Das kann ja heiter werden: Als ich bei Benedict Freitag und Maria Becker in deren Haus in Zürich ankomme, schwingt sich der Sohn gerade auf die Vespa: «Nur schnell eine Flasche Wein posten» – und schon ist er weg.

So sitze ich mit der Mutter im Salon und nutze die Zeit, mit ihr über den Schauspielerberuf zu reden, für den sie offenbar nie eine grosse Leidenschaft entwickelt hat: «Schuld ist das Lampenfieber, denn vor jeder Vorstellung bin ich einen Tag lang halb krank.» Damit ist sie in guter Gesellschaft: Der italienische Tenor Enrico Caruso wollte hinter der Bühne stets einen Feuerwehrmann mit einem Eimer in seiner Nähe haben, damit er sich im Notfall hätte übergeben können.

Benedict Freitag ist zurück, und wir machen uns an die Arbeit. Das heisst: Er macht sich ans Werk. Noch selten hat sich in der Küche jemand so konsequent geweigert, meine Hilfe anzunehmen. Auch Maria Becker sitzt untätig am Tisch: «Ich würde es nicht wagen, meinem Sohn zur Hand zu gehen. Er ist einer der besten Köche, die ich kenne», versichert sie.

Erinnerungen an Freitags Zeit in Italien werden wach. Mit seiner früheren Frau Debbie lebte er in der Toskana, wo er sein Geld zeitweilig als Maurer verdiente und nebenbei die typische regionale Küche kennen lernte: «Während sich die anderen nach dem Essen ausruhten, wollte ich von der Köchin mehr über ihr Handwerk wissen.» Er verrät einen der wichtigsten Grundsätze der toskanischen Küche: «Per cucinare ci vuol tempo» – um zu kochen, braucht es Zeit; man lege Wert auf wenige Zutaten und kleine Hitze. Genau so werde er nun die Pastavorspeise und das Voressen (Spezzatino) zubereiten.

Theater als Familienunternehmen
Dazwischen erzählt seine 85-jährige Mutter von den Anfängen ihrer Karriere im Zürcher Schauspielhaus während der Kriegsjahre. Augenzwinkernd rät sie mir, die Inhalte unserer Gespräche nicht zu vermischen: Das Ablöschen mit Weisswein gehöre zum Rezept, nicht zu ihren grössten Erfolgen. Maria Becker war ein fester Bestandteil der Zürcher Theaterszene und machte sich einen Namen mit dem Tourneetheater der «Schauspieltruppe Zürich», die sie mit ihrem Exmann Robert Freitag gegründet hatte.

Zu dieser Truppe stiess auch Benedict, obwohl er eigentlich nicht Schauspieler werden wollte. Er war mit 18 von zu Hause ausgezogen, reiste in die USA und nach Kanada, um dort das Leben der Indianer kennen zu lernen.

Die Küche, in der wir uns befinden, habe eine lange Geschichte, sagt Maria Becker. «An diesem Tisch wurde alles diskutiert: Die Stücke, die wir spielen wollten, die geplanten Tourneen, die Kollegen, die wir engagierten.» Benedict Freitag erinnert sich noch gut an die Zusammenkünfte am Familientisch: «Es gab kein anderes Thema als das Theater.»

Freitag ist mit den Steinpilzen beschäftigt, die er zur Vorspeise servieren wird: «Den Geschmack der Pilze sollte man nicht überdecken. Darum vorsichtig würzen und weder Zwiebeln noch Tomatensauce dazugeben.»

Mutter und Sohn treten oft und gern gemeinsam auf. Eben waren sie mit dem Stück «Der Vater» von August Strindberg auf Tournee, und schon proben sie für die nächste Produktion: «Im Nebel» von Grazia Meier, die am 6. Januar im Zürcher Theater Stadelhofen Premiere hat. Notabene unter der Regie von Robert Freitag.

Auch Maria Becker hat mit den Jahren Freude an der Regiearbeit bekommen. In ihrer letzten Inszenierung brachte sie «Jedermann» von Hugo von Hofmannsthal als Open-Air in den Zürcher Rieterpark – mit von der Partie waren Mathias Gnädinger, Hans Schenker, Isabelle von Siebenthal und Nena. Mit der deutschen Sängerin war Benedict Freitag vor Jahren liiert, die beiden sind Eltern von heute 15-jährigen Zwillingen.

Dass Maria Beckers Zeit am Zürcher Schauspielhaus wohl endgültig abgelaufen ist, hat mit ihren Vorstellungen von gutem Theater zu tun. Ihr Credo weiche zu sehr ab von jenem einiger neuer Regisseure. «Theater sollte zum Nachdenken anregen, muss aber immer auch unterhalten. Deswegen spiele ich am liebsten Stücke, in denen das Publikum lachen kann.»

Benedict Freitag ist nach einer längeren Odyssee 2001 in die Schweiz zurückgekehrt. Seither lebt der 53-Jährige wieder in Zürich, wo es ihm so gut gefällt, dass er aus dem Schwärmen nicht mehr herauskommt. Zur hiesigen Schauspielszene gehört er aber (noch) nicht, auch wenn er kürzlich im Kinofilm «Snow White» als Vater der Hauptfigur zu sehen war.

Das reichhaltige Mittagessen ist typisch für einen Schauspieler, mindestens für Benedict Freitag: «Da ich am Abend weder vor noch nach der Vorstellung viel esse, ist das meine Hauptmahlzeit.» Das Spezzatino schmeckt, der Chianti aus der Korbflasche ebenso. Genau so stelle ich mir das Essen in der Toskana vor – bevors weitergeht mit der Maurerarbeit.

«Pasta ai funghi porcini» mit «Spezzatino toscano»

Zutaten für 4 Personen:

  • 50 Gramm getrocknete Steinpilze, gehackt,
  • Peterli und Knoblauch, gehackt,
  • 1 Esslöffel Butter,
  • 1 Esslöffel Olivenöl,
  • Meersalz, Pfeffer, Parmesan


Zubereitung: Die gehackten Pilze in warmem Wasser 20 Minuten aufweichen, danach abtropfen lassen. Extra fein gehackten Knoblauch und Peterli zirka drei Minuten piano andünsten, die abgetropften Steinpilze dazugeben, dann heiss drehen. Wenig Weisswein verdunsten lassen, vom abgetropften Wasser ab und zu beigeben, bei niedrigster Flamme gedeckt zehn Minuten blubbern lassen. Mit wenig Salz und Pfeffer abschmecken und mit Peterli garnieren.

SPEZZATINO TOSCANO

Zutaten für 4 Personen:

  • 600 Gramm Rindsvoressen, nicht zu mager;
  • Suppengemüse: wenig Stangensellerie, 2 Rüebli, 1 grosse Zwiebel,
  • 1 Hand voll Peterli,
  • 1 Knoblauchzehe,
  • 1 Schote Peperoncino,
  • 1 Lorbeerblatt,
  • 1 kleiner Zweig Rosmarin,
  • 1 Deziliter Weisswein,
  • Meersalz, Pfeffer


Zubereitung: Das Gemüse grob zerkleinern, Knoblauch zum Schälen mit der Breitseite eines grossen Messers flach drücken. Das Fleisch in einem mittleren Topf fast goldbraun anbraten und herausnehmen. In den gleichen Topf einen Esslöffel Olivenöl geben und die Zwiebel bei mittlerer Hitze glasig andünsten. Knoblauch und Gemüse dazugeben und bei voller Hitze wenden. Das Fleisch, Rosmarin, Lorbeer, Salz und Pfeffer beigeben, mit einem guten Schluck Weisswein ablöschen, bei kleiner Flamme eine Stunde köcheln lassen. Mit Salz, Pfeffer und Olivenöl abschmecken.