Auf Schleuderkurs
Mit dem Fatbike den Berg runter – macht das wirklich Spass? Ein Selbstversuch.
Kennen Sie das Videospiel «Mario Kart»? Wenn man in der Kurve die L-Taste drückt und mit dem Mario-Mobil oder dem Peach-Töff über die Rennbahn driftet – ein bisschen so fühlt sich Fatbike-Fahren auf der Schneepiste an.
Für alle anderen: Man drückt die Hinterbremse durch, das Hinterrad blockiert, bricht aus und schlittert über den Schnee. Der Boden knirscht, der Schnee spritzt auf, ein breites Grinsen schleicht sich ins Gesicht.
Die Monstertrucks unter den Velos
Der Tag beginnt um halb zehn an der Talstation von Davos-Pischa. Die Berge weiss, der Himmel blau, die Sonne blendet durch die Brille. Einmal mit einem Fatbike in den Schnee? Ja wann, wenn nicht heute.
Fatbikes, das sind die Monstertrucks unter den Velos. Die mit den extra extradicken Reifen. Elegant wie ein Traktor. Mit ihnen kann man überall fahren. Weil ihre Pneus so massig sind, der Rahmen so robust ist. Weil sie sich jedem Gelände unterwerfen – und damit alles beherrschen, heisst es. Aber schaffen das auch Alltagsradler?
Zu viert stürzen wir uns ins Abenteuer. Mein Begleiter Jonas und ich, Fotograf Pascal und Zélie, eine junge Französin aus Zürich. Sie hat den gleichen Kurs gebucht. Als Einzige war sie schon einmal mit einem Velo im Schnee. In Kanada. «Es war anspruchsvoll, lustig und schön», sagt sie. Klingt vielversprechend.
Lieber die Seilbahn
Michi, unser Guide, drückt jedem ein Bike in die Hand. Mit der Seilbahn geht es hoch in Richtung Pischagrat. Ginge auch hochfahren? «Kannst du machen, dann sehen wir uns aber in drei Stunden wieder», sagt Michi. 18 Kilo bringen die fetten Velos auf die Waage, ein Stück mehr noch als ein schweres Mountainbike. Und trotz Traktorreifenprofil spulen auch sie irgendwann im Schnee, wenn es steil bergauf geht. «Fatbikes sind zum Runterfahren da», sagt Michi.
Oben dann Helm auf, Skibrille an und los. Wir pedalen auf der Piste, am Anfang ist sie noch ziemlich flach. Die Velos steuern sich leichter, als sie aussehen. «Der Schnee ist perfekt», sagt Daniela, die als zweiter Guide den Besenwagen macht. Die Piste ist hart, aber nicht eisig; körnig und griffig. Erst am Nachmittag werden wir erfahren, was für ein Glück wir heute Morgen haben.
Das Schwierige sind die Kurven. Mit der Vorderbremse das Tempo drosseln, hat Michi gesagt. Nach hinten lehnen, dann die Hinterbremse durchdrücken. Tatsächlich, mein Hinterrad schlittert aus, ein wenig nur, aber doch. Allein das Geräusch ist super. «Krrrrrrr» – Gummi auf Schnee.
Die zweite Kurve geht schon ein bisschen schneller … Da liege ich auf dem Boden. Weggerutscht, Balance verloren. Zum Glück fällt man nicht allzu hart. Nach der vierten Kurve und der ersten Traverse hat es uns alle mal erwischt. Aber alles noch dran, und die Bikes sind sowieso unverwüstlich. «Am Anfang gehört ein leichter Sturz dazu, auch damit man merkt, was es verträgt», sagt Michi. So kurven und schlittern, rutschen und fahren wir die Piste hinunter. Ab und zu zwar im Liegen. Das erste Fazit aber ist: Velo im Schnee, ja, das geht!
Wer hats erfunden?
Doch wie kommt man überhaupt auf so was? Fatbikes stammen aus Nordamerika. Die Weiten Kanadas sollen ihre Heimat sein. Wälder und Flussbette, Geröll, Schnee und Sand. Vor ein paar Jahren sah man sie plötzlich überall – heute bereits wieder nicht mehr.
«Es war ein Hype, doch dann hat man gemerkt: Ausser im Schnee braucht es sie nirgends», sagt Guide Michi. Auf allen anderen Unterlagen fahre es sich mit einem Mountainbike eher besser. Und auf Schneewegen oder Pisten fast ebenso gut. Nur für Tiefschnee seien die fetten Reifen wirklich nötig. Aber dafür ein Velo kaufen, wenn es im Unterland ohnehin kaum noch schneit? «Fatbikes mietet man am besten für einen Tag im Schnee», sagt Michi, der in Davos Dorf einen Veloladen führt und: Fatbikes vermietet.
Dazu kommt: Mit dem Velo auf der präparierten Schneepiste fahren und es mit auf die Bergbahn nehmen kann man nur in Davos-Pischa. In den allermeisten Skigebieten ist das im Winter verboten. Die kleine Schwester von Parsenn und Jakobshorn aber nennt sich seit ein paar Jahren alternatives Wintersportgebiet. Es gibt nur noch eine Seilbahn und zwei strassenbreite Pisten, der Rest ist Hang und Schnee – zur freien Verfügung. Schneeschuhwandern, Spazieren mit Hund, Tiefschneefahren, Schlitteln, Touren oder Velofahren, alles ist erlaubt, überall. Das einzige Gebot: Rücksichtnahme.
Michi gnadenlos
Fahrt Nummer zwei geht deshalb auf dem Winterwanderweg den Wald hinunter. Tatsächlich gibt nur ein einziges älteres Paar zu verstehen, dass es auf uns verzichten könnte. Auf dem schmalen Pfad, über vereiste Wurzeln und durch tief verschneite Gräben haben wir zu kämpfen. Jetzt braucht es die dicken Pneus, in denen nur wenig Luft drin ist. Sie geben Halt, wenn kein Halten mehr möglich scheint.
Dennoch kommen wir an unsere Grenzen. Jonas verschwindet im Tiefschnee, ich fast in einem nur dünn zugefrorenen Teich. Zélie erscheint plötzlich als Schneefrau. Und Fotograf Pascal trägt sein Rad schliesslich grimmig auf der Schulter runter. Michi kennt keine Gnade: «Normalerweise gehe ich mit Anfängern nicht neben die Piste, sonst werden sie sauer. Für eure Repo aber gehört das dazu.» Danke schön, sage ich. Pascal benutzt ein anderes Wort.
Uns zieht es zurück auf die Piste. Auf ihr rollt es sich deutlich leichter. Michi ist wieder nett. Er habe schon Kunden gehabt, mit denen sei er nach zwei Kurven zurück zur Seilbahnstation gelaufen. «Da machte es keinen Sinn.» Die meisten aber fänden wie wir den Dreh. Oft sei er mit Familien unterwegs, Mutter , Vater, Teenager. «Wer Velo fahren kann und ein bisschen mutig ist, kommt auf der Piste zurecht.»
Bald gehts nur noch abwärts
Am Nachmittag machen wir allein weiter, rauf und runter, Seilbahn sei Dank. Was ich mir von Zélie abschaue: auch mal auf dem Sattel sitzen bleiben und das Bein als Stütze einsetzen. Hilft beim Balancieren! Oder die Vorderbremse: Die Angst, vornüberzustürzen, ist bei diesen Reifen unbegründet. Darum: Mir gefallen die Dicken!
Trotzdem ist es irgendwann nur noch schwierig. Der Schnee ist sulzig geworden, wir fahren auf Seife. Zum Glück ist Fotograf Pascal schon gegangen. Doch auch wir sind jetzt müde. Ich spüre die Knie und auch die Schulter. Immer fällt man nicht weich. Fatbike-Fahren im Schnee ist eben doch kein Videogame.
1. Kleidung: Für eine Fatbike-Tour im Schnee braucht es Winterschuhe, Skihosen, Jacke, Ski-/Sonnenbrille, Handschuhe und einen Ski- oder Velohelm.
2. Achtung, anstrengend: Beim Bergauffahren kleine Gänge einlegen und möglichst immer im Sattel bleiben. Es gibt auch Elektro-Fatbikes.
3. Budget: Ein Fatbike zu mieten, kostet rund 40 bis 70 Franken pro Tag, zwei Stunden ab 25 Franken; inklusive Kurs mit Guide ab etwa 100 Franken.
4. Wo Fatbikes mieten, wo fahren: www.myswitzerland.com, Suchwort «Fatbiking»