Diesen Mann in Verlegenheit bringen? Eher fliesst Wasser bergauf, wird sich mancher denken. Und doch gehts. Man besuche Roger Schawinski zu Hause und spreche ihn auf seine Kochkünste an. Erstaunlich, wie einsilbig der sonst so wortgewandte Medienmann wird.

Da gibt es nichts zu beschönigen. Wenn Tochter Lea mit ihrem Vater allein zu Hause ist, gibts ausser Salat und Spiegeleier keine grosse Auswahl auf dem Menüplan. Den ehemaligen Radio-24-Piraten und Tele-Züri-Gründer kann man allenfalls als Küchengehilfen brauchen, der aufräumt und den Geschirrspüler füllt – oder einkauft. «Meine Frau drückt mir einen Einkaufszettel in die Hand, und ich gebe mir Mühe, das Richtige nach Hause zu bringen», sagt Schawinski. «Man will ja schliesslich nicht floppen.» Sollten Sie also Schawinski im Grossverteiler antreffen, dann behandeln Sie ihn bitte schonungsvoll: Er muss sich konzentrieren.

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Schawinski berücksichtigt auch gern den Lebensmittelladen im Quartier, obwohl es da teurer ist. Was das Essen kostet, weiss er nicht wirklich, ein Haushaltsbudget hat er nicht. Trotzdem beschleicht den millionenschweren Frührentner manchmal ein mulmiges Gefühl: «Ich gebe ständig Geld aus, aber es kommt nichts herein. Das bin ich nicht gewöhnt.» Da vergleicht er schon mal – und merkt, dass das Essen im Restaurant ungleich mehr kostet, als wenn die Frau zu Hause kocht.

Ich bin an einem sonnigen Morgen bei Schawinskis. Das Haus ist kleiner, als man es mir beschrieben hat. Die Villa im Landhausstil liegt versteckt hinter Bäumen und Büschen. Von der Wohnküche, in der ein grosser Esstisch steht, blickt man direkt in den Garten. Vor dem Fenster arbeitet ein Mann mit grüner Schürze. Schawinskis Angestellter? «Er arbeitet für uns, ist aber nicht unser Gärtner», präzisiert er.

Die Möglichkeit, von der Küche direkt in den Garten zu gelangen, gabs hier nicht immer. Das Personal der früheren

Besitzer musste die Speisen für die Herrschaften in einem dunklen Raum ohne Aussicht zubereiten. Heute ist die Küche ein wichtiger und zentraler Ort im Haus, wo auch Lea ihren festen Platz hat. An den Wänden hängen ihre Zeichnungen, und neben dem richtigen Herd steht ihre Spielzeugküche. Und überall Blumen, wundervolle Sträusse in prächtigen Vasen: Geschenke von Freunden, die am Wochenende bei den Schawinskis zu einer grossen Party eingeladen waren. Dem Gastgeber sind die Bouquets allerdings eher peinlich, er entschuldigt sich dafür.

Aus seinem letzten Buch «Das Ego-Projekt» weiss ich, dass Roger Schawinski 100 Jahre alt werden möchte. Deshalb versucht er, sich möglichst gesund zu ernähren. Er isst kein Fleisch (höchstens Fisch), trinkt wenig Alkohol (nur Rotwein) und informiert sich über die Zusammensetzung von Lebensmitteln und deren Wirkung auf seinen Körper. Ernährung als Pflichtübung unter Berücksichtigung von Geboten und Verboten? Der impulsive Journalist und nimmermüde Kämpfer – ein langweiliger Körnlipicker?

Nun, das Müesli der Marke «Schawi» lässt erahnen, dass Genuss für ihn trotz allem kein Fremdwort ist. Die Grundmischung hat er am Vortag mit Milch angemacht, «damit die Flocken in der Schüssel quellen und nicht im Bauch». Jetzt wird das Müesli veredelt. Es kommen Leinsamen dazu («für die Verdauung»), Kürbiskerne («gegen Prostatabeschwerden»), Weizenkleie («als Ballaststoffe»), Bananenstücke, Heidelbeeren und Milch.

Damit nicht genug. Neben der Schüssel stehen mehrere Pillengläser voller Vitamine. Auch sie gehören bei Schawinski zum Frühstück – genauso wie der chinesische Rauchtee.

Roger Schawinski beschäftigte sich nicht immer so intensiv mit dem Essen. Als Kind konnte man ihm bereits mit einem Riz Casimir grosse Freude bereiten. Ansonsten habe die Ernährung in seinem Elternhaus einen eher kleinen Stellenwert gehabt, sagt er. Seine Mutter sei keine begnadete Köchin gewesen, und kulinarische Höhenflüge liess das schmale Familienbudget ohnehin nicht zu.

Im Berufsleben, als er sich längst jede Extravaganz hätte leisten können, kam es vor, dass er das Essen vergass. Im TV-Studio konzentrierte er sich auf die Arbeit. Womit natürlich der Verdacht aufkommt, dass der knurrende Magen der Grund für seinen bisweilen knurrenden Interviewstil war. Die These wäre zu prüfen.

Seit dem Verkauf seiner TV- und Radiostation ist Roger Schawinski vermehrt zu Hause und schreibt. Sein neustes Werk ist soeben erschienen und heisst «TV Monopoly – Die Inside Story».

Eine Abrechnung mit der SRG? «Nein, einfach meine Sicht der Dinge. Könnte aber durchaus Ärger geben.» Was einige mit Bestimmtheit als Provokation sehen werden, sind für den ehemaligen Medienunternehmer «wichtige Hintergrundinformationen im Zusammenhang mit der Debatte um das neue Radio- und TV-Gesetz, die sonst nicht zugänglich wären». Doch seien wir ehrlich: Ein bisschen Wirbel hat noch keinem Buch geschadet.

Roger Schawinski erwacht plötzlich zu neuem Leben. Nach dem für den Medienprofi eher lauwarmen Thema Küche sind wir bei seinem Ressort angelangt. Doch kaum sind wir halbwegs in der Materie drin, springt er bereits wieder weiter. Er beschäftige sich nicht dauernd mit der aktuellen Schweizer Mediensituation, sagt er, sondern schreibe bereits am nächsten Buch. Wie bitte? Im Mai ein Buch, im November ein Buch – und das nächste schon in Sicht? Jetzt werde ich doch ein paar Vitamintabletten nehmen.