Die halbe Welt sucht nach den Milliarden von Putins Oligarchen. Verschiedene Länder stellen Villen sicher, blockieren Privatjets, beschlagnahmen Luxusjachten.

In der Schweiz ist alles etwas anders. Hier suchen die Behörden nicht aktiv nach Geldern und Villen, der Bundesrat entschied sich für eine Meldepflicht. Wer etwas von Vermögenswerten sanktionierter Personen weiss, muss das dem Staatssekretariat für Wirtschaft melden. Immerhin wurden so inzwischen über 7,5 Milliarden Franken blockiert.

Klingt gut, ist aber ein Klacks. In der Schweiz befinden sich russische Vermögen in der Höhe von 100 bis 300 Milliarden. Klar, nicht alle diese Gelder gehören sanktionierten Russen. Aber: Auch die nicht sanktionierten Oligarchen sollten erklären müssen, woher ihr schier unglaublicher Reichtum stammt. Stattdessen dürften sie weiterhin ruhig schlafen. Die Oligarchen können sich auf ein System stützen, von dem sie bisher profitiert haben und wohl auch weiterhin profitieren werden.

Dieses System heisst «wegschauen statt aufdecken». Eindrücklich demonstrierten dies National- und Ständerat vor genau einem Jahr. Damals wollte der Bundesrat Anwälte, Treuhänder, Notare, Broker, Buchhalter und andere Berater immerhin einer Sorgfaltspflicht unterstellen. Damit hätten sie fragwürdige Geschäfte künftig ablehnen müssen. Doch das Parlament wollte nichts davon wissen und klammerte Anwälte und Treuhänder vom Geldwäschereigesetz aus.

Die Argumentation der Mehrheit war geradezu abenteuerlich. SVP-Sprecher Pirmin Schwander sagte damals: «Bei der Bekämpfung der Geldwäscherei ist die Schweiz weltweit vorne.» Das Gegenteil ist der Fall, wie das Beispiel der sanktionierten Oligarchen eindrucksvoll belegt.

Anonyme Gesellschaft

Die Blaupause, wie man in der Schweiz kriminelles Geld verstecken kann, geht so: Eine Person X will in Genf, Gstaad oder Zug eine Liegenschaft kaufen. Dafür gründet X mit einem Treuhänder oder einer Anwältin eine Firma. Im Handelsregister ist aber lediglich der Treuhänder oder die Anwältin aufgeführt.

Sinnbild für dieses Konstrukt ist der französische Ausdruck für Aktiengesellschaft: Société anonyme, anonyme Gesellschaft. Die Firma hat keine eigenen Büros in der Schweiz, Treuhänder sprechen von einer Domizilgesellschaft. Der Volksmund nennt sie Briefkastenfirma. Die neue Firma wird die Liegenschaft kaufen, der eigentliche Besitzer bleibt unerkannt.

Auffällige Einträge

Weder Treuhänder noch Anwälte machen sich mit solchen Geschäften strafbar. Zum einen, weil sie eben vom Gesetz ausgeklammert sind. Zum anderen, weil auch der Handel mit Immobilien und Kunst nicht dem Geldwäschereigesetz unterstellt ist.

Wer nicht glaubt, dass solche Konstrukte angewandt werden, kann zum Beispiel das Grundstücksverzeichnis des Kantons Bern konsultieren. Im Gstaader Nobelquartier Oberbort sind auffällig viele Grundstücke auf Firmen eingetragen. Dreimal darf man raten, wo diese Firmen ihren Sitz haben: bei Treuhändern. Sie dienen einzig der Verschleierung der Eigentumsverhältnisse.

Die internationalen Sanktionen gegen Oligarchen führen der Schweiz klarer denn je vor Augen, was Fachleute schon lange sagen: Kriminelle können sich auf Berufsleute stützen, die es ihnen ermöglichen, schmutziges Geld in den legalen Wirtschaftskreislauf zurückzuschleusen. Es gibt in der Schweiz eine eigentliche Szene dieser «Enabler», «Ermöglicher». Gemeint sind Anwälte, Treuhänder und andere Berater. Deshalb müssen auch sie dem Geldwäschereigesetz unterstellt werden. Wenn die Politik diesen Fehler nicht korrigiert, bleibt die Schweiz, wofür sie von korrupten Unternehmern seit Jahren geschätzt wird: ein Paradies.