Zwei Kolleginnen sitzen sich gegenüber. Anna erzählt sehr persönliche Geschichten. Lea möchte sich aber lieber auf die Arbeit konzentrieren und hat wegen des Geredes ein schlechtes Gewissen gegenüber dem Chef. Lea hört zwar zu, fühlt sich aber unwohl und leidet darunter, es allen recht machen zu wollen.
Wir verbringen viel Zeit mit Arbeitskollegen und möchten uns aufgehoben und wohl fühlen. Dazu braucht es ein gewisses Mass an Nähe. Allerdings sollte man abwägen, wie viel man wem preisgeben möchte und wo man sich mit Vorteil abgrenzt.
Es besteht die Gefahr, dass persönliche Informationen später zum eigenen Nachteil verwendet werden. So könnte Anna aufgrund ihrer Probleme als wenig belastbar angesehen werden, weshalb sie später keine anspruchsvolle Arbeit erhält.
Arbeitskollegen wie Lea hören oft nur aus Höflichkeit zu. Dabei wird das Zuhören zur Normalität und der Zuhörer unfreiwillig in die Rolle eines Seelsorgers versetzt.
Tipps: Private Gespräche am Arbeitsplatz
- Finden Sie heraus, welche Beziehung Ihr Gegenüber wünscht.
- Reagieren Sie, wenn Ihnen private Gespräche zu viel werden. Formulieren Sie Ihre Ablehnung freundlich, sachlich und zeitnah.
- Sagen Sie Ihrer Kollegin oder Ihrem Kollegen, dass Sie sich auf Ihre Arbeit konzentrieren müssen.
- Sind Ihnen die Anliegen trotzdem wichtig, können Sie anbieten, in der Freizeit das Gespräch weiterzuführen.
Erika meidet das gemeinsame Feierabendbier
. Sie befürchtet, dass dort nur getratscht wird. Mit der Zeit fragt niemand mehr, ob sie mitkommen wolle. Jetzt fühlt sie sich ausgegrenzt.
«Wer sich selber ausschliesst, läuft Gefahr, zum Ausgeschlossenen zu werden», sagt der Basler Arbeitspsychologe Michael Gschwind (siehe Interview «Bei Kollegen ist Grundvorsicht geboten» ). Wer sich bei sozialen Anlässen nicht zeigt, verpasst es, die Unternehmenskultur mitzuprägen. Gleichzeitig läuft man Gefahr, nicht richtig wahrgenommen zu werden, was zum Beispiel eine Beförderung verhindern könnte.
Negative Folgen hat nicht nur das Fehlen bei Firmenanlässen, sondern auch falsches Verhalten. Ein Du in der Firma zum Beispiel ist häufig nicht gleichzusetzen mit einem Du im Privatleben. Am Arbeitsplatz gelten höhere Anstandsregeln als im Privaten. Dazu gehört, dass man den Alkoholkonsum im Griff hat, nicht unnötig nörgelt oder über andere herzieht. Lästern ist aber nicht völlig zu verteufeln. «Tratschen verbindet», sagt Arbeitspsychologe Michael Gschwind. «Es hat eine Ventilfunktion und gehört zum Zusammenleben. Über andere zu reden macht Spass. Aufpassen muss man aber, dass Lästern nicht in Mobbing ausartet.»
Tipps: Verhalten an Betriebsanlässen
- Nutzen Sie Anlässe, um sich breit zu vernetzen. Reden Sie auch mit Leuten aus anderen Bereichen.
- Achten Sie darauf, dass Sie wahrgenommen werden . Werden Sie übersehen, gibt es Sie nicht.
- Seien Sie freundlich und respektvoll.
- Halten Sie sich mit Nörgeleien zurück. Sie machen sich damit unbeliebt.
- Wenn Sie neu sind im Betrieb, bleiben Sie zunächst in der beobachtenden Position. Studieren Sie die Betriebskultur sowie offizielle und versteckte Hierarchien.
Ivo erleidet einen Zusammenbruch. Der Psychiater diagnostiziert ein Burn-out und ordnet einen mehrmonatigen Klinikaufenthalt an. Das ist ihm unangenehm. Keiner im Geschäft soll es erfahren.
Erkrankte Mitarbeiter sind rechtlich nicht verpflichtet, dem Chef einen Befund bekannt zu geben. Es ist aber menschlich, wenn sich Kollegen und Vorgesetzte nach dem Absenzgrund und dem Befinden erkundigen. Wie reagieren Betroffene am besten? «Wünschen sie Anteilnahme, sollten sie die Diagnose nennen», rät der Arbeitspsychologe Gschwind. Bei körperlichen Leiden sei das relativ einfach. «Krebs etwa wird als schwerer Schicksalsschlag betrachtet. Dagegen werden psychische Erkrankungen leider immer noch als persönliche Schwäche wahrgenommen.»
Michael Gschwind rät psychisch Erkrankten, besser nichts offenzulegen. Und nur dann etwas zu sagen, wenn die Person wieder stabil ist oder wenn ein klar arbeitsfremder Grund vorliegt – zum Beispiel der Tod eines nahestehenden Menschen. Sinnvoll kann es sein, einen sozialverträglichen Grund anzugeben.
Tipps: Krankheit im Betrieb erwähnen?
- Teilen Sie eine Diagnose nicht vorschnell mit. Krankheit wird häufig als Schwäche wahrgenommen. Der Arbeitgeber könnte Sie schonen wollen oder Ihnen weniger zutrauen. Das kann Ihrer Karriere schaden.
- Bedenken Sie, dass der Arbeitgeber Sie aus Angst vor langer Absenz oder einem Rückfall nach Ablauf des Kündigungsschutzes entlassen könnte. Er braucht Ressourcen und will planen können.
Welche Loyalität darf der Arbeitgeber einfordern? Welche Rechte hat man, wenn man sich im Mitarbeitergespräch oder bei der Leistungsbeurteilung ungerecht behandelt fühlt? Darf der Chef private Mails mitlesen? Beobachter-Mitglieder wissen, welche Rechte und Pflichten im Arbeitsverhältnis gelten, und können sich wehren, wenn es die Situation erfordert.