Die Kinder zu Hause unterrichten?
In Pandemiezeiten liebäugeln viele Eltern mit dem Homeschooling. Erlaubt ist es nicht überall – und damit es gelingt, muss man vieles sehr gut planen.
Veröffentlicht am 14. Januar 2022 - 12:16 Uhr
Aktuell befällt das fiese Virus besonders gern die Kleinen. Das lähmt die Schulen immer mehr – und sorgt bei vielen Eltern für rote Köpfe .
Die einen ängstigen sich um die Gesundheit ihrer Familie und ärgern sich, dass die Massnahmen nicht verschärft werden. Anderen gehen die Massnahmen zu weit. Maskenpflicht für Primarschüler? Für einige Eltern schlicht nicht akzeptabel.
Warum also nicht die Kinder zu Hause behalten und auf Homeschooling umstellen? «Der Trend zum Homeschooling ist schon länger da. Die Pandemie hat ihn noch verstärkt», sagt Patrick Ziegler, Präsident des Vereins Bildung zu Hause. «Wir hatten zeitweise ein Vielfaches an Anfragen zum Thema.»
Familie Schmid* aus dem Kanton Zürich hat letztes Jahr die beiden 10- und 14-jährigen Söhne sechs Wochen lang zu Hause unterrichtet. «Das war lehrreich und spannend. Aber halt schon auch sehr intensiv», sagt Elena Schmid*. Neben Beruf und Haushalt war da plötzlich auch noch die Verantwortung für die Schulung der Kinder. «Ich habe mir sehr viele Gedanken gemacht, welche schulischen Inhalte ich den Kindern vermitteln soll. Und vor allem: Wie? Ich bin ja nicht als Lehrerin ausgebildet. Mein Respekt für Lehrpersonen ist in dieser Zeit nochmals stark gewachsen.»
Die Kinder haben die Zeit genossen. «Wir haben viel gelernt.» Unter anderem, selbständig und ausdauernd an einem Thema zu arbeiten . «Wir haben aber die Kolleginnen und Kollegen vermisst. Darum freuten wir uns doch darauf, wieder in die Schule zu gehen.»
Die Bilanz der Familie Schmid: Das Homeschooling war spannend – aber auch eine grosse Herausforderung. Eltern, die den Unterricht zu Hause ins Auge fassen, sollten sich folgende drei Fragen stellen.
Einen schweizweiten Anspruch auf Homeschooling gibt es nicht, hat das Bundesgericht 2019 entschieden. Die Kantone können aber Regeln festlegen, unter denen Homeschooling möglich ist. Privat unterrichtende Eltern müssen sich in jedem Fall an den kantonalen Lehrplan halten.
In den Kantonen Zug, Basel-Stadt und St. Gallen ist Homeschooling praktisch verboten, dort werden aktuell keine Kinder zu Hause unterrichtet. Andere Kantone erlauben es, wenn die unterrichtende Person ein Lehrdiplom hat. Etwa in Graubünden, dort werden aktuell 31 Kinder im Homeschooling unterrichtet.
Die Kantone Bern und Zürich sind da liberaler, dort dürfen auch Personen ohne Lehrpatent zu Hause unterrichten. In Bern sind es momentan 934 Kinder – ihre Eltern müssen sich von einer pädagogisch ausgebildeten Person anleiten lassen. In Zürich werden 536 Kinder zu Hause unterrichtet. Für Eltern ohne Lehrpatent ist das dort nur ein Jahr lang möglich. Dafür brauchen sie keine Bewilligung, sondern müssen das Homeschooling lediglich dem Volksschulamt melden. Zudem gibt es keine Mindestdauer für den Unterricht zu Hause.
In vielen Kantonen ist es hingegen nicht möglich, die Kinder nur kurzfristig zu Hause zu unterrichten. Das Homeschooling wird in diesen Fällen zu einem längerfristigen Projekt.
Beim Homeschooling übernehmen die Eltern die Verantwortung für die Bildung und Schulung ihrer Kinder vollumfänglich selber (siehe «Das kommt auf die Familie zu»). Sie werden dabei nicht von der öffentlichen Schule unterstützt oder angeleitet. Das ist gemäss Patrick Ziegler vom Verein Bildung zu Hause nicht allen Eltern klar: «Einige stellen sich darunter den Fernunterricht während des Lockdowns vor.»
Wer besorgt ist wegen der Corona-Situation an der Schule, kann das Gespräch mit der Schulleitung suchen. Vielleicht findet man gemeinsam zu einer pragmatischen Lösung, die für alle Beteiligten gut ist.
*Name geändert
- In vielen Kantonen muss das Homeschooling während mindestens eines Jahres stattfinden. Können und wollen Sie sich so lange so intensiv mit der Bildung der Kinder auseinandersetzen?
- Ein Elternteil wird sich vollumfänglich dem Unterricht widmen müssen, eine auswärtige Arbeit liegt nicht mehr drin. Können Sie das auf Dauer finanziell tragen?
- Sie sind praktisch ununterbrochen mit den Kindern zusammen: Geniessen Sie das oder ist das für Sie zu viel Nähe ?
- Die Vernetzung durch die Schule fällt weg: Wie und wo knüpfen Sie Kontakte? Wo können sich Ihre Kinder mit anderen Kindern treffen, sei es zum Spielen oder zum Lernen?
- Sie sind verantwortlich für die Bildung der Kinder: Nach welchen Grundsätzen wollen Sie unterrichten?
- Homeschooling ist in der Schweiz eine Randerscheinung: Wie gehen Sie damit um, dass Sie sich vor anderen Eltern immer wieder rechtfertigen zu müssen?
- Als Bildungsverantwortliche Ihrer Kinder werden Sie regelmässig von offiziellen Stellen kontrolliert: Sind Sie dazu bereit?
- Klären Sie die konkreten kantonalen Regeln ab und holen Sie notwendige Bewilligungen ein.
- Treffen Sie keine übereilten Entscheidungen.
- Behalten Sie das Kind nicht zu Hause, ohne es offiziell abzumelden. Sie riskieren eine Busse.
- Halten Sie an einem fixen Tagesablauf fest – aber nicht sklavisch.
- Vernetzen Sie sich mit anderen Familien, die ebenfalls zu Hause unterrichten. So sind Sie weniger isoliert – und Sie profitieren von den Erfahrungen anderer.
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