Als Martin Baumgartner* in seiner Mietwohnung das erste Mal ein Loch in die Wand bohrte, wurde er stutzig. Feiner, pechschwarzer Staub rieselte heraus. Er hatte zu diesem Thema in deutschen Medien alarmierende Artikel gelesen. Nun regte sich ein Verdacht: War das etwa Schlacke – jenes versteckte alte Baumaterial, stark schwermetallhaltig und entsprechend tückisch, wenn man bei Renovationen zufällig darauf stösst?

Besorgt wandte sich der zweifache Familienvater an den Hausverwalter, einen Architekten im Ruhestand. Der verwarf die Hände, als er vom schwarzen Staub hörte. «Ja, das könnte Schlacke sein», sagte er. «Das wäre allerdings überhaupt nicht gut.»

Ein Abfallprodukt der Schwerindustrie

Schlacke ist ein Abfallprodukt aus der Metall- und Kohleindustrie. Im zürcherischen Schlieren etwa fiel es im dortigen Gaswerk bei der Gaserzeugung aus Kohle an. Es handelt sich meist um eine keramikartige, bröselige schwarze Masse, kann aber unterschiedlichster Zusammensetzung sein.

Problematisch an dem Material ist, dass es je nach Herkunft schwach bis stark radioaktiv ist und dass es einen sehr hohen Gehalt an Schwermetall aufweist. Zudem kann Schlacke mit Teerbestandteilen verseucht sein, die allenfalls polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe aussondern. Diese sind unter Umständen krebserregend. Schlacke wurde im späten 19. Jahrhundert und bis weit ins 20. Jahrhundert im Hausbau eingesetzt – also auch in der Zeit um 1920, als Martin Baumgartners Wohnhaus in der Stadt Zürich gebaut wurde. Allerdings wurde der Stoff weniger als Baumaterial für die Mauern gebraucht, sondern als Füllmaterial für die Holzböden, wo es als Dämmung und Schallschutz diente. Bei Holzhäusern füllte man mit dem giftigen Material manchmal auch die Zwischenräume der Holzwände.

Widersprüchliche Expertenmeinungen und hohe Kosten

 

Nachdem Baumgartner das erfahren hatte, interessierte er sich nicht mehr für die Mauer – dafür umso mehr für den Boden seiner Wohnung: An einer unauffälligen Stelle entfernte er ein paar Parkettbrettchen. Auch hier fand sich schwarzes, krümeliges Material, das fast nur Schlacke sein konnte. Was tun, um sich und die Familie nicht zu gefährden?

Die Antworten der unabhängigen Baubiologen, die Martin Baumgartner kontaktierte, waren widersprüchlich. Der erste riet ihm, Radioaktivitätsmessungen durchführen zu lassen. Zudem solle er das Material auf Schwermetalle analysieren lassen. Kostenpunkt: 150 Franken für die Messungen sowie rund 500 Franken pro Analyse einer einzigen Probe – da würde sich schnell einiges zusammenläppern. Experte zwei empfahl, nur die Radioaktivität zu messen – das Schwermetall sei weniger ein Problem. Und ein dritter Fachmann schliesslich riet – oh Wunder: überhaupt nichts zu unternehmen. Auch die Radioaktivität sei in der Schweiz kein Thema.

Was stimmt? Daniel Dauwalder vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) gibt grundsätzlich Entwarnung. «Zwar enthält Schlacke etliche problematische Stoffe», sagt er. «Aber die bekannten Verwendungen in Gebäuden führen nur selten zu Belastungen des Innenraums.» Einzig bei der Sanierung der Böden sei Vorsicht angesagt, da die Bauarbeiter den giftigen Stäuben ausgesetzt sein könnten. «Ein Staubschutz sollte jedoch ausreichen», sagt Dauwalder.

Kein teurer Baubiologe notwendig

Papa Baumgartner entschied sich, das Parkett wieder zu schliessen, ohne das Füllmaterial analysieren zu lassen. Auch die Wand liess er Wand sein. Allerdings liess er einen Fachmann kommen, um die Radioaktivität zu messen. Dazu brauchte es keinen teuren Baubiologen – Radioaktivitätsmessungen sind in der Stadt Zürich nämlich kostenlos. Der Mann des städtischen Gesundheitsschutzes hielt bei seinem kurzen Besuch einen Geigerzähler an den Boden, die Wände und die Decke. Das Gerät zeigte überall bloss die übliche Hintergrundstrahlung an.

So können die Baumgartners wieder beruhigt schlafen. Ihre wichtigste Erkenntnis: Einige Baubiologen dramatisieren wohl ein wenig, damit sie teure Messungen durchführen können. Beim nächsten Problem wende er sich jedenfals als Erstes an eine Fachstelle der Gemeinde oder des Kantons.

Schlacke im Haus: Tipps, was man tun sollte
  • Ist die Schlacke im Boden gut eingeschlossen, ist sie kaum ein Gesundheitsrisiko. Wer trotzdem wissen möchte, ob der Boden des Altbaus Schlacke enthält, kann Radioaktivitätsmessungen veranlassen, da das Material oft etwas strahlt. Am besten wendet man sich zuerst an die Gemeinde (Gesundheitsschutz); Messungen sind mancherorts kostenlos. Sonst führen auch Baubiologen Messungen durch (Dauer rund eine halbe Stunde).
  • Nur wenn die Radioaktivität tatsächlich stark erhöht ist, sollte man sich zusammen mit einem Fachmann Gedanken darüber machen, ob die Böden saniert werden müssen. Dabei wird die Schlacke aus dem Boden geholt und durch ein problemloseres Dämmmaterial ersetzt.
  • Vorsicht ist bei einer Sanierung des Bodens angebracht: Atmen Sie den Staub der Schlacke nicht ein! Tragen Sie auf jeden Fall einen Staubschutz, am besten eine Feinstaubmaske.
  • Entsorgt werden muss Schlacke und anderer Bauschutt über spezialisierte Entsorgungsfirmen.