Herr Ruch, waren Sie ein lustiges Kind?
Willibald Ruch: Ich habe viel gelacht als Kind und gern spontan lustige Dinge gemacht oder geblödelt. Witze erzählen war später weniger mein Ding.


Sind manchen Kindern das Fröhlichsein und das Lachen in die Wiege gelegt?
Ich glaube, alle Kinder sind irgendwie unbeschwert. Aber viele Ursachen können dazu führen, dass ein Kind viel oder wenig lacht. Ein Teil hängt von der Veranlagung ab, ein Teil von den äusseren Umständen. Eltern müssen sich keine Vorwürfe machen, wenn sie ein ruhiges, nachdenkliches Kind haben.

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In welchem Alter beginnen Kinder zu lachen?
Gesunde Kinder lachen ab dem dritten Monat. Am Anfang führt jede überraschende Situation zu einem Lacher. Dann gibt es die Phase, in der Tabuwörter lustig sind. Mit zunehmender geistiger Entwicklung braucht es originellere Komik.


Wann entdecken Kinder Witze?
Interessant werden Bücher oder CDs mit Witzen im Vorschulalter, mit fünf oder sechs Jahren. Kinder schnappen auch von Gleichaltrigen Witze auf und beginnen selbst welche zu erzählen. Sie merken, dass sie sich so in den Mittelpunkt stellen und ihre soziale Rolle stärken können. Es ist ein Lernprozess: Am Anfang erzählt ein Kind einen Witz vielleicht falsch nach oder erfindet einen Witz ohne wirkliche Pointe. Nach und nach lernt es, was einen Witz ausmacht und wie man ihn effektvoll erzählt.

Humorforscher Willibald Ruch

Willibald Ruch ist emeritierter Professor für Persönlichkeitspsychologie und Diagnostik an der Universität Zürich.

Quelle: Renate Szinyei

Es heisst, Lachen sei die beste Medizin. Kann Lachen Kinder gesund machen?
Ein Kind, das in guter Verfassung ist, lacht mehr als ein krankes. Ob aber Lachen die Gesundheit fördert oder nicht, ist nicht gut belegt. Lachen führt zur Ausschüttung von Hormonen, die gegen Schmerzen wirken können. Zudem weiss man, dass Stress, Ärger oder Trauer den Körper schädigen. Solche negativen Emotionen kann Lachen unterbrechen – und deshalb ihre Auswirkungen stoppen.


Kann ein Kind zu viel lachen?
Es gibt einige seltene Störungen im Gehirn, die sich in exzessivem Lachen äussern. Bei einem Lachepilepsie-Anfall werden auch Hirnregionen gereizt, die für das Lachen zuständig sind. Und wenn bestimmte hemmende Nervenbahnen gelähmt sind oder wegfallen, lachen Kinder bei atypischen Reizen, etwa wenn sie ein Flugzeug sehen. Wenn Eltern das Lachen ihres Kindes sonderbar vorkommt, sollten sie einen Neurologen aufsuchen.


Wie wichtig ist Humor in der Erziehung?
Humor verbessert die Beziehung, das erleichtert die Erziehung. Es ist eine nichternste Kommunikation, die dem Kind signalisiert: Ich mag dich. Einem Lehrer, der ein gesundes Mass an Humor verwendet, hören Schüler besser zu, und sie haben mehr Lust auf sein Fach.


Wie steht es mit der Ironie?
Kinder verstehen Ironie meist ab sechs, acht Jahren. Wenn man Ironie in der Erziehung benutzt, sagt man: Das ist jetzt nicht gut, aber ich habe dich trotzdem gern. Wenn es so gelingt, ungute Verhaltensweisen zu stoppen, ist das vielleicht besser als mit Strenge. 
 

Von der Ironie ist es nicht weit zum Auslachen.
Bei einer ironischen Bemerkung geht es um die Korrektur eines Verhaltens. Beim Auslachen nicht, da gibt es kein Mitleid mit der aufs Korn genommenen Person. Den Umgang damit sollten Kinder lernen, denn es fühlt sich nicht gut an, ausgelacht zu werden.

«Wenn man Ironie in der Erziehung benutzt, sagt man: Das ist jetzt nicht gut, aber ich habe dich trotzdem gern.»

Willibald Ruch

Manche Menschen entwickeln eine panische Angst davor.
Wir haben in einer Studie Menschen mit einer Gelotophobie untersucht. Für sie klingt jedes Lachen wie ein Auslachen. Sie bekunden Mühe in sozialen Beziehungen. Eine Frau erzählte, sie steige nur in den Bus, wenn der hinterste Sitz frei sei. Sie fürchtete, jemand hinter ihr könnte sie auslachen.


Entstehen solche Ängste, wenn ein Kind oft ausgelacht wird?
Das ist nicht gut untersucht. Die Frage ist, was zuerst war: Führt Auslachen zur Angst? Oder reagiert eine gehemmtere Person stärker auf negatives Lachen?


Was lässt sich dagegen tun?
Sich der Situation stellen. Wenn ängstliche Mütter und Väter ihre Kinder aus solchen Situationen fernhalten, kann sich die Angst aufbauen. 


Man liest immer wieder, dass Kinder viel häufiger lachen als Erwachsene. Vergeht uns während der Kindheit das Lachen?
Da kursieren abenteuerlich hohe Zahlen. Ich habe schon gelesen, dass Kinder 300-mal am Tag lachen würden. Das halte ich für unmöglich; ein Schüler kann während der Schulstunden nicht die ganze Zeit lachen. Im Grundsatz trifft die Beobachtung aber wohl zu. Je mehr Aufgaben und Arbeit ich habe, desto weniger Zeit bleibt mir, fröhlich zu sein und zu lachen.


Werden Kinder, die viel lachen, glücklicher?
In den USA fragten Forschende ehemalige Studentinnen und Studenten nach ihrer Zufriedenheit und verglichen die Antworten mit ihrem Gesichtsausdruck auf den Abschlussfotos. Da gab es tatsächlich Zusammenhänge: Frauen, die stärker gelächelt hatten, waren häufiger verheiratet, fühlten sich glücklicher. Aber es gibt verschiedene Formen von Glück. Man kann auch glücklich werden, wenn man gute Freunde hat oder sinnvolle Dinge tut.

Wie lernt ein Kind Humor?

  • Umgebung schaffen: Kinder entwickeln Humor durch Nachahmung; daher ist es gut, wenn sie lustige Freunde haben. Wer lustige Filme schaut oder Cartoons liest, schlüpft eher in die Rolle des Spassvogels.
  • Grenzen setzen: Wenn ein Kind einen bösartigen Witz erzählt, sollten Eltern nicht mitlachen. Falls andere Kinder unter seiner Ausgelassenheit leiden, sollten sie eingreifen.
  • Stile unterscheiden: Wir lachen beim Blödeln, über einen Witz oder über eine sarkastische Bemerkung. Kinder sollten für solche Unterschiede ein Sensorium entwickeln. Wer es nicht hat, hält sich für lustig, ist für andere aber ein Anlass zum Fremdschämen. 
  • Gelassen bleiben: Humor hat eine genetische Basis. Wer selbst introvertiert ist, sollte nicht von seinen Kindern erwarten, dass sie Stimmungskanonen werden.