Ein kleines Stück Freiheit: Das ist der Schulweg für viele Kinder. Praktisch die einzige Zeit, in der sie unbeaufsichtigt unterwegs sind. Das eröffnet ihnen ganz neue Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten. Das Kind kann zum ersten Mal Verantwortung für sich selbst übernehmen. Es muss entscheiden, ob, wann und wo es die Strasse überqueren kann oder ob Gefahr droht. Und es lernt, kleinere Konflikte mit den Gspänli selbst zu lösen.

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«Wenn Eltern kompetente Kinder wollen, dann sollen diese allein zur Schule gehen dürfen», betont Margrit Stamm, Aargauer Professorin für Erziehungswissenschaften. Zudem beugt das tägliche Fitnesstraining draussen Bewegungsmangel Übergewicht Kein Kind wird grundlos dick vor und hilft den Kindern, sich in der Schule besser zu konzentrieren. Laut Margrit Stamm zeigen Studien, dass Kinder den Schulweg gern und am liebsten selbständig zurücklegen.

Mit dem Postauto zur Schule

Dennoch tun sich viele Eltern schwer, das Kind allein auf den Weg zu schicken. Sie begleiten es – oder chauffieren es gar. 14 Prozent der Eltern fahren die Kinder mit dem Auto zur Schule, zeigt eine TCS-Studie von 2019.

Meret Massini aus Biezwil SO begleitet ihre vierjährige Tochter jeweils zur Bushaltestelle. Dort steigt die Kleine ins Postauto und fährt 20 Minuten zum Kindergarten. «Längerfristig wird meine Tochter den Weg allein machen. Im Moment ist sie aber noch zu jung, um die Hauptstrasse zu überqueren – es hat keinen Zebrastreifen. Sie kann auch nicht allein auf das Poschi warten», sagt Massini. Regelmässig kommt das Postauto zu spät. Dann warten die Kinder 10 bis 15 Minuten an der Haltestelle, die weder gut sichtbar noch klar beleuchtet ist. Für die Mutter ist es wichtig, dass eine erwachsene Person anwesend ist. Die Eltern wechseln sich dabei ab.

«Eltern sollen ihr Kind vor Lebens­gefahren schützen, aber nicht davor, ­Risiken einzugehen.»

Margrit Stamm, Professorin für Erziehungswissenschaften

Meret Massini stört, dass der Vorwurf «Helikoptereltern» Helikopter-Eltern Kinder unter der Käseglocke schnell kommt. «Die Kinder sind heute jünger, wenn sie in den Kindergarten gehen. Und der Verkehr nimmt immer weiter zu.»

Eine Studie von Margrit Stamm zeigt: Der Hauptgrund, weshalb Eltern ihre Kinder nicht allein losschicken, ist Angst. Angst, dass den Kindern auf dem Schulweg etwas passieren könnte. Aber: «Eltern sollen ihr Kind vor Lebensgefahren schützen, aber nicht davor, Risiken einzugehen und dabei negative Erfahrungen zu machen», sagt die Erziehungswissenschaftlerin.

Es ist daher wichtig, dass Schulen und Eltern am gleichen Strick ziehen und sich dafür einsetzen, dass die Wege sicher gestaltet werden (siehe Box «Wann ist ein Schulweg unzumutbar»). Und dass Eltern gemeinsam mit dem Kind darauf hinarbeiten, dass es den Weg schon bald allein zurücklegen kann.

3 Optionen für den Schulweg
  • Der Schulweg zu Fuss: Üben Sie den Weg mit dem Kind zusammen – vor allem das Überqueren von Strassen. Bedenken Sie, dass kleine Kinder Geschwindigkeiten noch nicht abschätzen können. Bringen Sie dem Kind bei, dass es die Strasse erst überqueren darf, wenn die Autos komplett stillstehen.
  • Der Schulweg mit dem Velo: Kinder ab ungefähr der vierten Klasse können einen längeren Schulweg in der Regel mit dem Velo zurücklegen. Kinder bis zwölf dürfen mit dem Velo auf dem Trottoir fahren Velo Kinder auf dem Fahrrad , wenn weder Veloweg noch Velostreifen vorhanden ist. Natürlich müssen sie vorsichtig fahren und den Fussgängern den Vortritt lassen. Achten Sie darauf, dass das Velo verkehrstauglich ausgestattet ist. Je sicherer das Kind fährt, umso besser – gemeinsame Ausflüge sind Gelegenheit zum Üben. Pro Velo Schweiz und TCS bieten zudem Velokurse für Kinder an.
  • Elterntaxi: Manchmal ist es praktisch, die Kinder mit dem Auto zur Schule zu fahren, weil man ohnehin unterwegs ist oder es in Strömen regnet. Allerdings finden immer mehr Eltern Gründe für solche Fahrten, und vor Schulhäusern kommt es zu gefährlichen Situationen. Beschränken Sie daher die Fahrten auf zwingend notwendige Ausnahmen.
Tipps für einen sicheren Schulweg
  • Sicherheit steht an erster Stelle: Klären Sie gemeinsam mit dem Kind, was der sicherste Weg zur Schule ist. Vielleicht ist es nicht der kürzeste.
  • Sichtbarkeit erhöht die Sicherheit: Mit reflektierenden Kleidern, Taschen und Rucksäcken wird das Kind eher gesehen.
  • Gefahren klären: Prüfen Sie mit dem Kind zusammen, wo es unterwegs besonders gut aufpassen muss.
  • Genügend Zeit erhöht die Sicherheit: Das Kind sollte nicht zur Schule rennen müssen.
Wann ist ein Schulweg zumutbar?

Die Schulen müssen sicherstellen, dass jedes Kind einen zumutbaren Schulweg hat. Dazu müssen folgende Faktoren berücksichtigt werden:

  • die Länge des Wegs
  • die Gefährlichkeit des Wegs
  • die Persönlichkeit des Kindes.


Das Bundesgericht hat 2019 festgehalten, dass ein Schulweg von 40 Minuten für ein Kind in der ersten Klasse zumutbar ist. Dabei müsse natürlich berücksichtigt werden, dass jüngere Kinder langsamer als Erwachsene unterwegs sind.

Ein Weg dürfe zudem nicht zu gefährlich sein. Die Schule muss prüfen, ob Trottoirs vorhanden sind und ob gefährliche oder stark befahrene Strassen überquert werden müssen.

Zu guter Letzt muss jeder Einzelfall angeschaut werden. Jedes Kind steht in seiner Entwicklung an einem anderen Punkt.

Falls der Schulweg für ein Kind unzumutbar ist, muss die Schule für Alternativen sorgen. Die Eltern können dabei nicht mitentscheiden. Folgendes kann die Schule etwa anbieten:

  • Kinder werden mit dem Schulbus gefahren.
  • Die Schule bezahlt den Transport im öffentlichen Verkehr. Kindergartenkinder können ihn allerdings noch nicht unbegleitet nutzen.
  • An gefährlichen Strassenüberquerungen wird ein Lotsendienst eingerichtet.
  • Die Schule organisiert einen begleiteten Pedibus: Die Kinder werden ganz oder teilweise von einer erwachsenen Person begleitet.
  • Die Kinder dürfen in der Schule essen (wenn die Mittagspause zu Hause kürzer als 40 Minuten wäre). Die Schule muss das nicht gratis anbieten. Das Bundesgericht hat festgehalten, dass ein Betrag bis fünf Franken angemessen ist.
Weiterführende Infos

Mehr zur Zumutbarkeit des Schulwegs finden Sie auf www.fussverkehr.ch.

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