Sind iPad und Handy doch keine Schlafkiller?
Die reine Bildschirmzeit hat wenig Einfluss auf die Schlafqualität von Kindern, sagt eine neue Studie. Entscheidender seien andere Faktoren.
Veröffentlicht am 4. März 2020 - 18:57 Uhr
Eltern kennen es: Wenn das Kind schwierig tut, hilft die iPad-Nanny. Ein Youtube-Filmchen beruhigt – und sorgt bei Mami und Papi für ein schlechtes Gewissen.
Zu Recht? In der «Sonntagszeitung» schlagen Fachleute Alarm. Heute seien schon Dreijährige abhängig von Youtube und Netflix. Eine Beratungsstelle für Mütter und Väter empfiehlt: Sechs- bis Neunjährige sollten täglich nicht mehr als 45 Minuten am Tablet verbringen, unter Dreijährige sollte man ganz fernhalten.
Seit Smartphones und Tablets Einzug gefunden haben ins Kinderzimmer, beschäftigt sich die Wissenschaft mit den Auswirkungen. Als gesichert gilt bislang nur eins: Es braucht mehr Forschung. Eine Metaanalyse der University of Colorado, die mehr als 60 Studien auswertete, kam zum Schluss: 90 Prozent der Studien weisen auf einen Zusammenhang hin zwischen Bildschirmzeit
und Schlafqualität. Kurz: Kinder, deren Augen über längere Zeit einer Bildschirmlichtquelle ausgesetzt sind, schlafen schlechter ein oder durch.
Schadet der Handybildschirm den Augen?
Umso erstaunlicher die Erkenntnisse, die jüngst Andrew Przybylski von der renommierten Oxford-Universität in England im «Journal of Pediatrics» publizierte. Der Forscher untersuchte, inwiefern sich die Bildschirmzeit auf die Schlafqualität bei Kindern und Jugendlichen auswirkt. Sein Fazit: praktisch gar nicht.
Eine Stunde vor dem Bildschirm verkürze den Schlaf um drei bis acht Minuten, heisst es in der Studie. Deshalb könne man festhalten, dass die Bildschirmzeit allein kaum negative Folgen hat für das Schlafverhalten, schreibt Przybylski. Entscheidender seien andere Faktoren. Etwa, zu welcher Tageszeit sich ein Kind mit dem Tablet beschäftigt: beim Frühstück – oder kurz vor dem Zubettgehen? Oder ob es sich um aktivierende Inhalte wie Actionspiele
oder um einen beruhigenden Youtube-Film handelt.
Professor Reto Huber vom Kinderspital Zürich sagt: «Das Thema wird heiss diskutiert.» Unbestritten sei, dass die innere Uhr auf Licht reagiert. Für guten Schlaf müsse es im Raum dunkel, kühl und ruhig sein. Ebenso wichtig seien regelmässige Bettzeiten
. Wenn ein Kind
Tagesschläfrigkeit zeige, müsse man die Schlafhygiene verbessern. Denn weitere Studien zeigten: Bereits zehn Minuten weniger Schlaf über mehrere Tage hätten einen negativen Effekt etwa auf die Leistung in der Schule.
Wann sind Kinder alt genug für ein Social-Media-Profil? Wie können Eltern ihre Kinder zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Medien erziehen? Antworten dazu lesen Beobachter-Mitglieder im Merkblatt «Medienkonsum von Kindern und Jugendlichen».