«Wie man in den Wald ruft, so schallt es heraus» – die Redensart bringt es auf den Punkt. Wer nett und freundlich ist, erhält eher positive Reaktionen von anderen. Harsches, unhöfliches oder brüskierendes Verhalten löst dagegen ebensolche Reaktionen aus. Was bedeutet das für Paare?

Beim Pendeln fällt mir immer wieder auf, wie unterschiedlich sich Paare am Bahnhof verabschieden. Jemand steigt aus, die andere Person bleibt sitzen und fährt weiter. Eine banale Szene. Zwei trennen sich für eine kurze Weile. Abends sehen sie sich vermutlich wieder. Beide gehen arbeiten.

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Und doch ist spannend, wie variantenreich die Verabschiedungen ausfallen. Einige blicken kurz auf, wenn die Ankündigung des Bahnhofs im Lautsprecher erfolgt, machen sich bereit, sagen trocken Tschüss, packen ihre Sachen und gehen. Andere legen bereits vorher die Zeitung oder das Handy zur Seite, wechseln ein paar Worte mit dem anderen, wünschen einen schönen Tag, bevor sie aussteigen.

Wieder andere halten und drücken sich, wenn die Trennung naht, nehmen Bezug auf ein bevorstehendes Ereignis, etwa ein wichtiges Gespräch, wünschen dem anderen viel Erfolg dabei und geben sich einen innigen Kuss. Und dann gibt es die Paare, die sich schon lange vor dem Halt bei den Händen halten, sich umarmen und küssen, die sich nach der Trennung durchs Fenster zuwinken und Handküsse zuwerfen.

Eine Beziehung verändert sich

Was auf den ersten Blick trivial erscheint, ist für den Verlauf einer Partnerschaft hoch bedeutsam. Studien zeigen, dass die wechselseitige Positivität im Lauf der Zeit abnimmt. Zu Beginn einer Beziehung drücken die Liebenden sehr viel mehr Zuneigung, Interesse und Verständnis aus, zeigen Offenheit, Toleranz und Grosszügigkeit. Und es findet mehr Körperkontakt statt, man streichelt sich, hält, umarmt und drückt sich, tauscht warme Blicke, Zärtlichkeiten und Küsse aus. Man hat häufig Sex.

Und nach ein paar Jahren?

«Wenn die eine Person in ihrer Positivität nachlässt, tut das auch bald die andere.»

Guy Bodenmann, Paartherapeut

Eine Frau erzählte mir mal: «Zu Beginn, wenn wir am See spazieren gingen und mich fröstelte, zog er seine Jacke aus, hüllte mich damit ein und umarmte mich, um mir warm zu geben. Heute, in derselben Situation, sagt er: Du wusstest, dass es kühl ist, hättest dich wärmer anziehen sollen, ich will mich nicht erkälten, nimm selber eine Jacke mit.»

Das ist mehr als nur ein kleiner Unterschied im Verhalten. Es ist eine entscheidende Einstellungsänderung, eine andere Gewichtung der Bedeutung des anderen. Man bemüht sich nicht mehr so um die Partnerin, lässt nach in der Positivität, wird gleichgültig.

Dieses Verhalten zieht Kreise: Wenn die eine Person in ihrer Positivität nachlässt, tut das auch bald die andere. Aus Unsicherheit und Irritation. Aus dem Gefühl heraus, ausgenutzt zu werden, wenn man dem Gegenüber nett begegnet, während dieses es nicht mehr tut. Und so versiegt freundliches, interessiertes, unterstützendes Verhalten bald bei beiden.

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Kleinigkeiten gehen verloren

Das ist deshalb relevant, weil die häufigste Kommunikation bei Paaren genau diese Alltagskommunikation ist: wie man sich im Alltag begegnet, wie man morgens auseinandergeht, abends nachfragt, wie der Tag war, wie man miteinander spricht und wie viel Körperkontakt stattfindet und wie viel Nähe ausgetauscht wird.

Es geht letztlich um Kleinigkeiten, die unbewusst, schleichend, kaum merklich im Hintergrund wirken. Es ist kein lauter Streit, nichts Auffälliges oder Dramatisches. Es sind die kleinen, feinen Zeichen der Zuneigung und Liebe, die immer mehr aus dem Alltag verschwinden.

Und dadurch ein Vakuum hinterlassen, das mit einem Blumenstrauss am Valentinstag nicht gefüllt werden kann.

Zur Person
Guy Bodenmann

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