger als Fische.

Nur schon über die Huhn-oder-Ei-Frage – sie lautet hier «Qualle oder Polyp?» – haben sich Generationen von Wissenschaftlern gestritten. Heute betrachtet man den Polypen als Grundform, aus dem die Qualle sich lediglich umformt und loslöst (siehe «Polypen und Medusen»).

Polypen und Medusen: So vermehren sich Nesseltiere

Was wir als Qualle oder Meduse bezeichnen, ist im Grunde ein Lebensstadium bestimmter Nesseltiere.

Über die Hälfte der weltweit 11'000 Nesseltierarten sind Blumentiere wie Seeanemonen und Korallen. Sie bleiben für immer im sogenannten Polypenstadium. Ein knappes Drittel der Nesseltiere machen die Hydrozoen aus, die meist ein Polypen- und ein Medusenstadium durchlaufen. Allerdings bemerken wir sie beim Schwimmen im Meer selten, da sie sehr klein und farblos sind.

Eine Ausnahme bilden die Staatsquallen wie die äusserst giftige Portugiesische Galeere. Dabei handelt es sich nicht um Individuen, sondern um eine Vielzahl von hochspezialisierten Einzelpolypen, die sich zusammenschliessen.

Auch die rund 130 eher harmlosen Scheiben- oder Schirmquallenarten und die 50 gefährlich giftigen Würfelquallenarten zählen zu den Nesseltieren. Typisch für sie ist der Generationswechsel, bei dem sich eine Larve als Polyp am Grund festsetzt und später – meist durch Abschnürung, seltener durch Metamorphose – freischwimmende Medusen bildet. Diese vermehren sich in der Regel geschlechtlich und zeugen neue Larven, die sich wiederum als Polypen festsetzen.

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Quallen haben einen komplexen Lebenszyklus. Die meisten vermehren sich geschlechtlich. Die Larven lassen sich als Polypen auf dem Meeresgrund nieder. Sind die Bedingungen günstig, können aus einem einzelnen Exemplar bis zu 20 Quallen entstehen; es teilt sich zu gegebener Zeit in flache Scheiben, sodass es einem Tellerstapel gleicht. Dann wird Scheibe für Scheibe abgeschnürt und schwimmt als Meduse davon. Sind die Zeiten dagegen schlechter, kann ein Polyp einfach weitere Polypen produzieren oder notfalls als verhärtete Zyste überdauern.

Auch Medusen sind hart im Nehmen. In üblen Zeiten reduzieren manche ihr Körpergewicht auf ein Prozent des ursprünglichen Gewichts und verdauen wenn nötig die eigenen Geschlechtsorgane. 

Wehe jedoch, die Zeiten werden besser! Dann entsteht aus den stoisch wartenden Polypen wie aus dem Nichts eine riesige Masse von Quallen. Etwa alle 20 Jahre führt diese «Quallenblüte» zu Schreckensmeldungen in den Zeitungen: Strände werden unbenutzbar, und meeresnahe Kernkraftwerke müssen abgeschaltet werden, weil ihre Kühlwasserversorgung kollabiert, wenn Tausende von Quallen die Zuleitung verstopfen.

Das Potenzial für unendliches Leben

Nicht nur in Sachen Zähigkeit und Masse, sondern auch in Bezug auf ihre Langlebigkeit sind Quallen etwas Besonderes. Es gibt sogar Hinweise darauf, dass manche im Prinzip ewig leben könnten. Zumindest bei der Art Turritopsis nutricula wurde nachgewiesen, dass sie sich einfach zur Verjüngungskur zu Boden sinken lässt, wenn ihre gealterten Zellen nicht mehr optimal arbeiten. Die spezialisierten Zellen büssen ihre Funktion ein. So bilden sich zum Beispiel Nervenzellen zu einer undifferenzierten Stammzelle zurück, aus der sich dann wieder jeder beliebige Zelltyp entwickeln kann.

Lange galten Quallen als miserable Schwimmer. Doch was ihnen an Schnelligkeit abgeht, machen sie durch Effizienz wett. Ihr Rückstossprinzip ist äusserst ökonomisch. Nur ein Fünftel des Vortriebs erfolgt durch die Kontraktion des Schirms. Während sich dieser wieder entspannt, bildet sich darunter ein ringförmiger Wasserwirbel, der für weiteren Schub sorgt. Eine vier Zentimeter grosse Qualle legt so mit einem durchschnittlichen Schwimmzug gut zwölf Zentimeter zurück − zehn davon, ohne aktiv Energie aufzuwenden. Die so wirksam eingesetzten Muskeln der Qualle machen nur ein Prozent ihrer Körpermasse aus. Zum Vergleich: Bei den Fischen ist es die Hälfte. Daher können Medusen mit wenig Energie und Nahrung auskommen und selbst übernutzte Ökosysteme erfolgreich besiedeln.

Dabei ist die Qualle als Jägerin nicht wirklich aktiv. Sie fängt nur, was sich in ihren Tentakeln verfängt. Dann aber schlagen ihre mikroskopisch kleinen Nesselzellen gnadenlos zu. Sie stehen unter dem gewaltigen Druck von 150 Bar. Das ist ein Druck, wie er in 1500 Metern Tiefe unter Wasser herrscht. In der Nesselzelle sitzt ein nach aussen ragender Auslösemechanismus. Wird er berührt, explodiert die Zelle und schleudert blitzartig einen giftigen Faden hinaus, der in den Körper der Beute eindringt. Die Beute wird gelähmt, und ihre Zellen werden zerstört.

Die Nesselfäden werden in weniger als einer Millionstelsekunde aus der Zelle hinauskatapultiert. Dabei beschleunigen sie so schnell wie eine Gewehrkugel. Das ist nötig, weil die praktisch masselosen Fäden den Panzer von winzigen Krebsen durchschlagen müssen, die zu den Leibspeisen der Quallen gehören. Grössere Quallen jagen sogar Fische. Die Entladung der Nesselzellen gehört zu den schnellsten Vorgängen im Tierreich. Sie ist nur möglich, weil die Giftschleudern sehr belastbar sind. Kein Wunder, interessieren sich mittlerweile Materialforscher für ihre Beschaffenheit.

Gefahr tödlicher Vergiftungen

Glücklicherweise gibt es nur wenige Quallen, deren Gift beim Menschen mehr als Juckreiz und Hautrötungen auslöst. Manche haben gar nur klebrige Tentakel, an denen winzige Beutetierchen haften bleiben. Aber: Der Kontakt mit einer Portugiesischen Galeere oder einer Seewespe, einer Würfelqualle mit 60 Tentakeln von bis zu drei Metern Länge, kann beim Menschen schwere Vergiftungen auslösen und sogar tödlich verlaufen. In Australien steckt niemand auch nur den kleinen Zeh ins Meer, wenn die Würfelquallen Saison haben, denn deren Gifte zählen zu den stärksten im Tierreich. Ganze Strände bleiben dann gesperrt. Selbst wenn keine Qualle in Sicht ist, kann das Wasser immer noch mit abgetrennten Tentakelstücken voller Nesselzellen verseucht sein.

Da vergisst man leicht, dass Quallen auch nützlich sind. Wie Mixer durchmischen sie die Ozeane, indem sie stets einen Teil des Wassers hinter sich herziehen, wenn sie sich scheinbar gemächlich bewegen. Wissenschaftler vermuten, dass die Meerestiere damit etwa dieselbe Leistung erzeugen wie Wind und Gezeiten zusammen.

Tote Quallen wirken als CO<sub>2</sub>-Speicher

Medusen spielen auch eine wichtige Rolle bei der Fähigkeit der Ozeane, Kohlendioxid (CO2) zu speichern. Immerhin rund ein Viertel des CO2, das durch den Menschen in die Atmosphäre gelangt, wird in den Weltmeeren gebunden. Dort wandeln Planktonorganismen einen Teil des CO2 mittels Photosynthese in Kohlenstoff um. Viele Quallenarten ernähren sich von diesem Plankton und speichern ihrerseits den Kohlenstoff. Nach ihrem Tod sinken Quallen so schnell in die Tiefe, dass der Zersetzungsprozess erst auf dem Meeresgrund beginnt. Mikrobieller Abbau setzt dort zwar wiederum CO2 frei, wegen des hohen Wasserdrucks bleibt der Stoff jedoch über Jahrtausende in der Tiefe gespeichert.

Erste Hilfe: Das nützt, wenns brennt

Wer sich beim Baden zu nah an Quallenarten mit Nesselfäden heranwagt, bezahlt diesen Kontakt mit brennenden Schmerzen und Hautrötungen. Am besten spült man die Stelle sofort mit Essig oder Meerwasser ab und bedeckt sie mit feuchtem Sand. Nach einigen Minuten von der benachbarten Sandburg eine Kinderschaufel leihen oder die Kreditkarte zücken, um alles abzuschaben. Dabei aber nicht zu fest drücken, damit nicht noch mehr Nesselzellen platzen.
Verletzungen durch die in europäischen Meeren verbreiteten Feuerquallen behandeln erfahrene Rettungsschwimmer mit Rasierschaum. Auf die betroffenen Stellen auftragen und trocknen lassen. Sobald der Schaum trocken ist, wie beschrieben abschaben. Danach die betroffenen Stellen kühlen. Bei starken Schmerzen sollte man den Arzt aufsuchen.
Keinesfalls darf man Süsswasser oder Alkohol zum Abspülen verwenden, denn dann würden auch die restlichen Nesselzellen platzen.