«Von der ersten Sekunde an stempelten sie mich ab», sagt Andreas Walt. Sein Unmut ist hörbar.

Es geschah Ende Februar. Andreas Walt fuhr frühmorgens langsam auf einer Landstrasse in Spreitenbach AG. Mit suchendem Blick hielt er nach der Adresse seines Kunden Ausschau. Walt führt eine eigene Schlosserei. Er sollte an jenem Tag einen Auftrag für mehrere Tausend Franken entgegennehmen. Doch dazu kam es nicht.

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Alkoholisiert und methadonsüchtig?

Der 50-jährige Metallbauer ist eine auffällige Erscheinung. 1,90 Meter gross, die Arme volltätowiert. Seit einer Nervenentzündung im Rücken hinkt er leicht und ist unsicher zu Fuss. Doch eines stellt Walt klar: «Ich trinke nicht. Ich kiffe nicht. Ich rauche nicht einmal Zigaretten.»

Walt war mit seinem Lieferwagen unterwegs, als ihn die Polizei anhielt. Laut dem Handwerker folgte sogleich die erste Anschuldigung: «Der Beamte trat an mein Auto heran und sagte, ich sei betrunken.» Die Polizisten fordern einen Alkoholtest. Das Ergebnis: 0,0 Promille. 

«Prompt folgte der nächste Vorwurf: Ich sei im Methadonprogramm», erinnert sich Walt. «In ihren Augen war ich der typische Drögeler.» Walt musste einen Drogenschnelltest über sich ergehen lassen. Er fiel positiv aus, und zwar auf Cannabis.

Wie legal ist HHC?

Dazu muss man wissen: Walt hatte am Vorabend wegen seiner Rückenschmerzen eine Mikrodosis HHC inhaliert. HHC ist ein synthetisches Cannabisprodukt, genauer ein Cannabinoid. Es soll laut dem Handwerker eine beruhigende und schmerzlindernde Wirkung haben. Diese Wirkung spürte er am nächsten Morgen nicht mehr. 

Walt klärte die Polizei darüber auf. Daraufhin verordnete man in Absprache mit der Staatsanwaltschaft einen Urin- und einen Bluttest im Spital.

Oliver Bär, Leiter der zuständigen Regionalpolizei Wettingen-Limmattal, nimmt zum Fall schriftlich Stellung. Er könne Walts Unmut durchaus nachvollziehen. «Das Aussehen einer Person ist aber nie der alleinige Grund für eine Kontrolle», schreibt Bär. 

Ausschlaggebend für einen Drogentest sei immer eine Kombination von mehreren Faktoren. In Andreas Walts Fall seien das unter anderem sein Verhalten während der Kontrolle, Verdachtsmomente bezüglich Fahrunfähigkeit und die Aussage über seinen HHC-Konsum gewesen. 

Das entscheidende Testresultat

Als Walt nach den Drogentests um 16 Uhr das Spital verliess, erhielt er einen Anruf seines Kunden. Der zog den Auftrag zurück, den Walt am Morgen entgegennehmen sollte. «Ich verlor auf einen Schlag 10’000 Franken», sagt der Handwerker. Und nicht nur das: Fortan kämpfte er mit zwei Strafverfahren, die gegen ihn liefen. Die zur Last gelegten Tatbestände: Fahren unter Betäubungsmitteleinfluss und illegaler Drogenkonsum.

Nach zwei Monaten des Wartens folgte Ende April endlich die Auswertung des Spitals. Die Drogentests waren negativ, das Verfahren wurde eingestellt. Ende Juli fiel dann auch der zweite Strafbefehl weg: Wie Andreas Walt beweisen konnte, war der HHC-Konsum Ende Februar, als Walt kontrolliert wurde, noch legal. Erst Ende März kam HHC auf die Liste der verbotenen Betäubungsmittel

Adrian Schuler, Mediensprecher der Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau, erklärt auf Anfrage, die Liste werde halbjährlich ergänzt. «Zum Zeitpunkt der eigentlichen Kontrolle war die Substanz der gut informierten Polizistin zwar bereits bekannt, aber noch nicht offiziell als illegal geführt.» Als jedoch die Staatsanwaltschaft den Fall bearbeitete, galt HHC bereits als illegal, schreibt Schuler. So kam es zum Strafbefehl.

Der finanzielle Verlust bleibt

Eine Entschädigung für den verlorenen Auftrag und den Arbeitsausfall erhält der Handwerker nicht. Wie die Staatsanwaltschaft auf Anfrage schreibt, hätte Walt den Entscheid vors Obergericht ziehen müssen, um eine Genugtuung einzufordern. Das tat er nicht. Der Aufwand war ihm zu gross.

Schadenersatz hätte es wohl kaum gegeben, sagt Daniel Leiser, Rechtsberater beim Beobachter. «Die Behörden dürfen Drogentests anordnen, wenn eine Person ihnen auffällig erscheint.» Eine Entschädigung wären sie nur schuldig, wenn sich die Polizei dabei klar widerrechtlich verhalten hätte.

Für Andreas Walt ist der Fall damit abgeschlossen. Er wünscht sich nur, künftig ungestört seiner Arbeit nachgehen zu können, ohne angehalten zu werden. «Ich bin Handwerker, ich sehe nicht top gestylt aus. Das heisst aber noch lange nicht, dass ich Drogen konsumiere.»