Sojaprodukte haben sich von ihrem Image als fader Fleischersatz längst erholt. War die «Wunderbohne» einst vor allem bei Vegetarierinnen und Vegetariern beliebt, ist sie heute fast in jedem Supermarkt zu finden – nicht nur in Form von Tofu. Sojabohnen werden zu Mehl und Pasta verarbeitet, aber auch zu Müesliflocken, Sojajoghurt und Sojamilch. Und Sojasauce zu Sushi oder Wok-Gemüse ist sowieso ein Muss.

Gepriesen wird die Sojabohne vor allem wegen ihrer Inhaltsstoffe – zum Beispiel wegen des hochwertigen Eiweisses, das kein Cholesterin und nur wenig gesättigte Fettsäuren enthält. Das ist gut für Herz und Kreislauf. Studien zufolge sind Sojaprodukte auch vorteilhaft für Diabetiker, denn sie können die Blutzuckerregulierung verbessern. Dank vielen Ballaststoffen bringen Sojagerichte ausserdem die Verdauung in Schwung und geben ein langanhaltendes Sättigungsgefühl. Selbst eine vorbeugende Wirkung gegen diverse Krebsarten wie Brust-, Darm-, Lungen- oder Prostatakrebs wird der Hülsenfrucht nachgesagt. Diese Vermutung kommt daher, dass in asiatischen Ländern, wo Soja ein wichtiger Bestandteil der Nahrung ist, Krebs viel seltener vorkommt als in der westlichen Welt.

Tatsächlich zeigen Studien, dass es für Männer Gründe gibt, zur Vorbeugung gegen Prostatakrebs hin und wieder das Steak durch einen Tofu-Burger zu ersetzen, und dass Frauen, die an Brustkrebs erkrankt sind, vermehrt Sojaprodukte essen sollten. Das erhöhe die Überlebens- und Heilungsrate deutlich. Die Wirksamkeit gegen Tumoren schreiben Wissenschaftler vor allem den Isoflavonen zu. Dabei handelt es sich um Pflanzenstoffe, die dem weiblichen Geschlechtshormon Östrogen ähneln, allerdings in ihrer Wirkung bedeutend schwächer sind, wie das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) mitteilt.

In der Regel unbedenklich

Wie bei vielen anderen Lebensmitteln gilt aber auch bei der «Wunderbohne» Soja der alte Grundsatz von Paracelsus: «Die Menge macht das Gift.» So hat zum Beispiel eine Studie der Universität Karlsruhe gezeigt, dass bei der Verdauung von Soja Zwischenprodukte entstehen, die krebserregenden Stoffen ähnlich sind.

Problematisch sind vor allem Isoflavon-Präparate – mit sojaähnlichen, aber künstlich hergestellten Isoflavonen angereicherte Nahrungsergänzungsmittel. Sie werden als Hormonersatz für Frauen in der Menopause angeboten. Isoflavone würden zum Risikofaktor, so das BfR, wenn man sie in isolierter oder angereicherter Form lange und in hoher Dosis einnehme. Denn im Körper reagieren die künstlichen Isoflavone anders als die natürlichen: Während Soja den Östrogenlevel im Blut senkt, wird dieser Effekt von künstlichen Isoflavonen nicht hervorgerufen. Mögliche Folgen: Die Funktion der Schilddrüse wird beeinträchtigt, und das Brustdrüsengewebe verändert sich. Das BfR schliesst sogar ein erhöhtes Brustkrebsrisiko im Zusammenhang mit Isoflavonen nicht aus.

Dennoch müsse man Sojaprodukte keineswegs ganz vom Speisezettel verbannen, sagt Marion Wäfler von der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung (SGE). «Der Genuss von Sojalebensmitteln ist in der Regel unbedenklich. Man kann sie durchaus ab und zu auf den Speiseplan nehmen.» Ebenso wie andere Lebensmittel habe allerdings auch Soja Inhaltsstoffe, die sich sowohl positiv als auch negativ auswirken können.

Allergiker müssen aufpassen

Die SGE rät deshalb zu einem massvollen Genuss von Sojaprodukten – etwa Tofu als Beilage zu einem Gemüsecurry. Als Faustregel gilt, nicht mehr als 60 bis 100 Gramm Soja pro Tag zu konsumieren. Eine ähnliche Empfehlung gibt das Bundesamt für Gesundheit ab: höchstens ein bis zwei Portionen täglich – als Anreicherung einer ohnehin vielseitigen Ernährung.

Aufpassen müssen jedoch Allergiker, denn Sojaspeisen können zu heftigen Reaktionen führen. Und was viele empfindliche Menschen auch nicht wissen: Manche Medikamente enthalten Sojaöl oder Sojaproteine. Das Spektrum der betroffenen Arzneimittel reicht von Narkosemitteln über Antibiotika und Psychopharmaka bis hin zu einfachen Schmerzmitteln.

Soja für Babys: Nur in Ausnahmefällen

«Soja ist keine Grundlage für Säuglingsnahrung», warnt Christian Kind, der Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie (SGP). Vor allem für frühgeborene und nierenkranke Babys sei Sojamilch ungeeignet, denn die darin enthaltenen Pflanzensäuren können die Aufnahme von Mineralstoffen im Darm behindern. Ausserdem gelten bei Babys die hormonähnlichen Isoflavone als problematisch: Sie stehen im Verdacht, die Entwicklung der Fruchtbarkeit und die Schilddrüsenfunktion zu stören. Säuglingsnahrung auf Sojabasis ist deshalb laut Christian Kind nur in Ausnahmefällen zu empfehlen – zum Beispiel wenn das Kind Milchzucker nicht verträgt. Reagiert das Baby jedoch allergisch auf Kuhmilch – also auf das Milcheiweiss –, sollte man ganz auf Sojamilch verzichten, denn Soja zählt zu den hochallergenen Lebensmitteln.