Der Garten ist gross und Elsbeth Stoiber nicht mehr die Jüngste. 2500 Quadratmeter liegen um ihr Mietshäuschen in Langnau am Albis ZH. Ein Paradies voller historischer Rosen, seltener Gehölze und Stauden. Und die Gärtnerin ist stattliche 88 Jahre alt. «Der Garten tut mir gut, körperlich wie geistig», sagt sie.

Was Elsbeth Stoiber feststellt, gilt wissenschaftlich als erwiesen. «Viele Studien zeigen, dass ein Garten und Gartenarbeit gesund sind», bestätigt Renata Schneiter, Dozentin für Botanik an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften und Präsidentin der Schweizerischen Gesellschaft für Gartentherapie. «Gartenarbeit reduziert nachweisbar Stress, reguliert den Blutdruck und kurbelt den Kreislauf an.» Letzteres führe zu einer gesunden Müdigkeit und zu tiefem Schlaf. Die Arbeit mit Pflanzen mache die Menschen weniger schmerzempfindlich sowie zufrieden und ausgeglichen. Diese Wirkung äussere sich bei allen – unabhängig vom Alter.

Nicht warten, bis man nicht mehr mag

Fachleute raten deshalb, möglichst lange am Gärtnern festzuhalten – aber auch dazu, den grünen Umschwung den körperlichen Grenzen anzupassen. «Oft melden sich die Leute erst, wenn sie bereits überfordert sind», sagt Gartenbaulehrer Paul Stalder aus Hondrich BE , der telefonische Gartenberatungen anbietet. «Sie sind frustriert und traurig, dass sie nicht mehr die gleiche Leistung erbringen können.» Im Gespräch versuche er herauszufinden, wo die grössten Hindernisse stehen und wie man diese wegräumen könne.

Auch die alleinstehende Elsbeth Stoiber musste sich eines Tages eingestehen, dass sie dank guter Gesundheit zwar nach wie vor das Wesentliche selbst erledigen kann, aber für schwere Verrichtungen auf fremde Hilfe angewiesen ist: «Ich war um die 80 Jahre alt, als ich anfing, für anstrengende Arbeiten jemanden zu fragen – wie das Umschichten des Komposts oder das Zusammentragen des Schnittguts.» Auf den Körper Rücksicht zu nehmen sei das oberste Gebot, wenn man lange gärtnern wolle. «Ich trage stets ein Halstuch und nehme mir nach anstrengenden Tagen Zeit für ein heisses Bad.» Ihre robuste Gesundheit hat es bis heute zugelassen, dass Elsbeth Stoiber den Garten in seiner ursprünglichen Form beibehalten konnte.

Die Lösung heisst: Beete anpassen

Doch wie sich die körperliche Verfassung im Alter entwickelt, lässt sich nicht voraussagen. Darum raten Gartentherapeutin Renata Schneiter und Gartenexperte Paul Stalder, sich früh genug mit möglichen Veränderungen auseinanderzusetzen. «Hilfreich ist eine Prioritätenliste», sagt Schneiter. Dabei notiere man, worauf man im Garten auf keinen Fall verzichten möchte, was man grundsätzlich gerne behalten würde, aber eventuell verkleinern könnte, und welche Bereiche einem weniger wichtig sind. «Das Umfeld kann bei diesem Prozess eine wichtige Rolle spielen», erklärt Schneiter. «Familie und Freunde können ältere Menschen, die ihre Grenzen selber noch nicht erkennen, sanft darauf aufmerksam machen, geduldig die Entscheidungsphase begleiten und sie auf dem neu eingeschlagenen Weg unterstützen.»

«Umgestaltungen im Garten fallen einem leichter, wenn man sie früh einplant», sagt der ehemalige Landschaftsarchitekt Hugo Baumann, 68, aus Wattenwil BE. Er ist erst nach der Pensionierung aufs Land gezogen und hat die 1000 Quadratmeter grosse Umgebung so angelegt, dass er mit bescheidenem Aufwand verschiedene Bereiche seiner Gesundheit anpassen könnte: Die 14 Gemüsebeete liegen beispielsweise am Rand des Grundstücks und könnten einem Nachbarn abgetreten werden. Und der mit einjährigen Blumen bepflanzte Vorplatz liesse sich zu einem Spielplatz für die Enkel umfunktionieren. «Weil ich weiss, dass bereits Lösungen bestehen, schaue ich dem fortschreitenden Alter gelassen entgegen», sagt Baumann.

Ein wichtiger Schritt auf der Suche nach Lösungen kann ein spezieller Gartenkurs für Senioren sein. Dort werden Ratschläge für die Anpassung eines Gartens erteilt. Etwa schmale, unebene Gartenwege so zu verbreitern, dass sie mit dem Rollstuhl oder Rollator passierbar sind. Der Wegbelag sollte aus rutschfesten und nicht grell reflektierenden Materialien bestehen, da die Pupillen im Alter langsamer reagieren und Helligkeitsunterschiede schlechter wahrnehmbar sind. «Für Leute mit einem Garten am Hang stellt sich die Frage, ob und welche Form von Terrassierung möglich ist», sagt Gartenexperte Paul Stalder, der entsprechende Kurse anbietet.

Pflegeleichte Polsternelken statt Tagetes

Neben baulichen Massnahmen ist die Bepflanzung ein zentraler Punkt. «Rabatten, in die jedes Jahr selbstgezogene Tagetes, Löwenmäulchen und Zinnien gesetzt werden, baut man besser zu pflegeleichten Staudenbeeten um», erklärt Stalder. Statt Tagetes wähle man Polsternelken, statt Löwenmäulchen Bartfaden oder Kaschmirminze und statt Mädchenauge mehrjährige Rudbeckien. Auch der hohe Phlox wächst jedes Jahr ohne viel Zutun und bringt erfrischende Farben in den Garten.

Damit es weniger zu jäten gibt, rät Stalder zu Bodendeckern wie Thymian und Oregano. Rabatten mit viel Unkrautwuchs können dichter bepflanzt und so pflegeleichter gemacht werden. «Für den Gemüsebereich empfehle ich einfache Kulturen wie Kartoffeln oder Mais.» Auf unbenutzte Beete könne Gründüngung gesät werden, etwa die hübsche, lila blühende Phacelia – die Bienen wirds freuen.

Ein Gärtner lässt das Pflanzen nicht

Manchmal fehlt es, so die Experten, trotz Lösungen an der Bereitschaft. Insbesondere, wenn das Lebenswerk Garten durch die Anpassungen stark verändert würde. «Es braucht eine gewisse Offenheit und Mut», sagt Renata Schneiter von der Gesellschaft Gartentherapie. «Doch es lohnt sich, damit der Garten längerfristig ein Quell der Lust bleibt und nicht zur Last wird.»

Denn wer wartet und sich körperlich so lange überfordert, bis es nicht mehr geht, erreicht rascher den Punkt, an dem er einen Schlussstrich ziehen muss. Stalder erinnert sich an Leute, die alles aufgaben und in eine Wohnung mit Balkon zogen. In der Regel folge einem solchen Schnitt ein Zwischenjahr, in dem die Leute nichts mit Garten zu tun haben möchten. «Danach beginnen sie wieder zu gärtnern, auf dem Balkon und mit den bestehenden Möglichkeiten», sagt Paul Stalder. «Denn ohne Pflanzen fehlt ihnen etwas.»

Damit das Aussäen in Rillen im Frühling leichter geht und man nicht zu lange am Beet kniet, stellt man vorgängig Saatbänder selber her. So geht es:

Toilettenpapier in 5 Zentimeter breite Streifen schneiden.

Quelle: Sonja Ruckstuhl

1 Esslöffel Maizena mit wenig kaltem Wasser anrühren. Mit 2,5 Dezilitern Wasser in eine Pfanne geben.

Quelle: Sonja Ruckstuhl

Bei mittlerer Hitze langsam aufkochen, bis die Masse gelartig geworden ist. Abkühlen lassen.

Quelle: Sonja Ruckstuhl

Die Masse mit einem Pinsel auf die Papierstreifen streichen.

Quelle: Sonja Ruckstuhl

Die Spitze eines Essstäbchens eintauchen und Samenkorn für Samenkorn im richtigen Abstand aufs Papier kleben.

Quelle: Sonja Ruckstuhl

Die Streifen trocknen lassen, aufrollen und in einem Plastiksack aufbewahren.

Quelle: Sonja Ruckstuhl

Zur Pflanzzeit die Saatbänder in die Rille legen, angiessen und mit Erde bedecken.

Quelle: Sonja Ruckstuhl

Aus Patty Cassidy: «Entspanntes Gärtnern für Senioren. Wie man sich im Alter sein grünes Paradies erhält»; Verlag Ulmer, 2012, 256 Seiten, CHF 42.90


  • Tröpfchenbewässerung für Gärten mit vielen Töpfen installieren.

  • Hochbeete für Gemüsekulturen aufstellen.

  • Im Frühling sanft beginnen und die Arbeit im Garten erst nach und nach ausdehnen.

  • Aufwärmübungen machen.

  • Kniekissen oder Knieschoner verwenden.

  • Einen Sonnenschutz tragen.

  • Die Griffe von Gartenwerkzeugen polstern – etwa mit Rohrisolation aus Schaumstoff vom Baumarkt.

  • Statt eines Spatens eine zweizackige Rosengabel zum Lockern des Bodens verwenden


  • Telefonische Beratung: Gartenberatungen bei Paul Stalder, jeweils Samstagmorgen, 10 bis 11 Uhr: Telefon 033 654 30 41 (kostenlos)

  • Kurse: Verband deutschschweizerischer Gartenbauvereine: www.vdgv.ch

  • Gartenhilfe: Verschiedene Pro-Senectute-Organisationen bieten Unterstützung für die Gartenarbeit (zum Beispiel in den Kantonen AG, BS, BL, LU). Bei der Suche nach individuellen Gartenhilfen kann man sich ebenfalls an die Pro Senectute wenden. Informationen unter www.pro-senectute.ch oder Telefon 044 283 89 89
  • Auf der Plattform «Betreut» können ebenfalls Gartenhilfen gesucht werden: www.betreut.ch

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Quelle: Beobachter Edition