Ist er weniger gesund als gedacht?
Tee wärmt, weckt auf und gilt als äusserst gesund – zu Unrecht? Viele Tees enthalten eine bedenklich hohe Konzentration leberschädigender Substanzen. Grenzwerte gibt es keine, Kontrollen machen nur beschränkt Sinn.
aktualisiert am 10. Januar 2017 - 10:40 Uhr
Im Winter verringert sich das Durstgefühl und der Körper schwitzt weniger. Gleichzeitig verliert er über die Atmung aber Flüssigkeit und die Schleimhäute trocknen aus, weshalb eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr unerlässlich ist. Gerade in der Erkältungszeit tut Tee gut und wärmt von innen. Auch die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung (SGE) empfiehlt, die tägliche Flüssigkeitszufuhr von einem bis zwei Litern durch ungesüsste Getränke wie Wasser, Früchte- oder Kräutertee zu stillen. Wer keinen koffeinhaltigen Tee trinken möchte, greift oft auf den würzig-milden Rooibostee aus Südafrika zurück. Aber Achtung: Es ist nicht unbedingt gesund, mit einer Thermoskanne Tee in den Tag zu starten.
In einer aktuellen Studie untersuchte das Magazin «Gesundheitstipp» zwölf verschiedene Rooibos-Tees von Grossverteilern und Bioläden – und stiess in jedem der untersuchten Tees auf giftige Stoffe, sogenannte Pyrrolizidinalkaloide (PA). Diese werden von bestimmten Pflanzenarten natürlich gebildet, um Feinde abzuwehren. Beim Pflücken der Kräuter können PA-haltige Pflanzen zwischen die Ernte gelangen. Bei der Analyse orientierte sich der «Gesundheitstipp» an der Empfehlung des deutschen Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR), täglich nicht mehr als 0,42 Mikrogramm des Giftstoffes aufzunehmen. Einige der untersuchten Tees wiesen bedenklich hohe Konzentrationen auf, darunter:
- Rooibostee natur» Qualité & Prix von Coop: 0,76 Mikrogramm pro Tasse
- Natur Pure Bio-Rooibos Tee» von Spar: 0,72 Mikrogramm pro Tasse
- Rooibos Nature» von Jelmoli: 0,65 Mikrogramm pro Tasse
Die Empfehlung des BfR wäre so schon mit einer einzigen Tasse bei weitem überschritten. Die in den Lebensmitteln vorkommenden PA-Mengen können laut dem Institut «sowohl für Kinder als auch für Erwachsene bei längerer (chronischer) Aufnahme gesundheitlich bedenklich sein.» Es liegen nur wenige dokumentierte Erkrankungsfälle vor, meist handelt es sich aber um Leberschäden bei Menschen, die PA-kontaminiertes Getreide gegessen hatten.
Doch was ist eine «hohe Konzentration» und wie viel ist zu viel?
Laut BfR geht die PA-Aufnahme von Kindern vor allem auf Tees und Honig zurück. Gerade bei der Ernährung von Kleinkindern werden ungesüsste Tees als Alternative zu Wasser häufig empfohlen. Besonders problematisch wird ein intensiver Teekonsum bei älteren Kindern, die den Tee zusätzlich mit Honig süssen, denn auch dieser enthält Pyrrolizidinalkaloide. Da Kinder ein geringeres Körpergewicht haben als Erwachsene, verringert sich ihr Toleranzwert. Auch Schwangere und Stillende sollten sich beim Teekonsum etwas zurückhalten, bis Grenzwerte feststehen.
«Weder bei der Ernährung von Kindern noch Erwachsenen muss man übervorsichtig sein. Eine ausgewogene Ernährung – und die gilt auch für Getränke – ist aber zwingend nötig», hält Lucia Klauser vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) fest.
Genau hier liegt das Problem: Obwohl seit einiger Zeit bekannt ist, dass Pyrrolizidinalkaloide gesundheitlich bedenklich sind, existiert weder in der EU noch in der Schweiz ein Grenzwert, nach dem sich Unternehmen richten müssen. So darf selbst stark belasteter Tee ohne rechtliche Konsequenzen verkauft werden. Das BfR und die deutschen Verbraucherzentralen fordern zum Schutz der Konsumenten explizit eine rechtliche Regelung. Bis zur Umsetzung könnte es allerdings noch eine Weile dauern: «Wir haben momentan noch viele offene Fragen, welche die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) anhand einer grossen Studie zu beantworten versucht», so Lucia Klauser. Studien gestalten sich allerdings kompliziert, da sich nicht alle PA gleich gut im Körper nachweisen lassen.
Das macht es auch für die Unternehmen schwierig, die laut dem Schweizerischen BLV für die Selbstkontrolle ihrer Produkte verantwortlich sind. «Ohne Grenzwerte ist eine Selbstkontrolle kaum sinnvoll», erklärt Ursula Zybach, Präsidentin der Organisation Public Health Schweiz, welche die Anliegen von Fachleuten aus dem Bereich Gesundheit vertritt. «Der Nachweis auf PA ist relativ teuer und das Messresultat hat ohne Grenzwerte auch keine Auswirkungen.»
Lucia Klauser ist dennoch der Meinung, dass Unternehmen bestrebt sein sollten, PA-Konzentrationen so gering wie möglich zu halten: «Finden sich bei Stichproben erhöhte Werte, müssen Produzenten darauf aufmerksam gemacht werden.»
Migros will die Belastung durch PA laut Mediensprecherin Martina Bosshard soweit wie möglich reduzieren: «Erzeuger, Landwirte und Mitarbeiter werden vor Ort intensiv geschult, damit solche Kräuter sicher erkannt und entfernt werden können. Begleitend wird die Wirksamkeit der Schulungsmassnahmen durch den Lieferanten überprüft.» Auch die fertigen Produkte werden von Migros stichprobenartig überprüft.
Coop geht ähnlich vor, wie das Unternehmen einer Kundin erklärt: «Wir setzten uns zum Ziel, die PA-Gehalte in unseren Tees zu vermeiden beziehungsweise soweit wie möglich zu reduzieren. Deshalb verpflichteten wir unsere Teelieferanten zur Reduzierung der PA in den Teerohwaren.» Über die Analyseergebnisse des «Gesundheitstipps» zeigt sich das Unternehmen überrascht. Bei eigenen Messungen seien deutlich niedrigere PA-Werte ermittelt worden, die im intern gesetzten Toleranzbereich von 210 Mikrogramm pro Kilogramm liegen. Dieser orientiere sich an einer Empfehlung des Bundesinstituts für Risikowertung (BfR). «Der Rooibostee kann ohne gesundheitliche Bedenken konsumiert werden», so Loredana Sgroi vom Coop Kundendienst.
Da die PA-Konzentration in verschiedenen Tees, aber auch von Beutel zu Beutel unterschiedlich sein können, machen konkrete Empfehlungen momentan wenig Sinn. Werden erst einmal Grenzwerte festgelegt, soll dadurch garantiert werden, dass im Handel käufliche Tees grundsätzlich ungefährlich sind.
Bis es soweit ist, lohnt es sich, zwischen verschiedenen Teesorten zu wechseln, um einer einseitigen Belastung mit eventuell gesundheitsgefährdenden Stoffen vorzubeugen. «Zur Deckung des Flüssigkeitsbedarfs eignen sich Leitungs- oder Mineralwasser aber ohnehin besser», sagt Ursula Zybach, Präsidentin Public Health Schweiz.
Fragen und Antworten zu PA in Lebensmitteln: Merkblatt des BfR