Nächstes Jahr wird Jakob Müller (Name geändert) 70. Er und seine Frau haben sparsam gelebt und konnten sich ein Einfamilienhaus mit Blick auf den Bodensee leisten. Für den Fall, dass er eines Tages ins Pflegeheim müsste, überlegt sich der an Parkinson erkrankte Müller, das Haus einem seiner Kinder zu überschreiben: «Nicht dass unser Vermögen für die Kosten des Heims aufgebraucht wird und die Kinder nichts mehr erben.» 

Partnerinhalte
 
 
 
 

Verständliche Bedenken, denn der Aufenthalt in einem Pflegeheim kann einen teuer zu stehen kommen. Im Pflegeheim in Arbon, das Müller in Betracht zieht, kostet ein Einerzimmer zwischen 3570 und 3990 Franken – monatlich. Zu den Wohnkosten kommen Kosten für die Pflege, die je nach Bedürftigkeit zwischen 81 und 6075 Franken pro Monat betragen, persönliche Auslagen noch nicht einberechnet. 

An den Pflegekosten beteiligen sich zwar die Krankenkassen, im Heim von Müllers Wahl jedoch mit höchstens 81 Franken im Tag. Das bedeutet, dass Aufenthalt und Pflege Müller im schlechtesten Fall monatlich 10'065 Franken kosten. Abzüglich der 2430 Franken von der Krankenkasse besteht ein Manko von 7635 Franken. Den Betrag müsste Müller in erster Linie mit seinem Einkommen – AHV und Pensionskassenrente – decken. Frühestens nach einem Jahr könnte er noch eine Hilflosenentschädigung der AHV erhalten: 570 bis 912 Franken im Monat. Den ungedeckten Teil der Kosten müsste er aus seinem Besitz finanzieren. «Von vermögenden Rentnern wird erwartet, dass sie die Zinsen sowie einen Teil der Ersparnisse für die Heimfinanzierung einsetzen», sagt Anders Stokholm, Chef des Amts für AHV und IV des Kantons Thurgau. 

Im Thurgau werden – wie in beinahe allen Kantonen – bei einem Ehepaar zehn Prozent des Vermögens, das über dem Freibetrag von 40'000 Franken liegt, als Einkommen angerechnet; 20 Prozent, wenn beide im Heim wohnen. Lebt noch ein Gatte im Eigenheim, gibt es einen zusätzlichen Freibetrag von 112 '500 Franken auf dem Wert der Liegenschaft. 

Mit Ergänzungsleistungen der AHV/IV kann ein Ehepaar nur rechnen, wenn die Einnahmen (Renten, Krankenkassenbeiträge, Hilflosenentschädigung, Zinserträge und Vermögensverzehr) die Ausgaben nicht decken. Deshalb «besteht die Gefahr, dass man zur Finanzierung des Pflegeheims sein Haus verkaufen muss, sofern nicht genügend weiteres Vermögen vorhanden ist», sagt Stokholm. 

Nicht verwunderlich, dass Müller wie viele ältere Menschen das Vermögen zu Lebzeiten auf die Kinder übertragen oder Gütertrennung vereinbaren wollen. Allerdings nützen solche Winkelzüge nichts. «Aufgrund der gesetzlich verankerten Beistandspflicht wird bei der Berechnung der Ergänzungsleistungen stets das gesamte Ehevermögen angerechnet, unabhängig vom Güterstand», klärt Stokholm auf. Auch Schenkungen und Erbvorbezüge werden von den Behörden als «freiwillige Vermögensverzichte» behandelt und angerechnet, als wären sie noch vorhanden. Eine Verjährungsfrist von fünf oder zehn Jahren, wie immer wieder behauptet wird, gibt es ebenfalls nicht. «Sobald wir aufgrund unserer Recherchen wissen, dass einmal ein Haus da war, wird dessen Verkehrswert zum Vermögen hinzugerechnet», sagt Stokholm. 

Und wenn das Einkommen die Pflegekosten nicht deckt? Wenn das Vermögen verschenkt ist und keine oder bloss (zu) tiefe Ergänzungsleistungen ausgerichtet werden? Zurückverlangen kann man Schenkungen oder Erbvorbezüge nicht. Den betroffenen Rentnern bleibt nur der Gang zum Sozialamt. Dieses wird die sogenannte Verwandtenunterstützungspflicht prüfen. Sofern es zumutbar ist, müssen sich Nachkommen an der Heimfinanzierung beteiligen. Allerdings hat das Bundesgericht die Latte der finanziellen Zumutbarkeit sehr hoch gesetzt – die Verwandtenunterstützung spielt kaum mehr eine Rolle. Doch allein der Gedanke, je beim Sozialamt anklopfen zu müssen, ist vielen höchst unangenehm. 

Um den schweren Gang zu vermeiden, ist es wichtig, dass man sich möglichst früh mit der Pflegefinanzierung auseinandersetzt. Am besten lässt man sich bei einer Bank, einer Versicherung, einem Notar oder Anwalt beraten, um Varianten zu prüfen. Möglicherweise ist eine private Versicherung oder eine frühzeitige Schenkung in Kombination mit einer Nutzniessung die beste Option. Ist eine massgeschneiderte Lösung gefunden, lässt sich der Ruhestand auch voll geniessen. 

Schutz vor Verarmung im Alter

Am 1. Juli 2010 tritt die neugeordnete Pflegefinanzierung in Kraft. Sie sieht vor, dass die Krankenversicherer an die ärztlich verordneten Pflegekosten einen fixen, nach Zeitaufwand abgestuften und für die ganze Schweiz einheitlichen Beitrag von maximal 7884 Franken zahlen. Für die -Kosten, die nicht von den Sozialversicherungen – meist den Krankenkassen – übernommen werden, dürfen die Patienten nur bis zu einem Maximalbetrag belastet werden. Für die Restfinanzierung muss die öffentliche Hand aufkommen. Die Pensions- und Betreuungskosten müssen wie heute selber getragen oder aber durch die Ergänzungsleistungen der AHV/IV abgedeckt werden. Zum Schutz vor Verarmung werden die Vermögensgrenzen bei den Ergänzungsleistungen angehoben. Die Kantone haben neu auch dafür zu sorgen, dass Bezüger von Ergänzungsleistungen durch den Aufenthalt in einem anerkannten Pflegeheim nicht sozialhilfe-abhängig werden.