Immer mehr Sozialhilfebezüger müssen mit immer weniger Geld für die Miete auskommen. Manche Gemeinden begründen die Senkungen mit den tieferen Hypothekarzinsen, die auch günstigere Mieten zur Folge hätten. So korrigierte die Stadt Biel auf Anfang Februar in 1300 Fällen die Beiträge nach unten. Andere Gemeinden rechtfertigten die Kürzungen mit dem Kampf gegen Mietabzocker, die überteuerte Wohnungen an Randständige vermieten. Zum Beispiel die Stadt Opfikon ZH, die auf Anfang Jahr tiefere Mietzinslimiten festlegte.

«Armutsbetroffene verdrängen»

Was plausibel erscheint, stösst zunehmend auf Kritik. Besonders die generelle Senkung um bis zu acht Prozent in der Stadt Biel. «Es geht hier nicht einfach um eine Anpassung der Beiträge an die Marktsituation. Vielmehr sollen Armutsbetroffene aus der Stadt verdrängt werden, damit eine andere Gemeinde für sie bezahlen muss», kritisiert Fritz Freuler, Bieler Stadtrat (GP) und Geschäftsführer des Vereins Casanostra, der Wohnungen an Bedürftige vermietet.

Überteuerten Wohnraum mit einer grundsätzlichen Senkung der Mietbeiträge zu bekämpfen ist auch aus Sicht der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (Skos) fragwürdig. «Besser ist es, im Einzelfall aktiv zu werden und eine Senkung beim Vermieter zu verlangen», sagt Felix Wolffers, Co-Präsident der Skos. Die Stadt Zürich etwa unterstützt Sozialhilfeempfänger, die gegen Mietabzocker juristisch vorgehen wollen. Die Mietzinslimiten hat sie dagegen nicht pauschal gesenkt. Lediglich für Wohnungen ohne eigene Küche, eigenes Bad oder WC gibt es etwas weniger Geld.

Die pauschalen Kürzungen der Stadt Biel sind brisant, weil sich die Stadt eigentlich für eine Koordination der Mietlimiten mit den Gemeinden in der Region einsetzt über den Verein Seeland.biel/bienne. In dessen Auftrag wurde auch eine Studie zum Thema erarbeitet, die im Ergebnis das isolierte Vorgehen der Stadt Biel kritisiert.

«Gemeinden sollten ihre Mietzinslimiten regional koordinieren.»

Felix Wolffers, Co-Präsident der Skos

Quelle: Béatrice Devénes/SKOS

Die Stadt hätte ihre Beiträge erhöhen müssen, wenn sie einem regional koordinierten Berechnungsmodell gerecht werden will. Gemäss der Studie reicht schon heute der Mietbeitrag für rund 30 Prozent der Sozialhilfebezüger in Biel nicht aus. Sie müssen einen Teil der Miete aus dem Grundbedarf ihrer Sozialhilfe berappen. Das Studienergebnis sorgte für eine Debatte über die angemessene Berechnung von Mietzinslimiten, in die sich auch die Skos einbringt.

«Gemeinden sollten ihre Limiten regional koordinieren, damit Sozialhilfebezüger nicht über den Mietbeitrag aus einzelnen Gemeinden verdrängt oder von anderen angezogen werden», sagt Felix Wolffers. Die Mietpreislimiten müssten darum den realen Mietverhältnissen in einer Gemeinde gerecht werden, damit Betroffene auch wirklich eine Wohnung finden können.

Den Mietabzockern ausgeliefert

Dass der reale Mietmarkt nicht einfach mit der Entwicklung des Referenzzinssatzes einhergeht, zeigen diverse Untersuchungen. So werden Mietzinssenkungen oft nicht weitergegeben, Sozialhilfebezüger müssten diese dann selber einfordern. Dafür bräuchten aber viele die Unterstützung der Gemeinde. Zudem wird günstiger Wohnraum durch wertvermehrende Investitionen teurer, gegen die sich Mieter kaum wehren können.

Damit sich Gemeinden bei der Berechnung von angemessenen Mietzinslimiten möglichst einig werden, will die Skos unterstützend mitwirken. «Wir sind daran, ein solches Angebot für die Gemeinden aufzubauen», sagt Skos-Co-Präsident Felix Wolffers.