Turnschuhe an, Sofatisch zur Seite, Laptop in Position – und schon ist man bereit fürs Training mit dem deutschen Promi-Fitnesscoach Steven Wilson. Etwa für die halbstündige Übungseinheit «Bauchfett-Killer». Dann erklärt Ernährungsspezialistin Christiane innerhalb von 2 Minuten und 34 Sekunden, auf welche Lebensmittel man in den nächsten zehn Wochen verzichten sollte, damit der Traumfigur nichts im Weg steht. 

Das elfseitige Ernährungskonzept lässt sich als PDF herunterladen, die Lebensmittelliste ebenfalls. Einige Stunden später flattert eine Motivationsmeldung in die Mailbox: Vivian zeigt Übungen für Beine und Po, und Romina erklärt, warum Proteine beim Abnehmen helfen. Die Digitalisierung hält auch in der Fitnessindustrie Einzug. Zahlreiche Online-Fitnessstudios und Trainings-Apps sollen helfen, Sport und gesunde Ernährung in den Alltag zu integrieren. Das Grundkonzept ist bei den meisten Anbietern ähnlich: Trainingswillige geben einige grundlegende Informationen wie Alter, Gewicht, Grösse und Ziel in ein Anmeldeformular ein, anschliessend wird ein entsprechendes Fitness- und Ernährungsprogramm vorgeschlagen oder man kann ein individuelles Programm zusammenstellen.

Dank ausführlichen Videoanleitungen kann man sich fortan die Fahrt ins überfüllte Fitnessstudio sparen und sich stattdessen zu Hause oder in der Natur verausgaben. Keine vergeudete Anfahrtszeit, keine fixen Kurszeiten, vergleichsweise geringe monatliche Kosten: Auf den ersten Blick erscheinen virtuelle Fitnesscoaches als echte Alternative zu den herkömmlichen Muckibuden.

Welche Plattform ist für wen geeignet?

Der Beobachter hat fünf virtuelle Fitness- und Ernährungsplattformen von Fachleuten testen lassen: Andreas Krebs vom Institut für Bewegungswissenschaften und Sport an der ETH Zürich und Wilma Schmid, Sporternährungsberaterin für die Sportmedizin Nottwil. Sie haben Fitnessvideos und Ernährungstipps unter die Lupe genommen, ausführlich analysiert und dann Schulnoten zwischen 1 und 6 vergeben (siehe Tabelle unten).

Sportexperte Andreas Krebs zieht eine positive Bilanz: «Alle getesteten Programme sind gut gemacht und bieten ansprechende Videos, die die jeweiligen Sportübungen verständlich erklären.» Er würde von keinem der getesteten Programme grundsätzlich abraten; dennoch sieht er riesige Unterschiede, was die jeweiligen Zielgruppen anbelangt.

Während der Durchschnittsbürger nach einer Trainingseinheit des Anbieters Freeletics wegen Muskelkater wohl drei Tage nicht mehr gehen könne, biete EBalance vergleichsweise niederschwellige Übungen, die für bestimmte Personengruppen wohl überhaupt keine Herausforderung seien.

Bei den Fitnessvideos von Newmoove fühlt sich der Fachmann 20 Jahre zurückversetzt: «Das Angebot ist stark Aerobic-lastig und spricht wahrscheinlich eher ein weibliches Publikum an. Muskelaufbau ist hier kaum ein Thema.»

Den besten Eindruck bekam Krebs vom Anbieter Gymondo: «Hier werden verschiedene Einstiegsniveaus angeboten, so dass für die meisten etwas dabei sein dürfte.»

Nichts ersetzt eine gewisse Disziplin

Ein anderes Bild erhielt Ernährungsexpertin Wilma Schmid bei der Prüfung der Websites. Drei von fünf Programmen fallen bei ihr durch und erhalten eine ungenügende Note. Problematisch findet sie vor allem, dass selbst für Personen mit Normalgewicht Programme empfohlen werden, die zu teils drastischem Gewichtsverlust führen sollen. Auch die Alltagstauglichkeit hinterfragt die Expertin: «Bei verschiedenen Anbietern ist alles auf einen schlankeren Körper ausgerichtet. Andere Bedürfnisse werden nicht berücksichtigt.» Einzig der Schweizer Anbieter EBalance konnte Schmid überzeugen: «Hier werden die persönlichen Umstände wie Berufstätigkeit und Familie berücksichtigt. Die fachlich fundierten Ernährungstipps stammen zudem von Fachleuten und basieren auf Empfehlungen der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung.» 

Trotz Unterschieden in der Angebotsqualität und den jeweiligen Zielgruppen kamen beide Experten zum Schluss, dass der elektronische Begleiter durchaus hilfreich sein und für zusätzliche Motivation sorgen kann. Doch selbst mit schicken Apps, hübschen Videos, praktischen Ernährungslisten und freundlichen Erinnerungsmails: Letztlich ist und bleibt es die Person vor dem – und nicht im – Computer, die den inneren Schweinehund überwinden und selber aktiv werden muss.

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