«Ich hätte nie gedacht, dass diese Freundschaft je zerbrechen könnte.» Die Worte meiner Freundin vermischten sich mit der klirrenden Kälte in der Luft und dem knirschenden Kies unter unseren Füssen. Ich wusste, dass sie in der Pandemie den Kontakt zu einer ihrer engsten Bezugspersonen abgebrochen hatte. Zwei, drei Mal hätten sie es mit einer Versöhnung Vergebung Wann gelingt es, zu verzeihen? versucht. Jedes Mal seien sie gescheitert. Und zwar heftig. Was als Annäherung geplant gewesen sei, habe weitere Wunden aufgerissen und gezeigt, wie weit sie mittlerweile voneinander entfernt seien.

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Nach einem Zerwürfnis wieder zueinander zu finden, ist keine einfache Sache. Wir müssen über unseren eigenen Schatten springen und Offenheit und Weichheit für einen Menschen finden, der uns wehgetan hat. Wir müssen Vertrauen und Grosszügigkeit schenken, und das in einer Situation, in der wir viel lieber etwas bekommen, als geben möchten.

Neue Harmonie erfordert Zeit und Energie

Falls auch Sie zu jenen Menschen gehören, die eine zerrüttete Beziehung wieder zum Leben erwecken möchten, lohnt es sich, wenn Sie sich vorher ein paar Fragen stellen. So können Sie sich ein Stück weit auf etwas vorbereiten, das ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang bleiben wird.

Fragen Sie sich zuerst, ob Sie sich wirklich versöhnen wollen oder ob Sie sich nur wünschen, dass alles «wieder gut» ist. Erneute Harmonie kann möglich sein, aber vorher werden wohl Investitionen von Ihnen verlangt. Sie werden Zeit und Energie brauchen und auch über Ihren Schatten springen müssen. Liegt das für Sie drin?

«Wollen Sie sich wirklich versöhnen – oder wünschen Sie ­nur, dass alles ‹wieder gut› ist?»

Caroline Fux, Psychologin

Prüfen Sie, ob Sie wirklich offen sind für die Haltung, die Gedanken und Wünsche dieser Person, obwohl sie Ihnen Kummer bereitet hat. Was sind Ihre Erwartungen für die Zukunft? Können Sie akzeptieren, dass Ihre Beziehung anders sein wird als früher? Sind Sie bereit, dass etwas Neues zwischen Ihnen wachsen darf, oder wollen Sie krampfhaft das Alte zurück?

Fühlen sich diese Dinge stimmig an, können Sie Ihrem Gegenüber eine Annäherung anbieten. Lösen Sie sich von der Idee, dass Sie als Erstes die Meinungsverschiedenheit oder das traumatische Erlebnis ansprechen müssen. Um schwierige Themen zu meistern, brauchts Goodwill und eine solide Basis. Sind diese weg oder angeschlagen, müssen sie erst wieder durch positive Begegnungen geschaffen werden. Künden Sie also an, dass Sie nicht diskutieren, sondern zuerst die gemeinsame Positivität reaktivieren wollen. 

Tun Sie gemeinsam wieder das, was Sie mal geliebt haben. Gehen Sie Kaffee trinken oder ins Yoga. Senden Sie sich Memes oder lustige Videos zu. Erst wenn Sie wieder einige positive Kontakte im Gepäck haben, können Sie darüber nachdenken, ob Sie weiter gehen wollen. Manchmal liegt der Tumor des Konflikts an einer so tiefen oder delikaten Stelle, dass eine Entfernung zu riskant wäre. Das ist bitter, aber vielleicht eine Realität, mit der Sie leben müssen. Gehen Sie es langsam an, wenn Sie sich beide eine Klärung suchen wollen. Versuchen Sie, den Schmerz, den Sie erlitten haben, in Worte zu fassen. Wenn Sie beide den Schmerz des anderen annehmen und mittragen können, wissen Sie, dass Sie wieder etwas Tragfähiges haben. 

«Manchmal liegt der Tumor des Konflikts an einer so tiefen oder delikaten Stelle, dass eine Entfernung zu riskant wäre.»

Caroline Fux, Psychologin

Vielleicht müssen Sie sich aber auch eingestehen, dass der gemeinsame Weg, den Sie mit einem Menschen gegangen sind, zu Ende ist. Und zwar egal, wie schön und lang das Wegstück war, das Sie geteilt haben. Diese Erkenntnis darf Sie schmerzen und beschäftigen. Und zwar verdammt lange. Das Leben ist nun mal kein Disney-Film, in dem eine Prinzessin einmal herzhaft «Let it go» singt, und schon ist das Eis gebrochen.

Verlust ist stets auch die Basis für das Entstehen neuer Dinge. Das nicht nur zu wissen, sondern auch zu spüren, wenn wir noch in der Trauer sind, ist schwierig. So schwierig, wie in einem grauen Januarhimmel bei klirrender Kälte und knirschendem Kies an den Frühling zu glauben.

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